René von Schomberg
I will provide a vision and definition of Responsible Research and Innovation and propose a broad framework for its implementation under Research and Innovation schemes around the world.
I will make the case that RRI should be understood as a strategy of stakeholders to become mutual responsive to each other and anticipate research and innovation outcomes underpinning the “grand challenges” of our time for which they share responsibility.
Research and Innovation processes need to become more responsive and adaptive to these grand challenges. This implies, among other, the introduction of broader foresight and impact assessments for new technologies beyond their anticipated market-benefits and risks. Social benefits of new technologies need to take into account widely shared public values. This implies a paradigm shift in innovation policy, moving away from an emphasis on key technologies towards issue and mission oriented policies.
Background information can be found on: Renevonschomberg.wordpress.com
Dr. Dr.phil. René von SCHOMBERG is an agricultural scientist and philosopher. Author and (co-)editor of 12 books including Implementing the Precautionary Principle: Perspectives And Prospects by Judith S. Jones and René Von Schomberg (Sep 30, 2006).
He holds Ph.D’s from The University of Twente, the Netherlands (Science and Technology Studies) and J.W.Goethe University in Frankfurt am Main, Germany (Philosophy).
He has been a European Union Fellow at George Mason University, USA in 2007 and has been with the European Commission since 1998. Before joining the Commission he was teaching at Twente University and Tilburg University in the Netherlands.
Geraldine Fitzpatrick
As Human-Computer-Interaction (HCI) practitioners and technology designers, we often inadvertently inscribe values and notions beyond what we intended in the systems we design. Further, while we aim to work from a user- and use-centred perspective, we often still miss the perspectives of other critical stakeholders and the broader context. Reflecting on issues of responsible innovation from the bottom up, I will discuss some of our HCI experiences in trying to engage in value-led responsible design using two exemplar cases: designing for older people and health care agendas, and designing for eco-behaviour change agendas. While very different in focus, both highlight the importance that different conceptualisations have on shaping possible solutions, and the challenge of identifying and negotiating competing agendas. This draws attention beyond responsible design just as a process, to also consider responsible designers, as reflective practitioners aware of their power in inscribing possible futures.
Geraldine FITZPATRICK is Professor of Technology Design and Assessment at Vienna University of Technology in Austria and leads the Institute for Design and Assessment of Technology, and the Human Computer Interaction group. Prior to this, she was Director of the Interact Lab at the University of Sussex, a User Experience consultant at Sapient (international business and technology company) in London, and a Senior Research Fellow at the Distributed Systems Technology Centre and the Centre for Online Health in Australia. Her research is inter-disciplinary, situated at the intersection of social and computer sciences. She is particularly interested in how we design and evaluate pervasive, tangible and Web 2.0 technologies to fit in with everyday contexts of work, play and daily life, with a particular interest in supporting social interaction and collaboration, health and well-being, and active engagement for older people. She has a published book and over 130 refereed journal and conference publications in diverse areas such as pervasive computing, CSCW, HCI, health informatics, and e-learning. She also serves in many editorial and committee roles, including associate editor of the CSCW journal and Papers/notes co-chair for CHI2010 and CHI2011.
Stephan Lingner
Die Forderung nach Verantwortung in der wissenschaftlichen Forschung und in der Nutzung ihrer Ergebnisse ist nicht neu. Sie erlangt aber stets neue Nahrung anlässlich von Vertrauenskrisen in der Wissenschaft und angesichts der andauernden gesellschaftlichen Auseinandersetzung um die angemessene Gestaltung sozialer und technischer Innovationen – zumal in einer zunehmend globalisierten Welt mit heterogenen kulturellen Praxen und Erwartungen sowie unterschiedlichen Spielregeln.
Im Innovationskontext speisen sich Forderungen nach frühzeitiger Reflexion des erforschten und erarbeiteten „Neuen“ im Wesentlichen sowohl aus der grundsätzlichen Legitimationspflicht insbesondere öffentlich alimentierter Forschung als auch aus der absehbaren Eingriffstiefe von resultierenden Innovationen in die Lebens- und Umwelt von Mensch und Gesellschaft. Der bislang erreichte status quo dient dabei nicht nur als Referenzpunkt für die Beurteilung dieser Eingriffstiefe, sondern ist auch selbst Gegenstand kritischer Reflexion als ein Zustand, der nicht notwendigerweise „gesollt“ ist und möglicherweise zu verbessern ist. Mit diesem Verständnis kann und soll Innovation problemlösende Beiträge liefern – wie auch die wissenschaftliche Forschung, die es nicht nur sozialverträglich einzuhegen, sondern vielmehr zu motivieren gilt, das zu tun, was ihr gesellschaftlicher Auftrag ist: Erkenntnis zu bilden und weitere Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Viele Verfahren der TA bemühen sich seit mehreren Dekaden entsprechend wünschbare bzw. akzeptable Forschung und Entwicklung in der Gesellschaft zu flankieren und zu unterstützen. Dies wird möglicherweise abseits der einschlägigen Netzwerke nicht überall (an-)erkannt – ursächlich hierfür könnten einerseits Wahrnehmungsdefizite auf Seiten der Adressaten aber auch Beratungsdefizite von TA selbst sein. Hier setzt nun das Leitmotiv „Responsible Research and Innovation (RRI)“ an, das diese tatsächlichen oder vermeintlichen Defizite in der Reflexion von Forschung und Innovation beheben will. Innerhalb nur weniger Jahre hat der Begriff der „Responsible Research and Innovation“ im Europäischen Raum eine beachtliche Karriere gemacht und bietet nun auch einen konzeptionellen Rahmen für die Formulierung einschlägiger Forschungsprogramme der Europäischen Kommission und für die Vergabe von entsprechenden Forschungsaufträgen. Gleichzeitig haben sich auch viele nationale Forschungsförderer und -institutionen dieses Konzept – zumindest implizit – zu Eigen gemacht. Ob hieraus für die Technikfolgenabschätzung neue Impulse erwachsen können, und wenn ja welche, lässt sich an praktischen Beispielen diskutieren.
Das Rahmenkonzept RRI soll daher am Beispiel einer seit Februar 2013 laufenden Beteiligung am EU-geförderten Verbundprojekt „PROGRESS“ (Promoting Global Responsible Researchand Social and Scientific Innovation) illustriert und weiter präzisiert werden – auch aus Perspektive der TA. Im Rahmen des Projekts sollen angesichts der globalen Dimension von Forschung und Entwicklung auch Perspektiven und Grenzen für die Geltungsansprüche des RRI-Konzepts weltweit aufgezeigt werden, auch wenn es primär als Leitbild für die Erneuerung des Europäischen Forschungsraums gedacht ist. Dabei sollen die drei leitenden RRI-Maximen „ethische Akzeptabilität“, „Nachhaltigkeit“ und „gesellschaftliche Wünschbarkeit“ auch auf außereuropäische Konzepte zur Governance von Forschung und Innovation – wie z.B. auf „Broader Impacts“-Kriterien der USA – bezogen werden. Sie sind zudem anhand ausgewählter TA-relevanter Technikfelder zu illustrieren und zu reflektieren.
Die hier vorgestellte „Coordination & Support Action“ ist Teil des „Science in Society“-Programms im 7. EU-Rahmen-programm und soll letztendlich auch Möglichkeiten für eine globale Konvergenz gesellschaftsverträglicher Governance von Innovationssystemen auf der Basis verfassungsmäßiger Normen und Werte ausloten. Inwieweit die Vision globaler Konvergenz angesichts der faktischen Pluralität der involvierten Gesellschaftssysteme und ihrer historischen bzw. kulturellen Wurzeln realistisch ist, wird zu untersuchen und zu diskutieren sein.
Stephan LINGNER ist stellvertretender Direktor der Europäischen Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen Bad Neuenahr-Ahrweiler GmbH und Leiter des Akademie-Teams im EU-Verbundprojekt PROGRESS. Als studierter Geowissenschaftler befasst er sich mit einem breiten Spektrum der Technikfolgenabschätzung mit Schwerpunkten in Umwelt-, Klima- und Energiefragen. Weitere Arbeitsgebiete sind neue Optionen der Raumfahrt und Planetenforschung. Hinzu kommen methodische Arbeiten von S. Lingner, wie z.B.: „Rationale Technikfolgenbeurteilung“ in: G. Simonis (Hg.) Konzepte und Verfahren der Technikfolgenabschätzung. Springer VS, 2013.
