PROJEKT III: Eduard Hanslicks „Vom Musikalisch-Schönen“. Dynamische Aspekte des Texts und der Kontexte

Das Projekt schließt an das Projekt „Studien zur Entstehung von Eduard Hanslicks Vom Musikalisch-Schönen“ und den dort gewählten Ansatzpunkt der Betrachtung von Hanslicks ästhetischer Abhandlung als dynamisches Textkorpus an, wobei unsere betreffende Untersuchung wesentlich ausgeweitet wird. Der Zeitraum der Analysen erstreckt sich nun auf die Jahre 1848 bis 1902 und erfasst hiermit auch alle zehn Auflagen von Vom Musikalisch-Schönen, die zu Hanslicks Lebzeiten von ihm ediert wurden, sowie die Entwicklung seiner Argumente in Vorstudien, und Thesen zum Thema seiner ästhetischen Abhandlung in Kritiken und sonstigen Textformen. Dieser merklichen Ausweitung des Zeitrahmens unserer Untersuchung entspricht ebenfalls ein neu entwickeltes und wesentlich umfassender angelegtes Verständnis der zentralen Kontexte. Wir unterscheiden nun zwischen den theoretischen Kontexten von Vom Musikalisch-Schönen sowie ihren Entwicklungsstufen (im weitesten Wortsinne wesentliche theoretische Diskurse mit den Kernbereichen Philosophie, Wissenschaft, Musiktheorie) und den praktischen Kontexten (politische Umgebung, institutionelle Einbindung, persönliche Netzwerke). Theoretische Kontextfelder werden sowohl auf intradiskursiver Ebene (Entwicklung der jeweiligen diskursiven Einzelfelder) als auch auf interdiskursiver Ebene (Interaktion der diskursiven Felder untereinander) detailliert untersucht. Die konkreten Analysen umfassen 3 Bereiche: (a) die historische Entwicklung von Hanslicks Argumenten von ca. 1848 bis zur ersten Auflage von 1854, (b) Aufbau und Genese der Argumente innerhalb des Texts der ersten Auflage sowie primär die textliche Evolution von zentralen Begriffen im Rahmen der Kapitel und (c) Hanslicks Variation von wesentlichen Argumenten in späteren Auflagen, bis zur 10. Auflage von 1902. Damit soll auch ein statisches Verständnis von Hanslicks Ästhetik durch eine dynamische Interpretation ersetzt werden, welche deutlich machen kann, wie sich elementare Referenzen, Konzepte und Begriffe mit der spezifischen Perspektive von Hanslicks Auflagen kontinuierlich transformieren. Diese „Dynamisierung“ von Vom Musikalisch-Schönen liefert einen wichtigen Beitrag zum genaueren Verständnis dieser wesentlichen ästhetischen Abhandlung, deren weiter anhaltende Rezeption meist nicht sieht, wie die dynamischen Eigenschaften von Text(en) und Kontext die inhaltliche Auslegung von Hanslicks Hypothesen nachhaltig beeinflusst.

PROJEKT II: Studien zur Entstehung von Eduard Hanslicks „Vom Musikalisch-Schönen“. Textuelle und kontextuelle Analyse

Das Projekt setzt unsere Arbeiten im Rahmen des Projekts „Eduard Hanslicks ästhetische Ideen. Entstehung und historischer Ort“ fort und erweitert die früheren Analysen um die Dimension der historischen Entwicklung des Texts, die nun systematisch aufgeschlüsselt wird. Vom Musikalisch-Schönen wird hier nun als dynamisches Textkorpus betrachtet, das Aussagen über „die“ Ästhetik Eduard Hanslicks nur auf Grundlage von genetischen Detailstudien ermöglicht. Diese historisch-genetische Dimension des Texts ist mit Blick auf die Entwicklung der Abhandlung aus Vorveröffentlichungen der Jahre 1853 und 1854 (Kapitel 4, 5 und 6), die chronologische Entstehungsfolge und logische Ordnung der sieben Kapitel, und die wesentlichen Änderungen bei den auch rezeptiv wichtigen Neuauflagen von 1858 (2. Auflage) und 1865 (3. Auflage) eingehend analysiert worden. Vom Musikalisch-Schönen erscheint somit weder als „aphoristische“ Textsammlung, noch als gezielt lineare Abhandlung, sondern als Text mit komplizierter argumentativer Tiefenstruktur, die nur mit genetischen Spezialanalysen erschließbar ist. Die chronologische und logische Prüfung ergibt hierbei eine überraschende Kapitelabfolge, die dem eigentlichen Textaufbau widerspricht (6, 4, 5, 1, 2, 3, 7). Diese textliche Problematik wird mit der fortgesetzten Untersuchung von relevanten Kontexten verbunden, die die entsprechenden Textänderungen und die fortlaufende Anpassung von Hanslicks Argumenten maßbeglich beeinflussten. Unser Fokus gilt hier den politischen Kontexten und der institutionellen Anbindung Hanslicks, die vor allem für dessen Karriereplanung zweifelsfrei entscheidend waren. Neben dieser textuellen und kontextuellen Untersuchung werden ebenso empirische Dokumente einbezogen (Briefe, Akten etc.), die eine zusätzliche methodische Dimension eröffnen und die erreichten Ergebnisse abstützen. Ergänzt werden diese spärlichen Dokumente weiters durch eine genaue Analyse der persönlichen Beziehungen zu zentralen Ästhetikern des neunzehnten Jahrhunderts (z.B. Robert Zimmermann) und der vorstehend erwähnten politischen Gesamtsituation im Wiener Kontext, wobei Hanslicks Tätigkeit am positivistisch ausgerichteten Bildungsministerium unter Graf Thun  von uns als besonders relevant bestimmt wurde. Derartige Kontexte erhellen ebenfalls wesentliche Änderungen der zweiten Auflage von Vom Musikalisch-Schönen, die romantische Implikationen zurücknimmt und nun stärker formal ausfällt.

