07.06.2024 | Ausstellung

Happy Birthday, Mister President!

Vor 250 Jahren wurde der Gründer und erste Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften geboren: Joseph von Hammer-Purgstall. ÖAW-Forscherin Sibylle Wentker hat eine Ausstellung über den bedeutenden Orientalisten kuratiert.

Josef von Hammer-Purgstall (1774-1856) auf einer Lithographie von Adolf Dauthage. © Wikimedia Commons/Public Domain

Joseph von Hammer-Purgstall (1774-1856) gilt als Österreichs bedeutendster Orientalist und unermüdlicher Forscher, der ein beeindruckendes Werk hinterlassen hat. Er war der erste Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die damals noch Kaiserliche Akademie der Wissenschaften hieß.

Über sein Wissenschaftsverständnis und seine unglaubliche Produktivität spricht im Interview die Iranistin Sibylle Wentker. Sie hat nun an der ÖAW eine Ausstellung über Hammer-Purgstalls Verhältnis zur Akademie der Wissenschaften kuratiert.

Größter österreichischer Orientalist

Sie kuratieren eine Ausstellung über den Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall, der vor 250 Jahren geboren wurde. Warum sind sein Leben und Wirken heute noch so relevant?

Sibylle Wentker: Hammer-Purgstall gilt als der größte österreichische Orientalist. Zu Recht, angesichts er enormen Menge seines Schrifttums und der Vielfalt, der von ihm bearbeiteten Themengebiete. Er hat sein gesamtes Leben im Staatsdienst gearbeitet, zuletzt als Hofdolmetscher in Wien, war gleichzeitig ein äußerst produktiver Gelehrter in verschiedenen Gebieten der Orientalistik und mit der Wissenschaftswelt im brieflichen Austausch. Es sind tausende Briefe mit hunderten Korrespondenzpartnern im Steiermärkischen Landesarchiv erhalten.

Was ich an Hammer-Purgstall so beeindruckend finde, ist, neben seinem ungeheuren wissenschaftlichen Fleiß, dass er diese Internationalität und Vernetzung durch sein eigenes Beispiel in die Orientforschung in Österreich importiert. Und: Für ihn waren die Freiheit der Wissenschaft von jeglicher Zensur und die Autonomie der Akademie sowie faktenbasierte Wissensproduktion essentiell.

In der Ausstellung geht es uns vordringlich um das Verhältnis, das Hammer-Purgstall zur Akademie der Wissenschaften hatte. Er gehörte zur Gruppe der Gründer der Akademie und war auch ihr erster Präsident.

Eine seiner Zeitschriften, die er selber begründet hat, hieß "Die Fundgruben des Orients".

Lange bevor es in Österreich eine Akademie der Wissenschaften gab, war er Mitglied bedeutender Wissenschaftsakademien von Kalkutta bis Washington. Wie hat er die Österreichische Akademie der Wissenschaften geprägt?

Wentker: Hammer-Purgstall hat dieses Projekt, die Gründung der Akademie der Wissenschaften, die im europäischen Vergleich ja relativ spät stattgefunden hat, über 30 Jahre sehr beharrlich betrieben. Nicht allein, sondern immer in Kooperation mit einer Gruppe von Wissenschaftlern, die das ebenfalls erreichen wollten. Hintergrund: Damals gab es keine unabhängigen Wissenschaftsorganisationen und auch keine Wissenschaftseinrichtung, die die klassische Gelehrtengesellschaft, die man als wissenschaftlich unabhängig, aber gleichzeitig unter dem Schutz des Staates etablieren wollte. Die Universitäten waren damals noch stark reguliert.

Hammer-Purgstall hat sich dazu bedeutende Anregungen aus seinen internationalen Beziehungen genommen, er war Mitglied in 30 Akademien und Vereinigungen. Eine seiner Zeitschriften, die er selber begründet hat, hieß „Die Fundgruben des Orients“, die hat er ganz klar nach anglo-indischem Vorbild modelliert, also den „Asiatick Researches“ von William Jones. Der gab schon im Indien des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts eine orientalistische Fachzeitschrift heraus, allerdings dort unter kolonialem Eindruck.

Einfluss auf Goethe

Für Hammer-Purgstall gehörte die persische Literatur zu den edelsten der Welt. Als er den Divan des persischen Dichters Mohammed Schensed-din Hafis übersetzte, konnte er auch Johann Wolfgang von Goethe für die persische Literatur begeistern.