Ralf Lindner, Kerstin Goos
„Responsible Research and Innovation“ (RRI) ist ein vergleichsweiser junger Ansatz in der Debatte um die Ausgestaltung und Steuerung sowohl von Forschungs- und Entwicklungsprozessen als auch der Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik. Im Kern zielt RRI darauf ab, die Auswirkungen von Technologie und Innovation mit gesellschaftlichen Werten und Bedarfen möglichst weitgehend in Einklang zu bringen. Gegenwärtig existiert noch kein allgemein anerkanntes Begriffsverständnis; zudem befinden sich Reichweite und Ausprägungen von RRI noch in einem Definitionsprozess. Die zentralen Bezugspunkte von RRI sind zumeist neue Technologien mit großem gesellschaftlichen Veränderungspotenzial. Insbesondere die Erfahrungen mit hochumstrittenen Technikentwicklungs- bzw. Innovationsprozessen, die nicht antizipiert worden waren, gelten als wesentlicher Impetus für den Aufstieg des RRI-Konzepts und das damit verbundene Bestreben, potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen und schädliche Folgewirkungen zu vermeiden.
Um dieses anspruchsvolle Programm, das sich in das gegenwärtige Paradigma der Bedarfs- bzw. Missionsorientierung der Innovationspolitik einfügt, aber um normative und prozessuale Elemente neu akzentuiert, umzusetzen, muss mindestens in vier interdependenten Bereichen angesetzt werden: (1) Identifizierung geeigneter normativer Maßstäbe zur Steuerung von F&E bzw. Etablierung legitimer Verfahren zur deren Bestimmung, (2) Beteiligung aller Stakeholder-Gruppen an Debatten über gemeinwohlorientierte Ziele von F&E, (3) verbesserte Integration der Erkenntnisse aus Vorausschau und Technikbewertung in F&E-Steuerung und (4) Aufbau antizipativer und reflexiver Steuerungsarrangements (einschließlich harter und weicher Regulierungsmechanismen).
Bekanntlich bestehen angesichts der unterschiedlichen Akteursarenen und Regulierungsebenen in der Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik heterogene, polyzentrische, z.T. ineinandergreifende und sich überlagernde Governance-Arrangements, die sich jeweils mit Teilaspekten von RRI befassen (Foresight, Ethik-Kommissionen, (partizipative) TA, codes of conduct und Selbstverpflichtungen, CSR etc.). Mit Blick auf das jeweils zugrundeliegende Verständnis von verantwortungsvoller Forschung und Innovation zeichnen sich diese komplexen Governance-Landschaften zudem aus durch die Existenz eines normativen Pluralismus, der sich aus vielfältigen Wertebezügen der beteiligten Akteure speist.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die zentralen Herausforderungen für die Umsetzung des RRI-Ansatzes zum einen in der zielführenden Integration und produktiven Koordination der bereits existierenden Governance-Arrangements liegen. Zum zweiten gilt es, effektive und legitime Ansätze, Verfahren und Mechanismen zu finden, um mit konkurrierenden normativen Ansprüchen und Vorstellungen konstruktiv umzugehen, anstatt Spannungen und Konflikte auszublenden.
Seit einiger Zeit können verschiedene übergreifende governance frameworks für RRI beobachtet werden (für einen Überblick: Randles et al. 2013), die darauf abzielen, (1) zu definieren, welche ethischen, sozialen, ökologischen Aspekte etc. konstituierend sind für Verantwortung in Forschung und Innovation, (2) Prinzipien und Richtlinien zu präsentieren, um Forschung und Innovation mit einem bestimmten Verständnis von RRI in Einklang zu bringen und (3) Governance-Mechanismen vorschlagen, die die beteiligten Akteure entsprechend der formulierten RRI-Prinzipien und Richtlinien orchestrieren.
Die Europäische Kommission fördert seit 2013 Forschungsprojekte, die übergreifende governance frameworks für RRI entwickeln sollen. Eines dieser Vorhaben ist das Res-AGorA-Projekt, an dem die AutorInnen dieses Beitrages mitarbeiten. Ziel dieses Beitrages ist es, die theoretisch-konzeptionellen Annahmen und das methodische Vorgehen von Res-AGorA vorzustellen und im Sinne eines Werkstattberichts erste Überlegungen zu präsentieren, wie die Konturen eines solchen governance frameworks aussehen könnten. Diskutiert wird hierbei auch die Tragfähigkeit verschiedener Lösungsansätze der Governance-Forschung, wie etwa der Meta-Governance von Jessop (2003). Da im Forschungsansatz des Projekts die eingehende empirische Analyse von de facto governance von RRI eine zentrale Rolle spielt, um aus diesen realen Governance-Phänomenen Erkenntnisse für die Ausgestaltung eines übergreifenden Governance-Rahmens für RRI zu generieren, werden im Rahmen des Beitrags exemplarisch ausgewählte Ergebnisse aus dem umfangreichen Fallstudienprogramm von Res-AGorA vorgestellt.
Dr. Ralf LINDNER ist Senior Researcher am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI. Er studierte Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre an der Universität Augsburg und der University of British Columbia (Vancouver). Forschungs- und Arbeitsgebiete sind u.a. Politikfeldanalysen, Internet-basierte Kommunikations- und Interaktionsprozesse, insbesondere ePartizipation; Analyse, Evaluation und Gestaltung von öffentlichen Förderprogrammen; TA; Theorie und Praxis von Politikberatungsprozessen. Ralf Lindner koordiniert seit 2013 das Res-AGorA-Projekt (7. Forschungsrahmenprogramm). www.res-agora.eu
Kerstin GOOS, dipl. rer. com., studierte Kommunikationswissenschaft (Diplom) an der Universität Hohenheim und an der Universität Aarhus in Dänemark. Seit 2012 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Competence Center Neue Technologien am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe, und Doktorandin an der Universität Stuttgart, Lehrstuhl für Organisations- und Innovationssoziologie. In ihrer Dissertation setzt sie sich mit Bürgerbeteiligung im Zusammenhang mit Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik auseinander.
Leonhard Hennen
Das Konzept „Responsible Research and Innovation“ beinhaltet als einen wesentlichen Eckpunkt die Einbeziehung von betroffenen und interessierten Bürgern und Bürgerinnen und gesellschaftlichen Gruppen in Forschungs- und Entwicklungsprozesse. Forschung- und Technikentwicklung sollen im Sinne der Devise „Science in Society“ stärker mit denjenigen kooperieren, die ihre Ergebnisse und Produkte nutzen bzw. direkt oder indirekt von Ihnen betroffen sind. Damit verbindet sich die Vorstellung, einerseits die Reflektion auf soziale Erwartungen und Bedürfnisse sowie auch auf gesellschaftliche Folgen unter Einbeziehung der Perspektiven und Wertorientierungen gesellschaftlicher Gruppen in F&E Prozesse stärker zu integrieren, um F&E damit andererseits auf gesellschaftliche Bedarfe hin zu orientieren und für Risiken und ethische Fragen zu sensibilisieren. Gegenstand des laufenden EU-geförderten Projektes „Engage2020“ ist die Erarbeitung eines Überblicks über die Möglichkeiten gesellschaftlicher Beteiligung an den durch das neue Förderprogramm der EU - „Horizon 2020“ - geförderten Forschungs- und Innovationsaktivitäten. Damit ist das praktische Ziel verbunden, zur verstärkten Nutzung von Beteiligungsverfahren in „Horizon 2020“ beizutragen. Dabei sollen die bestehenden Institutionen, Instrumente und Methoden gesellschaftlicher Beteiligung herangezogen und auf ihre Eignung im Kontext von Forschungs- und Entwicklungsprojekten untersucht werden, die sich auf die so genannten „Grand Challenges“ beziehen. Der Beitrag wird aus dem laufenden Explorationsprozess des Projektes berichten. Insbesondere werden Ergebnisse eines weitangelegten Scanningprozesses von Praktiken des Public Engagement in F&E bzw. der Einbeziehung von Nichtwissenschaftlern in Forschungs- und Entwicklungsprozesse vorgestellt. Die erfassten Praktiken umfassen über den Bereich TA hinaus auch Phänomene wie „Citizen Science“ oder „Science Shops“. Vor diesem Hintergrund werden verschiedene Modi der Einbeziehungen von Laien (als Bürger, Laien-forscher, Vertreter lokaler Communities, Vertreter von Patienten- und Konsumentenorganisation oder CSOs etc.) im Hinblick auf ihre Relevanz für F&E im Rahmen europäischer Forschungsförderung untersucht und Möglichkeiten (policies) zur Förderung von Public Engagement im Rahmen öffentlicher Forschungsförderung diskutiert.
Dr. Leonhard HENNEN, Studium der Soziologie und Politologie, langjährige Tätigkeit als Projektmanager beim Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag. Koordinator der European Technology Assessment Group: TA Studien für das Europäische Parlament. Arbeitsschwerpunkte: Konzepte der TA, Partizipative TA, Forschungs- und Technologiepolitik, Techniksoziologie.
Ulrich Dewald
Rund um Responsible Research and Innovation (RRI) startet eine breitere konzeptionelle Debatte, während bereits erste Projekte zur Umsetzung des Konzeptes anlaufen. In der Literatur und den forschungspolitischen Programmen zu RRI werden einige konzeptionelle Kerne sichtbar. Besonders fällt ein Gestaltungsoptimismus zu Innovationsprozessen auf. So geht von Schomberg (2013) davon aus, dass Innovationsprozesse unter Einbindung partizipativer und reflexiver Elemente einer stärkeren Steuerung bedürfen, um Innovation besser an den gesellschaftlichen Bedürfnissen auszurichten und so zur Bewältigung der „Grand Challenges“ beizutragen.