PROJEKT I: Hanslick im Kontext. Eduard Hanslicks ästhetische ideen; Entstehung und historischer Ort

Das Projekt zielt auf die kritische Analyse der „eklektischen“ intellektuellen Hintergründe von Hanslicks Abhandlung Vom Musikalisch-Schönen, deren genetische Faktoren übergreifend erschlossen werden. Im Zentrum steht dabei für uns die Erfassung von Hanslicks Methodik der punktuellen Vermischung verschiedenster philosophischer Diskurse und die Identifikation der von ihm benutzten Textquellen, wodurch eine stabilere Grundlage für die moderne Hanslick-Forschung geschaffen wird, die die historischen Hintergründe von Vom Musikalisch-Schönen äußerst disparat beurteilt. In einem ersten Schritt befassen wir uns mit den zahlreichen ästhetischen Positionen des neunzehnten Jahrhunderts, deren jeweilige Relevanz für Hanslicks Theoreme bisher separat erforscht wurde. Angesichts unserer Hypothese, dass Hanslick im Grunde keiner einheitlichen Hauptströmung zuzuordnen ist und sein Werk einen quasi hybriden Charakter hat, werden die Quellen seiner Thesen und Methode breit gefächert analysiert. Neben den in der Hanslick-Forschung prominenten Philosophen – z.B. Bolzano, Hegel, Herbart, Kant, Vischer und Zimmermann – werden deshalb auch weniger bekannte Gestalten wie Gutt, Hand, Michaelis, Nägeli und Weisse in die diskursive Formation integriert. Es werden zudem die Parameter der Habsburgischen Bildungspolitik sowie deren Einfluss auf Hanslicks Methodik erschlossen, der Vom Musikalisch-Schönen in engem Kontakt mit dem Unterrichtsministerium von Graf von Thun und Hohenstein verfasste sowie von dessen empirisch-formaler Ausrichtung geprägt wurde. Neben Hanslicks Kontakten mit tragenden Personen der Thun’schen Reformen wird auch die genetische Dimension seiner Abhandlung untersucht. Neben inhaltlichen Elementen betrifft dies auch methodologische Themenkomplexe, z.B. Hanslicks juristische Ausbildung und die wissenschaftstheoretische Ausrichtung Österreichs. Hiermit können wir geistesgeschichtliche Forschungsansätze mit aktuellen Strömungen bezüglich einer generelleren historischen Kontextualisierung von Hanslicks Vom Musikalisch-Schönen koppeln und zeigen, wie der Genesekontext dessen intellektuelle Hintergründe erhellt. Unser Projekt macht somit deutlich, wie die Verbindung von philosophischer Orientierung, ästhetischen Traditionen, institutionell-politischen Faktoren und persönlichen Beziehungen auf Hanslicks ästhetische Annahmen wirkten, welche nicht zufällig im Wien nach 1848 reifen sollten. Nur vor diesem Hintergrund können die Eigenheiten einer Methodologie gefasst werden, die die eindeutige Zuordnung ihrer Grundlagen verweigert und die im heterogenen Spannungsfeld von philosophischen, szientifischen, ästhetischen, politischen und juristischen Diskursen heranreifte.

 

Publikationen zu den drei Teilprojekten

 

Vorträge zu den drei Teilprojekten

 

 

Projektleitung

Christoph Landerer

 

Mitarbeiter und Kontakt

Alexander Wilfing
Meike Wilfing-Albrecht (Projekt III)

 

Laufzeit

Projekt I: 2014–2017
Projekt II: 2017–2018
Projekt III: 2018–2022

 

Finanzierung

Projekt I: 10.55776/P26610
Projekt II: OeNB 17508
Projekt III: 10.55776/P3055