Wentker:  Als Hammer-Purgstall das erste Mal die Gedichte von Hafis von einer Perserin rezitieren hörte, war er so entflammt, dass er sich sofort hinsetzte und das umfangreiche Werk, ein Korpus von etwa 900 Gedichten, übersetzt. Und Goethe wiederum, der diese Publikation las, war davon wiederum so entbrannt, dass er wie im Rausch den Westöstlichen Diwan schrieb. Das hat seinen Ursprung natürlich in der Stimmung der Romantik. Für frei denkende Menschen wie Goethe und Hammer-Purgstall war die Weltzugewandheit Hafis und vor allen Dingen sein direkter Ton als Kontrastprogramm zur damals herrschenden Bigotterie besonders reizvoll. Anfang des 19. Jahrhunderts begann man auch außereuropäische Literaturen zu entdecken.

Hammer-Purgstalls Welt war eine sehr geistige, also eine sehr textbezogene Welt.

Stichwort koloniale Haltung. Wie näherte sich Hammer-Purgstall diesen Werken?

Wentker: Hammer-Purgstalls Welt war eine sehr geistige, also eine sehr textbezogene Welt. Bei der Übersetzung von Persisch, Türkisch und Arabisch bzw. der Zusammenfassung von Quellentexten und auch beim Schreiben historisch eigenständiger Werke hat er Enormes geleistet und war in der Betrachtung der Quellen nicht eurozentristisch. Im Gegenteil. Er trägt in einem hohen Maße dazu bei, dass wir uns mit einer außereuropäischen Kultur, Geschichte und auch durchaus Religion beschäftigen.

Aber er interessierte sich weniger für den Orient der Gegenwart, er war kein Ethnologe.

Neubewertung seines Werks

Bis vor Kurzem war Hammer-Purgstall noch relativ unbekannt. Warum?

Wentker: Das hat auch mit der Wissenschaftsbetrachtung des 20. Jahrhunderts zu tun. Hammer-Purgstall stirbt 1856 als hoch angesehener Wissenschaftler. Durch die nach ihm einsetzende Etablierung der Berufswissenschaftler als Professoren an den Universitäten beginnt im deutschsprachigen Raum diese Professionalisierung der Wissenschaften. In der Orientalistik setzt sich vor allem im deutschsprachigen Raum sehr stark eine philologische Wissenschaft durch, also Textkritik. In dieser Zeit verlor auch Hammer-Purgstall an Ansehen,  weil er an dieser Professionalisierung keinen Anteil hatte.

Heute ist man in der Bewertung der wissenschaftlichen Leistungen vergangener Jahrhunderte wieder großzügiger und nimmt die Errungenschaften in den Blick, also eine kulturwissenschaftliche Betrachtung der Wissenschaftsgeschichte.

Und was wird in der Ausstellung zu sehen sein?

Wentker: Es ist schwierig Objekte zu Hammer-Purgstall auszustellen, denn sein Besitz beziehungsweise, was davon übrig ist, ist weitgehend zerstreut und nach wie vor in privater Hand. Eine Riesenbibliothek ist in den 1850er Jahren versteigert worden. Zum Glück ist der Versteigerungskatalog erhalten geblieben. Bei der Ausstellung konzentrieren wir uns auf die Jahre von 1847 bis 1849, als er Präsident war. In einer Vitrine stellen wir auch eine Übersetzung einer persischen Chronik der Mongolenzeit aus, die er an der Akademie veröffentlichen wollte. Dazu kam es nicht mehr, er starb noch davor, aber die Akademie hat jetzt dieses Projekt wieder aufgenommen. 

 

AUF EINEN BLICK

Sibylle Wentker ist Direktorin für Internationale Beziehungen und Nachwuchs- und Forschungsförderung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Iranistik der ÖAW und ist seit 2014 Leiterin von Bibliothek, Archiv, Sammlungen der ÖAW.

Joseph von Hammer-Purgstall: Ausstellung zum 250. Geburtstag

Wann: 14. Juni – 12. Juli 2024
Montag – Donnerstag: 9.00 – 17.00 Uhr, Freitag: 9.00 – 13.00 Uhr

Wo: Bibliothek der ÖAW, Bäckerstraße 13, 1010 Wien