Konzeptionelle Beiträge zur Bewältigung der „Grand Challenges“ sind in den letzten 10 Jahren ebenfalls aus dem Feld der sozio-technischen Transitionsforschung gekommen. Thematisch haben diese derzeit zwar einen engeren Fokus auf nachhaltigkeitsorientierten Wandel, doch sind darin einflussreiche Konzepte wie die Multi-Level-Perspektive (MLP) (Geels 2004) zunächst technologieoffen angelegt. Die Transitionsforschung hat jedenfalls eine Fülle an Einblicken zu Barrieren, Wirkungsweise regulativer Maßnahmen, Akteurskonstellationen in Transitionsverläufen etc. vorgelegt. Und es wird ebenfalls auf gestaltende, eingriffsorientierte Vorläufer verwiesen, die der Ambition von RRI ähneln. In der Rückschau zeigt sich, wie problembehaftet eingriffstiefe Ansätze wie Transition Management in der Umsetzung sind. Von Kritikern wird bspw. hinterfragt, wer als „Manager“ welche Aufgaben zugeschrieben bekommt und wie Aushandlungsprozesse unter Beteiligung welcher Akteure gestaltet werden sollten. Somit besteht hier ein Erfahrungsschatz in der Transitionsforschung, der einerseits das gleiche breitere Themenfeld adressiert – Bewältigung von „Grand Challenges“ – und zudem auch gestaltungsorientierte Umsetzungsformen aufweist. Vor diesem Hintergrund soll hier gefragt werden, womit die Transitionsforschung möglicherweise zum Innovationsverständnis in RRI beitragen kann. Und nachgelagert: wie müsste RRI darauf reagieren, bzw. welche Konsequenzen kann dies für die Umsetzung haben? Dabei werden folgende Dimensionen vertieft:
Zeitdimension: Gemeinsam ist verschiedenen Studien aus der Transitionsforschung die Beobachtung von oftmals Jahrzehnte andauernden Prozessen und die Vielschichtigkeit im Hinblick auf wichtige Akteure, bedeutende Events, einflussreiche regulative Maßnahmen und eine daraus gefolgerte bedingte Steuerbarkeit. Wie geht RRI damit organisatorisch um?
Raumdimension: RRI tritt auch mit dem Anspruch an, transnational umgesetzt zu werden. Wenn jedoch Entstehung und Anwendung von Technologien räumlich getrennt sind, stellt sich auch hier die Frage, wie dies organisatorisch aufgelöst wird. Weiterhin hat die Forschung zu Innovationssystemen gezeigt, dass national große Unterschiede bestehen, welche Technologien als gesellschaftlich adäquat eingeschätzt werden. Im Hinblick auf Variantenreichtum, Anpassung von Innovationen an solche Prädispositionen und die Entwicklung alternativer „passfähiger“ Technologien spricht nichts dagegen, solche Pluralität gar als Mehrwert zu sehen.
Skalendimension: Ein wichtiger Input aus der Transitionsforschung ist die Erkenntnis, dass sich die Transitionsverläufe in mehrskaligen Prozessen abspielen, wo sich Nischen für Innovationen auf der einen Seite gegenüber mächtigen und bestens organisierten Interessenvertretungen etablierter Sektoren durchsetzen müssen (Geels 2004). Genau diese Mehrebenen-Dimension wird in RRI jedoch ausgeklammert, da nicht Kontextbedingungen, sondern vornehmlich Akteure des engeren Innovationsprozesses fokussiert werden. Adressiert RRI die adäquate Ebene zur Umsetzung der Programmatik?
Neben der Konzept-Diskussion werden einige mögliche Entwicklungslinien vorgestellt.
Erstens: RRI sollte in technologiespezifischen Umsetzungsformen angestrebt werden und Phasen des Innovationsprozesses fokussieren. Während für ein Technologiefeld breite Stakeholder-Partizipation und reflexive Governance längstens praktiziert werden, sind andere Technologiefelder eher geschlossen und wären von einer top-down eingeforderten Umsetzung der RRI-Programmatik überfordert. Dies könnte bis zu der Folgerung weitergedacht werden, dass für manche Felder die eigentlichen Ziele von RRI besser in relativ geschlossenen Innovationsprozessen umsetzbar sind. Gefordert ist daher sachtes und angepasstes Ausprobieren. Was sagen dazu die Erfahrungen mit Constructive TA? Sinnvoll könnte die Ableitung von Bedarfen für RRI sein, die bezüglich Entwicklungsstand, Wirkdimensionen der Technologie, Strukturmerkmale der zugrunde liegenden Innovationssysteme, Relevanz der Technologien in Bezug auf Grand Challenges usw. erhoben würden. Erfahrungen aus verschiedenen Technologien könnten einer breiteren Bewertungssystematik ihrer RRI-bezogenen Potenziale und Restriktionen zugeführt werden, nicht zuletzt, um Erwartungen an das Konzept technologiespezifisch einzugrenzen.
Zweitens: Vielleicht sollte die Umsetzung der RRI-Agenda auf der Ebene ansetzen, wo das Konzept seinen Ursprung hat? Stakeholder-Partizipation in den Institutionen, wo öffentliche Forschungsgelder verteilt werden, mit dem Ziel gesellschaftlich legitimierter Zielfindung und gesteigerter Reflexivität, würde RRI mehr an übergeordnete Prinzipien, Gestaltung der Rahmenbedingungen und weniger an organisatorische Eingriffe auf Ebene von Produkten binden. Inwieweit etwa die großen Forschungsorganisationen und Verwaltungsapparate bereits solche Elemente implementiert haben, darf kritisch hinterfragt werden. Vielleicht setzt der Ansatz dann auf einer adäquaten Ebene an?
Ulrich DEWALD ist seit 2011 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruhe Instituts für Technologie (KIT). Nach dem Studium der Geographie in Marburg promovierte er zwischen 2006 und 2011 am Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie der RWTH Aachen zu Marktdynamiken der Photovoltaiktechnologie. Derzeit arbeitet er zu nachhaltigkeitsorientierten Innovationen im Bereich Baustoffe.
Elisabeth Bongert, Stephan Albrecht
Verantwortungszuschreibungen für wissenschaftlich-technische Innovationen oszillierten historisch zwischen individualethischen Aporien und legalistischen Freistellungen. Die mit Innovationen regelmäßig verknüpften Nützlichkeitsgewinne vor allem betriebswirtschaftlicher Art – welche aber als gemeinwohlförderlich propagiert werden – haben immer wieder Reflektionen über nicht-intendierte Wirkungen, Risiken und Gefährdungen oder gar konzeptionelle und organisatorische Vorkehrungen dagegen marginalisiert. So hat sich die systematische Asymmetrie zwischen Innovationsgenerierung und -gestaltung durch die Geschichte der letzten zweihundert Jahre ausgeprägt. Dem zumeist gut gerüsteten und koordinierten Innovationssystem steht ein zumeist schlecht gerüstetes und fragmentiertes nachsorgendes Gestaltungsgeflecht gegenüber.
Anspruchsvolle Anforderungen an RRI definieren zwei grundlegende Aufgaben:
proaktive Implikationsanalyse als konstitutiver Bestandteil der Technikentwicklung (TA & Foresight),
Anwendung des Vorsorgeprinzips in der schrittweisen Nutzung (Innovation governance) (von Schomberg 2012).
Innovationssysteme bestehen aus Kompartimenten, die möglicherweise recht unterschiedlichen normativen Imperativen folgen (Grin et al. 2010; Smits et al. 2010). Im Falle einer Kooperation von öffentlichen Forschungsinstitutionen und Industrie sind die ersteren idealiter auf die Förderung des Gemeinwohls, die letzteren auf die Förderung eines oder mehrerer Unternehmen ausgerichtet. Insbesondere in den Übergangsphasen zwischen Forschung, Entwicklung und Produktion können hier im Blick auf das Vorsorgeprinzip Konflikte auftreten, weil durch dessen Anwendung Investitionen entwertet werden können. Dieses Problem betrifft erst recht die Phase der schrittweisen Verbreiterung der Produktion resp. Anwendung.
Die o.g. Anforderungen an RRI berücksichtigen schon etliche der relevanten Verantwortungsdimensionen (Albrecht 2006: 329). Allerdings ist damit erst die komplexe Aufgabe gestellt, nicht etwa schon gelöst. Denn eine Verantwortungswahrnehmung – allemal in einer demokratiepolitischen Perspektive – muss die Frage stellen: Wer verantwortet was, warum und vor wem?
