08.07.2024 | International

Iran-Wahl: „Fenster für Dialog öffnet sich“

Der Reform-Politiker Masoud Pezeshkian hat die Stichwahl im Iran gewonnen und wird der neue Präsident des Landes. Für ÖAW-Iranist Florian Schwarz eröffnet das Wahlergebnis Chancen für einen konstruktiven Dialog, sowohl innen- als auch außenpolitisch.

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Am Ende waren es nur noch zwei: Der als moderat geltende Kandidat Masoud Pezeshkian und der Hardliner Said Dschalili traten in der Stichwahl um das iranische Präsidentenamt gegeneinander an. Rund 61 Millionen Iraner:innen waren zur Wahl aufgerufen. Und sie wählten mehrheitlich Massoud Pezeshkian.

Florian Schwarz, Direktor des Instituts für Iranistik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und profunder Kenner des Landes und seiner Geschichte, im Gespräch mit einer ersten Einschätzung des Wahlergebnisses.

Sie hat die Wahl von Masoud Pezeshkian nicht überrascht, warum?

Florian Schwarz: Der Sieg des Reformkandidaten Masoud Pezeshkian bei den Präsidentschaftswahlen am 28. Juni und 5. Juli 2024 in Iran ist tatsächlich nicht überraschend. Schon früh zeichnete sich in Umfragen eine Dynamik ab, die sich in den Ergebnissen der ersten und der zweiten Wahlrunde dann auch bestätigte.

Mit dem klaren Wahlsieg von Pezeshkian (...) öffnet sich ein Fenster zu einem konstruktiven Dialog sowohl nach Außen wie nach Innen.

Wie konnte Pezeshkian die Wähler:innen von sich überzeugen?.

Schwarz: Man muss zunächst sagen: Die Wahlbeteiligung im zweiten Wahlgang war mit 50% nicht viel höher als in den letzten Wahlen und ist noch immer weit entfernt von den hohen Werten vorangegangener Präsidentschaftswahlen. Aber es ist Pezeshkian gelungen, eine ausreichende Zahl von Wählerinnen und Wählern zu mobilisieren, die in seiner Reformagenda eine mehr als nur atmosphärische Alternative zur Fortsetzung der Politik des verstorbenen Präsidenten Raisi sahen, die der Gegenkandidat Saeed Jalili angeboten hatte. Mit dem klaren Wahlsieg von Pezeshkian, der im Wahlkampf auch von dem ehemaligen Außenminister Mohammad Javad Zarif unterstützt wurde, öffnet sich ein Fenster zu einem konstruktiven Dialog sowohl nach Außen wie nach Innen.

Was muss der neue Präsident als erstes angehen?

Schwarz: Pezeshkian muss nun versuchen, in der Umsetzung seines Programms und der Einlösung seiner Versprechen in Bezug auf wirtschaftliche Strukturprobleme, internationale Politik – Stichwort: JCPOA („Atomdeal“) und die damit verbundenen Sanktionen –, Minderheitenrechte, Bürgerrechte und insbesondere Frauenrechte sowie Themen wie Gesundheits- und Bildungswesen, schnell sichtbare Fortschritte zu erzielen.

Kann ihm das gelingen?

Schwarz: Das ist schwer zusagen, aber es wird sicherlich nicht leicht. Er muss sich innenpolitisch unter anderem mit einem erst im Frühjahr 2024 neu gewählten, konservativ dominierten Parlament sowie außenpolitisch mit einer schwer vorhersehbaren internationalen Entwicklung auseinandersetzen.

 

Auf einen Blick

Florian Schwarz ist Direktor des Instituts für Iranistik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien. Zuvor forschte er u. a. an der Universität Tübingen und der Universität Bochum. Vor seiner Berufung an die ÖAW war er Assistant Professor an der University of Washington, Seattle. Er ist korrespondierendes Mitglied der ÖAW.