Forschung und Entwicklung zu technologischen Innovationen resultieren vorrangig aus zwei Quellen:
- aus Neu- und Weiterentwicklungen in der Industrie und
- aus technologie-affinen Forschungen in öffentlichen Forschungsinstitutionen.
In der Verknüpfung dieser Teile des Innovationssystems spielen Programme politischer Institutionen wie z.B. die des deutschen BMBF oder die europäischen Forschungsrahmenprogramme eine wesentliche Rolle (Edler et al. 2003). In derartigen Programmen werden nun aber gerade die spezifisch unterschiedlichen Aufgaben der beteiligten Akteure unter dem Generalziel von Innovationen zwecks wirtschaftlichem Wachstum amalgamiert (prototypisch hierzu COM (2011) 809 final zu FRP Horizon 2020). Diese immer noch hegemoniale Legitimierung von Innovationen mit Hilfe von leeren Signifikanten spiegelt sich auch noch in den gesellschaftlichen Herausforderungen wider, indem dekadenlang übliche Forschungsfelder wie Gesundheit, Transport, Energie, Landwirtschaft & Lebensmittelindustrie, Biomasse-Ökonomie, Rohstoffe jetzt anders verpackt werden, eben als smart, green, efficient, inclusive, secure, sustainable usw.
Diese Konstellation offenbart eine Schwachstelle der RRI: Die Innovationen sind schon vorausgesetzt, wenn RRI einsetzt. Der Schritt vorher, nämlich die gesellschaftliche, i.e. demokratisch-politische Definition von wünschbaren oder notwendigen Innovationen bleibt aus dem Blick. Wenn solche Diskurs- und Definitionsprozesse aber nicht institutionalisiert und ausgestaltet werden, dann bleibt die Legitimität der Innovationsprozesse und -systeme in der allbekannten Hermetik von zumeist großer Industrie, Regierungen, Verwaltungen und dem Spitzenmanagement von Forschungseinrichtungen, -förderern und Hochschulen gefangen.
In einer deliberativen und stark-demokratischen Perspektive stellt sich so die wesentliche Aufgabe, legitimierte partizipative Strukturen in den Wissenschaften wie den politischen Institutionen wie in der politischen Öffentlichkeit zu etablieren, die in der Lage sind, gesellschaftlich-politische Anforderungen an Innovationen zu formulieren (Bongert & Albrecht 2003) und auf dieser Grundlage auch die Verantwortungsstrukturen zu ordnen, von der Identifizierung von Innovationsbedarfen bis hin zur Evaluierung der Implikationen umgesetzter Innovationen.
Der Beitrag formuliert schlussfolgernd Vorschläge für wünschenswerte und mögliche Institutionen und Strukturen und nimmt dabei jüngere Entwicklungen wie z.B. das internationale Programm Future Earth auf.
Elisabeth BONGERT, selbst. Autorin, Übersetzerin, Dozentin. Promovierte Politikwissenschaftlerin. Arbeitsschwerpunkte Interaktionen von Technologie- und gesellschaftlicher Entwicklung, Nachhaltigkeit, transnationale Demokratie.
Stephan ALBRECHT, stellv. FG-Leiter TA zur modernen Biotechnologie Universität Hamburg. Habilitierter Politikwissenschaftler. Arbeitsschwerpunkte Technologieentwicklung und -politik und Demokratie, Welternährung und Weltlandwirtschaft, Nachhaltigkeitsorientierte Entwicklung.
Jessica Longen, Sebastian Hoffmann & Johannes Weyer
Bisherige Ansätze der partizipativen Technikfolgenabschätzung legen den Schwerpunkt auf die Governance von Innovationen. Unbeachtet aber bleibt zumeist, dass die Lösung gesellschaftlicher Probleme nicht allein in der Entwicklung von neuen, sondern auch in der Abschaffung von bestehenden sozio-technischen Systemen besteht. In Theorien technischen Wandels ist dieser Aspekt bislang ebenfalls weitestgehend vernachlässigt worden (als Ausnahmen siehe Stegmaier et al. 2012, Turnheim/Geels 2012). Wir schlagen daher erstens einen Perspektivwechsel vor. Zentrale Annahme ist, dass sich sozio-technische Systeme nicht ausschließlich beenden lassen, indem Alternativen entwickelt werden, die sich gegen die Beharrungskräfte des etablierten Systems durchzusetzen vermögen. Zweitens wird ein analytisches Modell benötigt, um ein besseres Verständnis für die Governance komplexer, sozio-technischer Systeme zu erlangen.
Perspektivwechsel: Der gezielte Rückbau sozio-technischer Systeme
Der Blick auf die dedizierte Beendigung sozio-technischer Systeme stellt eine Alternative zur traditionellen Steuerungs- und Innovationsforschung dar (exemplarisch Loorbach 2007, Schot/Geels 2008). Governance wird als spezifische Kombination von Steuerung und Koordination verstanden (Weyer et al. 2013). Die Steuerung und Koordination sozio-technischer Systeme erfolgt nicht mehr allein mittels interventionistischer Top-down-Steuerung seitens des Staates (Mayntz 2009: 121f), sondern zunehmend in Aushandlungsprozessen zwischen Akteuren aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen – was die Partizipation zivilgesellschaftlicher Akteure dezidiert einschließt.
Die Abkehr vom konventionellen Automobil mit Verbrennungsmotor nutzen wir als Beispiel für eine „discontinuation in the making“: Denn ohne den Rückbau des Regimes des Verbrennungsmotors kann ein Wandel hin zu einer nachhaltigen Mobilität der Zukunft („sustainable mobility“) kaum gelingen. Im Vergleich von (Politik-)Maßnahmen in verschiedenen Ländern (Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Nieder-lande) und auf EU-Ebene zeigen sich verschiedene Akteurstrategien und -aktivitäten, die auf den Wandel sowie auf den Rückbau eines bestehenden sozio-technischen Systems abzielen. Das Zusammenspiel von nationalen Ebenen und supranationaler EU-Ebene erzeugt – trotz ambivalenter Policy-Prozesse und -Maßnahmen – Dynamiken, die ein „window of opportunity“ für den Rückbau des dominanten Regimes von Automobilen mit Verbrennungsmotor öffnen.
Modellierung als Voraussetzung für „responsible discontinuation“
Genau wie zur Governance von Innovationen fehlt bislang auch im Bereich des Rückbaus sozio-technischer Systeme ein umfassendes analytisches Modell. Die behandelte Fallstudie ist daher ein erster Schritt, um Praktiken des Rückbaus zu erforschen, sowie Mechanismen und Schlüsselfaktoren einer „governance of discontinuation“ zu identifizieren. Die Kenntnisse über diese Faktoren sind letztendlich die Voraussetzung dafür, dass Partizipation funktionieren kann.
Eine Agenten-basierte Modellierung erlaubt es weiterhin, die Steuerung sozio-technischen Wandels zu simulieren und verschiedene „What-if-Szenarien“ auszutesten (Adelt et al. 2014): Die Wirksamkeit verschiedener Steuerungsmaßnahmen auf sozio-technische Wandlungsprozesse lässt sich so experimentell überprüfen. Das Design des Modells erfolgt hierbei partizipativ und in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Stakeholdern. Zudem können die durch Modellierung gewonnenen Erkenntnisse über Governance-Muster, die sich beim Rückbau sozio-technischer Systeme ergeben, auch in Lernprozesse seitens zivilgesellschaftlicher Akteure einfließen.
Fazit
Es stellt sich nicht nur die Frage, inwieweit zivilgesellschaftliche Akteure Einfluss bei der Auswahl und Durchsetzung von technischen Innovationen nehmen, sondern auch, wie sie bei der gezielten Abkehr von einer etablierten Technologie mitwirken. Wie kann Partizipation im Fall der „governance of discontinuation“ aussehen? Denn bei der Entwicklung eines gemeinsamen Leitbildes der „Mobilität der Zukunft“ ist eine Strategie, wie mit der alten, unerwünschten Technologie verfahren werden soll, unumgänglich.
Jessica LONGEN (Dr. des.) und Sebastian HOFFMANN (M. Sc.) sind als wissenschaftliche Mitarbeiter im internationalen DFG-Forschungsprojekt „Governance of the Discontinuation of Socio-Technical Systems” (DiscGo) am Fachgebiet Techniksoziologie an der TU Dortmund tätig.
Johannes WEYER (Dr. phil.) ist Professor für Techniksoziologie an der TU Dortmund mit den Forschungsschwerpunkten Steuerung komplexer Systeme und Mensch-Maschine-Interaktion in hochautomatisierten Verkehrssystemen.
Weitere Informationen über das Fachgebiet Techniksozio-logie finden Sie unter http://www.wiso.tu-dortmund.de/wiso/ts
Petra Ahrweiler
This contribution presents an empirical framework consisting of four work areas to analyse and assess the evolution, the degree of implementation, and the impacts of the five RRI key dimensions on European R&D (citizen engagement, science literacy, gender equality, open access to research and knowledge, governance and ethics). The framework defines the requirements for future work in RRI impact assessment.
For analysing the influence of different political, regulatory and cultural settings on RRI implementation and impact, a comparison using aggregate data on the level of EU member states as unit of analysis is appropriate. However, it will be necessary to turn to the organisational level to investigate the changes, effects and impacts of RRI dimensions on actor properties/behaviours and network characteristics. For analysing how the RRI dimensions affect the existing knowledge base, the unit of analysis will be research fields and thematic areas.
Monitoring and assessment analysis of RRI key dimensions at the system level
To monitor and assess the state of the art concerning the five RRI dimensions in EU-28 and Associated Countries will meet very different objects for comparison: new and old member states will have been differently exposed to EU regulations and norms; countries will have different national policy frameworks in place concerning the RRI dimensions according to their political and cultural characteristics more or less supportive to EU perspectives etc. To identify, which country is an early adopter, a forerunner, an imitator, or a slow-responder etc. concerning the implementation of RRI dimensions will not be possible without taking a close look into the path dependency and evolutionary dynamics of the agenda setting and implementation process on the national level.
The aim with the system level analysis is to develop a weighted typology of EU-28 and AC showing the implementation degree of the five RRI dimensions. Similar to the Innovation Scoreboard approach and differentiated in terms of the five RRI key dimensions, an RRI Scoreboard could be developed for countries under investigation. It will be recognisable, which countries are:
+ Leaders or Followers in RRI implementation
+ Modest RRI implementers
+ Moderate RRI implementers
Monitoring and assessment analysis of RRI key dimensions at the organisational level
The second work area of the suggested framework needs to clarify whether and to what extent the five RRI dimensions have contributed to the change and evolution of successful research and innovation networks in Europe in terms of inter-disciplinary, participation of societal actors, and network evolution. For this, the framework suggests to perform social network analysis on funded organisations, projects and instruments of different types to provide descriptive statistics on the networks, as well as network measures on the actor level and on the network level to show the impact of RRI policies.
The aim here is to investigate the impact of RRI dimensions on the structural properties of the network of actors involved in research and innovation activities.
Monitoring and assessment analysis to investigate the effects and impacts of the RRI dimensions on the conceptual knowledge base (level of research fields and thematic areas)
Thirdly, a Knowledge Map of RRI impact and measures the publication output of research and innovation activities implementing RRI key dimensions needs to be created. The data is of course sensitive to discipline and country differences. The metrics have to account for these differences, in order to aggregate the results and draw reliable comparisons. Major scientific breakthroughs have been achieved on the basis of (often unexpected) connections between different stakeholder groupings, which is a key issue in RRI. The work will analyse the amount of inter-organisational diversity of authors, and will assess whether organisational diversity is something to be encouraged in the future, and for what reasons.
Multi-level impact assessment of RRI dimensions and analysis of un-observables
Last but not least, the framework needs to cover two remain-ing challenges in terms of data analysis for the five RRI key dimensions:
It needs to investigate the relations between the different levels of investigation and to address the un-observables among the metrics and indicators such as knowledge flows and learning.
For both challenges, the framework suggests to apply our specific tool, the agent-based SKIN model for impact assessment and ex-ante evaluation of EU-funded research and innovation networks.
This framework centering around four work areas will be used and implemented in a current empirical study about analysing and assessing the evolution, the degree of implementation, and the impacts of the five RRI key dimensions on European R&D.
Prof. Petra AHRWEILER is Director of the Europäische Akademie GmbH and Professor of Technology and Innovation Assessment at Johannes Gutenberg University Mainz. Her main research interests are innovation networks, simulating complex social systems, agent-based modelling, social network analysis and policy research.
Ingrid Schneider
Die verantwortliche Regulierung geistigen Eigentums bildet ein paradigmatisches Beispiel für die Interaktion von Technikfolgenabschätzung, Recht und Policy-Entwicklung, sowohl analytisch als auch normativ. Als Grundlage für nachhaltige Innovation in der Wissensgesellschaft werden hierzu theoretisch-konzeptionelle Ansätze mit einer empirischen Analyse verknüpft.
Das geistige Eigentum, insbesondere das Patentrecht, ist zum Gegenstand von lang andauernden Policy-Konflikten unter anderem beim ACTA-Abkommen, der Biopatentierung, Software-Patenten und Urheberrecht geworden und kann als „wicked problem“ (Rittel/Webbers 1973) gefasst werden. Der Beitrag geht davon aus, dass die Policy Konflikte des geistigen Eigentums sich diskursanalytisch auf Frame-Konflikte zurückführen lassen. Im Rückgriff auf die Konflikttheorie sind dabei „Routinekonflikte“ von „Fundamentalkonflikten“ (Weber 1921, Hirschman 1994) zu unterscheiden. Das Framing des Konflikts als Interessens-, Wissens- oder Wertkonflikt (Bogner 2011) und die jeweilige Art des Konflikts bestimmen, ob er im tradierten institutionellen Rahmen oder jenseits dessen gelöst werden kann. Die Responsivität der Institutionen und die polyzentrische Policy-Koordination entscheiden über erfolg-reiche Problemlösung und damit letztlich darüber, ob nachhaltige Innovation durch geistiges Eigentum behindert oder gefördert wird.
Für die Theorie von Technikfolgenabschätzung und Responsible Research and Innovation (RRI) sollen insbesondere Frame-theoretische Ansätze zur Lösung von "intractable policy controversies" durch "Frame Reflection" (Rein und Schön 1994) fruchtbar gemacht werden. Die Frame-Analyse bedarf allerdings der Verknüpfung mit Institutionen- und Governance-theoretischen Konzepten, um Fragen der Handlungskoordination und Durchsetzbarkeit des "Reframings" als potentiellem Ausweg aus hartnäckigen Policy-Konflikten thematisieren zu können. Hierzu wird Julia Black's Ansatz der "polycentric regulatory regimes" (2001) aufgenommen und durch Ansätze der responsiven Regulierung ergänzt, welche die Interaktion zwischen verschiedenen Akteuren und Ebenen der Politikgestaltung reflektiert.
Empirisch werden hierzu einige Kontroversen um geistiges Eigentum untersucht. Denn ausgelöst durch Globalisierung, Digitalisierung und technologischen Wandel ist die Lage hinsichtlich der rechtlichen Ausprägungen und korrespondierenden sozialen Dynamiken der Aneignung von Technologien und Innovation unübersichtlich und kontrovers geworden. Das ACTA-Abkommen, Urheberrechte, Bio- und Software-Patente, Zwangslizenzen auf Medikamente in Entwicklungsländern und eine Reihe anderer Konflikte machen offenbar, dass sich die Regime geistigen Eigentums in einer Krise befinden. Im Zuge zunehmender Vernetzung von Informationsflüssen und Produktionsprozessen kam es zwar zu einer qualitativen und quantitativen Expansion von Immaterialgüterrechten, die mittlerweile als Kernelemente des globalisierten Informationszeitalters gelten (WIPO 2011; Hargraeves 2011). Auch besteht ein breiter internationaler Konsens darüber, dass die Ausgestaltung von Intellectual Property Rights (IPRs) wichtige Implikationen für Innovationsprozesse hat (Foray 2002; Towse/Holzhauer 2002). Synchron zur Stärkung und Expansion von IPRs zeigen sich aber in zunehmendem Maße Konflikte, womit eine Politisierung der IPRs einhergeht und eine Reihe von Legitimationsproblemen sichtbar wurden (Schneider 2013).
Die Ausgestaltung und Durchsetzung des geistigen Eigentums in Innovationsprozessen rückte damit sukzessive von einer spezialisierten Experten-Community ins Zentrum politischer Diskussionen. Diese Prozesse und Konflikte verlaufen transnational und werden in Netzwerken und Mehrebenensystemen verhandelt. Die damit einhergehenden Kontroversen manifestieren sich im politischen Raum, insbesondere in Parlamenten und Zivilgesellschaft. Die vielfach gegenläufigen Kräfte bringen Kompromisse in den Regimes geistigen Eigentums hervor, und es werden Forderungen nach einer verantwortlichen Re-Regulierung des geistigen Eigentums gestellt, um nachhaltige und sozial verträgliche Innovation zu ermöglichen (Ostrom 1999, Lessig 2005, van Overwalle 2010, Metzger/Jaeger 2011).
Frame- und regulierungstheoretische Analysen dienen dazu, diese Policy-Konflikte adäquat zu erfassen und damit zu einer Erweiterung der TA-Forschung hin zu einer verantwortlichen Regulierung des Rechts des geistigen Eigentums als Voraussetzung für nachhaltige Innovation beizutragen.
Prof. Dr. Ingrid SCHNEIDER ist derzeit Gastprofessorin an der Universität Wien. Sie ist Privatdozentin am Institut für Politikwissenschaft und wissenschaftliche Mitarbeiterin des FSP BIOGUM (Biotechnologie, Gesellschaft und Umwelt) der Universität Hamburg. Sie berät die Europäische Kommission als Mitglied ihrer Expertengruppe zur Entwicklung und den Implikationen des Patentrechts in der Bio- und Gentechnologie.
Jutta Jahnel & Torsten Fleischer
Das forschungspolitisch bedeutsame Konzept von Responsible Research and Innovation (RRI) strebt eine Orientierung von komplexen Innovationsprozessen an gesellschaftliche Bedürfnisse und Wünsche an (von Schomberg 2013). Dies leitet u.a. einen Perspektivenwechsel bezogen auf die Akteure im Innovationsprozess als auch auf deren Interaktion ein, wodurch weitreichende Impulse insbesondere für die Governance von Innovationen ausgelöst werden. Am Beispiel der Nanomaterialien werden wir zeigen, wie sich klassische hierarchische Regulierungskonzepte zu neuen Herangehensweisen verschieben, bei denen Akteure aus unterschiedlichen Bereichen im Kontext wissenschaftlicher Unsicherheit proaktiv und gemeinsam agieren. Damit handeln diese Akteure „anticipatory, inclusive, reflexive, responsive“ und somit ganz im Sinne der vielzitierten Dimensionen von RRI (Stilgoe et al. 2013). Hervorzuheben sind im Einzelnen:
+ Freiwillige Vereinbarungen wie der “Code of Conduct for Responsible Nanoscience and Nanotechnologies Research”: Hier wurden bereits im Jahre 2008 sieben allgemeine Prinzipien definiert („public well-being, sustainability, precaution, democracy, excellence, innovation, responsibility“) und damit erste Konturen eines Gesamtkonzeptes angelegt.
+ Deliberative Verfahren gewinnen immer mehr an Bedeutung. Sie prägen den Aushandlungsprozess im verantwortlichen Umgang mit Nanomaterialien zwischen unterschiedlichen Stakeholdern auch unter Einbeziehung der Öffentlichkeit.
+ Regulatoren implementieren das Vorsorgeprinzip nicht nur in verbindlichen Rechtsverordnungen für Chemikalien und Produkten wie Lebensmittel, sondern setzen auch Impulse für freiwillige Risikomanagementsysteme, in die das Vorsorgeprinzip einfließt.
+ Die direkte, leitbildorientierte Gestaltung von Nanoprodukten („green Nano“) ist eine praktische Antwort von Innovatoren und Herstellern auf das Problem der Unsicherheit bei der Bewertung der Risiken und der Regulierung von Nanomaterialien. Ein Gestaltungsdiskurs soll in Verbindung mit einer vorläufigen Risikoabschätzung sehr früh und vorsorgeorientiert im Innovationsprozess ansetzen und damit zu einer Überwindung der Trennung zwischen Risiko- und Chancendiskurs beitragen („safer by Design“).
+ Wissenschaftliche Komitees setzen sich kritisch mit der konventionellen, experten-basierten Risikoabschätzung als Grundlage für eine evidenzbasierte Regulierung auseinander. Sie schlagen einen intensiveren Informationsaustausch zwischen Risikoabschätzern und Risikomanagern vor. Diese Interaktion sollte u.a. auf einer verbesserten Transparenz und Kommunikation der Ergebnisse beruhen, sowie auch die Sorgen und Bedürfnisse der Öffentlichkeit berücksichtigen (SCHER, SCENIHR, SCCS 2013).
Die Beobachtung dieser entwickelten Governance-Konzepte für Nanomaterialien zeigt jedoch, dass dabei nicht nur Erfolge erzielt wurden, sondern auch wesentliche Hindernisse und Widersprüche zu bewältigen sind. Dazu zählen substanzielle Interessenskonflikte zwischen Stakeholdern, die trotz Dialogverfahren und Konsultationen keine Einigung zu grundlegenden regulativen Aspekten brachten (Jahnel et al. 2013). Aber auch der Umgang mit Unsicherheiten bleibt eine Herausforderung. Eine vorgeschlagene Öffnung und Veränderung des Risikoabschätzungsprozesses benötigt veränderte Strukturen und Prozeduren, die bisher nur zögerlich entwickelt oder gar nicht umgesetzt werden (NRC 2009).
Das Konzept von RRI erfordert deshalb nicht nur eine interdisziplinäre Kooperation der Akteure, sondern ein neues Ausmaß an inklusivem Denken und Handeln, das mit den Spannungsfeldern Sicherheit versus Vorsorge, Profitabilität versus Nachhaltigkeit, wissenschaftliche Freiheit versus gesellschaftlicher Nutzen umzugehen lernt. Dabei ist von einer naiven Vorstellung einer Harmonisierung von Interessen und Werten Abstand zu nehmen. Ob und wie weit das bei der konkreten Gestaltung von Innovationen gelingen kann, wird die gemeinsame Aufgabe und Verantwortung aller beteiligten Akteure in einem gemeinsamen Lernprozess sein, der in einem experimentellen Modus zwischen Flexibilität und Verbindlichkeit auszutarieren ist.
Torsten FLEISCHER arbeitet zu Interaktionen zwischen technischem und sozialem Wandel, zur Governance von Innovationsprozessen und zur TA bei Nanotechnologie und neuen Materialien sowie in den Bereichen Energie und Verkehr.
Dr.-Ing. Jutta JAHNEL ist Lebensmittelchemikerin und promovierte im Bereich Wassertechnologie und Umweltanalytik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Sie ist seit 2010 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS, KIT). Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Regulierung unter Unsicherheit sowie die Rolle der Risikoabschätzung in der Risiko-Governance von Nanomaterialien und von Substanzen mit epigenetischen Wirkmechanismen.
Michael Ornetzeder
Innovationen haben eine dunkle Seite. Sie schöpfen Neues, zerstören dabei aber unweigerlich Vorhandenes (Schumpeter) und ziehen im Zuge ihrer weiteren Verbreitung und Anwendung nicht selten unerwünschte und unbeabsichtigte Nebenfolgen mit sich. Damit stellen Innovationen die Gesellschaft vor ein gravierendes Kontrolldilemma (Collingridge). Im Rahmen der Technikfolgenabschätzung (TA) wurden in den letzten Jahrzehnten Strategien und Methoden sowohl für die wissensbasierte als auch für die deliberative Auseinandersetzung mit positiven und negativen Folgewirkungen technischer Innovationen entwickelt. Die Praxis der TA hat zweifellos dazu beitragen, die Wissens- und Wertebasis des politischen Technikdiskurses zu verbreitern und Fragen nach den Folgen von Technik einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Das seit einigen Jahren diskutierte Konzept von Responsible Research and Innovation (RRI) baut auf diese Errungenschaften auf, zielt jedoch auf die verstärkte Integration normativer und prozeduraler Elemente mit dem Ziel, das Innovationssystem als Ganzes weiter zu entwickeln und es damit in die Lage zu versetzen, die „großen gesellschaftlichen Herausforderungen“ besser als bisher zu adressieren, ohne dabei die Frage nach den gesellschaftlichen und ökologischen Wirkungen von Innovationen aus den Augen zu verlieren. RRI kann damit selbst als eine Innovation gesehen werden. Als eine Kombination bestehender und neuer Elemente, die letztlich auf eine weitreichende Veränderung des Innovationssystems ausgerichtet ist. Die bisherige und zukünftige Entwicklung von RRI als Innovation soll im Mittelpunkt dieses Beitrags stehen.
Innovationstheoretisch gesprochen zielt das Konzept der RRI auf institutionelle Veränderungen des Innovationssystems ab. Bezogen auf den Verbreitungs- und Reifegrad haben wir es mit einer Invention zu tun. Die Innovation, also die Umsetzung, Einführung und Anwendung von RRI im Innovationssystem steht bislang aus. RRI befindet sich in der Entstehungsphase, erste versuchsweise Anwendungen, etwa im Zusammenhang mit dem neuen Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union, zeichnen sich mittlerweile aber bereits ab.
Im Vortrag werden die Besonderheiten von institutionellen Innovationen herausgearbeitet und auf das Beispiel RRI umgelegt. Darauf aufbauend werden unter Rückgriff auf innovationstheoretische Konzepte und die neuere Transitions- und Diffusionsforschung relevante Rahmenbedingungen und wichtige Erfolgsbedingungen für institutionelle Innovationen diskutiert. Aus dieser Perspektive erscheint RRI als Ansatz, der langfristig auf eine grundlegende Reform des bislang dominanten Innovationsregimes (Regime of Economics of Technoscientific Promises) abzielt. Wie bereits im Bericht der Expertengruppe für Wissenschaft und Governance der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2007 dargelegt wurde, geht es bei RRI um die Etablierung eines neues Innovationsregimes, das durch einen anderen Umgang mit Risiken, Unsicherheit und gesellschaftlicher Vorsorge gekennzeichnet ist (Regime of Collective Experimentation). Für die TA, die als wichtiges Element von RRI gilt, ergeben sich damit eine Reihe von neuen Anforderungen und offenen Fragen, die in diesem Vortrag zur Diskussion gestellt werden sollen.
Michael ORNETZEDER ist habilitierter Wissenschafts- und Technikforscher am Institut für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Seine Arbeitsschwerpunkte sind nachhaltige Technikentwicklung, sozialwissenschaftliche Technik- und Innovationsforschung sowie partizipative und konstruktive TA. Er unterrichtet an der Universität für Bodenkultur in Wien und der Fachhochschule Oberösterreich.
Reinhard Heil, Ulrich Dewald, Torsten Fleischer, Julia Hahn, Jutta Jahnel & Stefanie B. Seitz
Im Kontext der Bewältigung der sogenannten „Grand Challenges“ werden Zugänge entwickelt, die mit Anweisungen und Vorschlägen zu Kriterienkatalogen und Umsetzungsvorschlägen auch praktische Wirkungen für TA-Arbeit entfalten. Ein solches Konzept ist „Responsible Research and Innovation“ (RRI). Auch wenn es noch keine verbindliche Definition für RRI gibt, wirkt sie bereits auf vielfältige Weise, etwa als Schlagwort in Forschungsprogrammen (Horizon 2020), als Titelgeber eines neuen Journals oder als Konferenzthema. Dies alles erfolgt bisher noch relativ losgelöst von einer breit angelegten konzeptionellen Diskussion zu dem im Konzept angelegten Innovationsverständnis, zur Bedeutung und Umsetzung partizipativer Elemente, zu innovationsökonomischen Bedingungen der Umsetzung und weiteren Problemstellungen.
RRI wird seit mehreren Jahren in der TA-Community diskutiert; wesentliche Prinzipien, die Eingang in das Konzept gefunden haben, wurden schon lange vorher in TA-Projekten (Grunwald 2012) umgesetzt. Neu ist, dass mit RRI wieder stärker der Anspruch formuliert wird, auf die Entstehungsseite von Innovationen mit aus gesellschaftlichen Problemwahrnehmungen abgeleiteten Gestaltungsambitionen Einfluss zu nehmen. Ziel ist die möglichst frühe und umfassende Auseinandersetzung mit der sozialen und ethischen Dimension und möglichen Nebenfolgen (Grunwald 2012), um unverträglichen Entwicklungsverläufen von Innovationsprozessen vorzubeugen. RRI greift damit bereits praktizierte und etablierte Themen von TA auf, so etwa die Rolle von Partizipation in der Gestaltung von Innovationsprozessen. Partizipation ist zwar an sich schon ein wesentlicher Trend in der TA, jedoch erhält diese in RRI eine besonders exponierte Rolle, da Partizipation und Verantwortung hier besonders eng verknüpft werden (von Schomberg 2013).
Nicht nur aus den genannten konzeptionellen Gründen ist eine vertiefte Diskussion des Konzepts notwendig, sondern auch aus pragmatischen. RRI ist bereits vielfältig institutionell verankert, bspw. im Rahmen der EU-Forschungsadministration (Horizon 2020) und den daraus folgenden Forschungsprojekten oder als Leitkonzept in Rahmenprogrammen wie der Programmorientierten Förderung der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren. Der Aufbruchsstimmung auf der konzeptionellen Seite ist eine kritische Auseinandersetzung mit der Praktikabilität auf der Umsetzungsseite beiseite zu stellen, womit insgesamt eine umfangreiche Reflexion zu dem Konzept möglich werden soll. Einen Beitrag zu dieser Diskussion leistet das ITAS im Rahmen des Projekts RITA (Responsible Innovation and Technology Assessment). Ein Ziel dieses Projekts ist es Problemfelder zu identifizieren und Fragestellungen zu entwerfen. Im Rahmen des Vortrags werden erste Ergebnisse dieser Sondierungsarbeit vorgestellt, sowie mögliche Vorgehensweisen erörtert.
Ulrich DEWALD ist seit 2011 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Nach dem Studium der Geographie in Marburg promovierte er zwischen 2006 und 2011 am Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie der RWTH Aachen zu Marktdynamiken der Photovoltaiktechnologie. Derzeit arbeitet er zu nachhaltigkeitsorientierten Innovationen im Bereich Baustoffe.
Torsten FLEISCHER arbeitet zu Interaktionen zwischen technischem und sozialem Wandel, zur Governance von Innovationsprozessen und zur TA bei Nanotechnologie und neuen Materialien sowie in den Bereichen Energie und Verkehr.
Julia HAHN, Kulturwissenschaftlerin, ist seit 2010 wissenschaftliche Mitarbeiterin am ITAS und beschäftigt sich mit partizipativen Verfahren in der TA, kulturelle Aspekte der Nachhaltigkeit und Responsible Innovation.
Reinhard HEIL ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruhe Instituts für Technologie (KIT). Er studierte Philosophie, Soziologie und Literaturwissenschaft an der Technischen Universität Darmstadt. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte sind Synthetische Biologie, Epigenetik, Human Enhancement, Big Data, Transhumanismus und Eugenik.
Jutta JAHNEL ist Lebensmittelchemikerin und promovierte im Bereich Wassertechnologie und Umweltanalytik am KIT. Sie ist seit 2010 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS). Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Regulierung unter Unsicherheit sowie die Rolle der Risikoabschätzung in der Risiko-Governance von Nanomaterialien und von Substanzen mit epigenetischen Wirkmechanismen. Jahnel, J.; Fleischer, T.; Seitz, S.B.: Risk assessment of nanomaterials and nanoproducts - adaptation of traditional approaches. Journal of Physics: Conference Series 429 (2013) 012063, publ. online, DOI: 10.1088/1742-6596/429/1/012063.
Stefanie B. SEITZ ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Studium der Biologie und Promotion an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Ihre aktuellen Forschungsschwerpunkte sind Governance von sog. neuen und emergenten Wissenschaften und Technologien (NEST) wie Nanotechnologie, Synthetische Biologie oder Epigenetik, sowie Anwendung von deliberativen/partizipativen Verfahren in der TA.
Torsten Fleischer
Die Rede von Responsible (Research and) Innovation (RRI) ist ein prominenter Topos in der aktuellen Forschungs- und Technologiepolitik (Owen et al 2013). Dabei ist ihr substanzieller Kern noch kaum geklärt, eine unmittelbare Deutung aus der Terminologie heraus drängt sich nicht auf. Beinahe legendär ist in TA-Kreisen (und darüber hinaus) die Schwierigkeit der definitorischen Fassung von Innovation in interdisziplinären Arbeitszusammenhängen. Die Übersetzbarkeit als verantwortlich, verantwortbar, verantwortungsvoll macht die unterschiedlichen Dimensionen deutlich, die Übersetzungen des hier attributiv verwendeten „responsible“ inne wohnen.
Ist RRI also möglicherweise ein boundary object, das gleichzeitig flexibel genug ist, um an die Erfordernisse und Beschränkungen der kooperierenden Akteure angepasst werden zu können, und robust genug, um eine gemeinsame, akteursübergreifende Identitätsstiftung zu gewährleisten (nach Star & Griesemer 1989)? Ein Objekt mithin, mit dessen Hilfe eine Vielzahl von Akteuren sich koordinieren und erfolgreich kooperieren kann, ohne sich auf eine einzige Bedeutung des Objektes einigen zu müssen? Und das diese Kraft zu verlieren droht, wenn es konzeptuell „kleingearbeitet“ wird? Oder ist RRI doch eher ein Rahmen für die Beurteilung und politische Gestaltung forschungs- und innovationspolitischer Prozesse und ihrer Ergebnisse? Oder eine wissenschaftliche/intellektuelle Bewegung, wie sie Frickel und Gross (2005) in Anlehnung an das Konzept der sozialen Bewegung beschrieben haben?
Allen drei Rahmungen wohnt inne, dass sie unmittelbar in der intellektuellen Tradition von Technikreflexion und Technikgestaltung – und damit auch der Technikfolgenabschätzung – stehen, sie aber in unterschiedliche Richtungen aufzuweiten suchen. Insofern kann es auch nicht verwundern, dass aktuelle empirische Forschungen eine ebensolche entsprechende Nähe zeigen. Im RRI-Kontext vor allem in den USA diskutiert wird die sogenannte midstream modulation (Fisher et al. 2006), die darauf zielt, durch temporäres „pairing“ von im Labor tätigen (Natur-)Wissenschaftlern mit Sozialwissenschaftlern die Reflexionsfähigkeit der erstgenannten zu verbessern und Forscherhandeln in Richtung einer verantwortlichen Innovation zu beeinflussen. Empirische Erfahrungen damit wurden im Rahmen der socio-technical integration research (STIR) gesammelt und liegen jetzt in größerem Umfang vor.
Offenkundig knüpft das STIR-Programm an Vorstellungen, dass TA (oder STS) sich aktiv am Management von Prozessen des technischen Wandels beteiligen solle – hier insbesondere in der frühen Phase der wissenschaftlichen und technischen Forschung. Es ist folglich eng verbunden mit Ansätzen wie dem Constructive Technology Assessment (cTA) oder dem Real-Time Technology Assessment (RTTA), die die Koproduktion von Wissen und Technologien als Resultat von Aushandlungs- und Meinungsbildungsprozessen mit „der Gesellschaft als Ganzes“ in den Mittelpunkt stellen.
Protagonisten dieser koproduzierenden TA wie auch des STIR-Ansatzes weisen TA-Praktikern in ihren Konzeptionen eine anspruchsvolle Rolle zu: Sie sollen sich unter anderem (temporär) in Forscherteams integrieren, quasi darin eintauchen und dort ethnographisch arbeiten, zugleich die Reflexionsfähigkeit des Teams wie ihre eigene verbessern, zu verantwortlichem Handeln anleiten, die Qualität des begleiteten Forschungsprozesses und seiner Ergebnisse verbessern und natürlich selbst wissenschaftlich exzellent sein.
Neben Überlegungen zu angemessenen Ansprüchen und Designs solcher Interaktionen sowie damit verbundenen Rollenbestimmungen soll auch die Frage diskutiert werden, welche Erkenntnischancen und Nebenwirkungen mit unter-schiedlichen Abständen zu den Orten der Forschung jeweils verbunden sein könnten. So wird beispielsweise einerseits vermutet, dass mit größerer Nähe der TA-PraktikerInnen (oder STS-ForscherInnen) zu den Orten der Innovation die Fähigkeit zur Reflexion eingeschränkt und die soziale Möglichkeit zur Kommunikation gestört werden könnten. Auf der anderen Seite wird formuliert, dass gerade aus dieser Nähe heraus neue Formen von Interaktionen ermöglicht und Erkenntnisse gewonnen würden, die sich allein aus einer distanzierten Betrachtung heraus nicht erschließen ließen.
Der Beitrag versucht, sich einigen Aspekte dieser Rollenproblematik zu nähern. Dabei wird aufgebaut auf den Erfahrungen von STIR-Projekten wie auch auf eigenen Erkenntnissen im Rahmen von ähnlich angelegten (wenn auch nicht so benannten) TA-Projekten am ITAS, in denen mit cTA-ähnlichen und ethnographischen Ansätzen experimentiert wurde. Diese werden verbunden mit Einsichten aus langjähriger institutioneller Praxis in der expertenbasierten TA.
Torsten FLEISCHER ist seit 1991 wissenschaftlicher Mitarbeiter am ITAS und arbeitet dort zu Interaktionen zwischen technischem und sozialem Wandel, zur Governance von Innovationsprozessen und zur TA bei Nanotechnologie und neuen Materialien sowie in den Bereichen Energie und Verkehr.
Peter Hocke
Erweiterte Öffentlichkeitsbeteiligung und neue Verfahrensweisen der frühen Integration von Stakeholdern und interessierter Öffentlichkeit dominieren heute die Konzepte für die Behandlung technologiepolitischer Konflikte in Industriestaaten. Sie reagieren auf die gestiegenen Erwartungen der Staatsbürger an Mitspracherechten und Teilhabe. Sie sind aber bei Behörden und Regierungsorganisationen auch ein Reflex auf vertrackte technologische Probleme, die mit klassischen Formen des Lobbying, der Public Relations und der Technologiepolitik politischer Parteien in der Vergangenheit nicht zu lösen waren.
Die Politik zur nuklearen Entsorgung insbesondere hochradioaktiver Abfälle in Deutschland und der Schweiz sind instruktive Beispiele für dieses neue Vorgehen zur Öffnung klassischer staatlicher Entscheidungsprozesse. Damit verbundene Governance-Forschung (nach den Konzepten von W. Benz, R. Mayntz und M. Haus) versteht Governance als frühzeitiges Einbeziehen von Stakeholdern und Öffentlichkeit. Dabei werden souveräne und staatliche Steuerungsleistungen nicht gänzlich ausgeschaltet. Vielmehr kommt es zu komplexen und häufig informellen Verhandlungsprozessen im „Schatten der Hierarchie“ (Marschall). Die dabei geführte Fachdiskussion ist sich bewusst, dass verantwortlich getroffene politische Entscheidungen mit erheblichen Langzeit-Wirkungen (angesichts der Isolationsziele, Betriebszeiten der technischen Tiefenlager etc.) nur dann getroffen werden können, wenn Dialoge und Beratungen offen geführt und mit ihren Ergebnissen an Haltepunkten in den Entscheidungsprozess eingespeist werden. An diesen sind dann aber auch unter Bedingungen (prognostischer und z.B. geologischer) Unsicherheit verbindliche Entscheidungen zu treffen. „Responsible Research and Innovation“ bekommt dabei durch die Verquickung von technischen Herausforderungen und sozialen Prozessen sowohl bei der Wissensgenese als auch bei sozialen Prozessen der Entscheidungsfindung eine besondere Rolle zugewiesen.
Mit seiner konzeptionellen Ausrichtung auf nicht-intendierte Nebenfolgen ist die Technikfolgenabschätzung in einer relativ günstigen Lage. Sie besitzt wissenschaftliche Konzepte und Methoden, um einerseits die soziopolitischen Strategien von Handlungsträgern im Feld des „radioactive waste management” zu systematisieren. Andererseits wird über themenspezifische Akteursanalysen, die sich u.a. an die Grundlagen der Öffentlichkeitssoziologie (nach Neidhardt / Gerhards und Kriesi) anlehnen, auch die unterschiedliche Offenheit politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Akteure für Formen des Dialogs interpretierbar. Referenz ist dabei die „doppelte Komplexität” (Dryzek), die bei der nuklearen Entsorgung sowohl eine technische als auch eine offensichtlich soziale Seite hat.
Beide, die technologische und die soziale Herausforderung werden als Konzepte für ein problemorientiertes und schrittweises Vorgehen im Kontext des Schweizer Neustarts der nuklearen Tiefenlagerung nuklearer Abfälle (seit 2006) unter-sucht. Dabei kommt in dem Schweizer Neuanlauf ein eingeführtes staatliches Instrument der Raumplanung modifiziert zur Anwendung („Sachplanverfahren geologische Tiefenlager“). Die Modifikation betrifft dabei insbesondere die herausgehobene Stellung der Bürgerbeteiligung sowie das Regierungshandeln unter Bedingungen hoher Transparenz. Die deutsche Bundesregierung entschied sich Mitte 2013 ebenso für einen Neuanlauf, der nach langen und schwierigen Verhandlungen zwischen den politischen Parteien und Länderregierungen durch ein neues Standortauswahl-Gesetz auf Bundesebene festgelegt wurde (Juli 2013). Auch in diesem Gesetz wird auf einen Standort vergleichendes Verfahren mit Zwischenschritten und Öffentlichkeitsbeteiligung gesetzt. Die Beobachter (wie z.B. die deutschen Umweltverbände) sind skeptisch, inwiefern die interessierte Öffentlichkeit bei der Umsetzung des neuen Gesetzes hochwertig in die Entscheidungsfindung einbezogen werden kann. Daher werden die tragenden sozialen Prozesse sowie die verschiedenen Herausforderungen und Dilemmata der zugehörigen Planungs- und Entscheidungsprozesse international vergleichend nach ihren Strukturmerkmalen untersucht.
Analytisch spielen dabei sowohl die primär technisch-ingenieurwissenschaftliche Diskussion über das angemessene sicherheitstechnische Vorgehen als auch der Umgang mit Partizipation und der Gestaltung von Schnittstellen zwischen formellen und informellen Prozessen der Entscheidungsfindung eine besondere Rolle. Konzeptionell bauen diese Forschungsergebnisse auf Konzepten zu politischen Gelegenheitsstrukturen, der Forschung zu sozialen Bewegungen und der Technikfolgenabschätzung auf. Diese Arbeiten sind eingebettet in ein interdisziplinäres Forschungsprojekts, das bis Ende 2017 läuft und vom bundesdeutschen Ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert wird (www.entria.de). Der Vortrag präsentiert erste Ergebnisse aus dem Modul „Governance zwischen Wissenschaft und öffentlichem Protest“ sowie dem ENTRIA-Vernetzungsprojekt „Technikfolgenabschätzung und Governance“.
Dr. Peter HOCKE ist Sozialwissenschaftler und Senior Scientist am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse am KIT Karlsruhe. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Technikfolgenabschätzung, sozialwissenschaftliche Endlagerforschung, Technikkonflikte und Massenmedien in modernen Industriegesellschaften. Aktuell arbeitet er mit Sophie Kuppler und Armin Grunwald im Projekt ENTRIA zu Nebenfolgen der Grundoptionen der Entsorgung radioaktiver Reststoffe und Abfälle (www.entria.de). Aktuelle Veröffentlichungen: Julia Haslinger, Peter Hocke, Christiane Hauser (2014 / i.E.): Ausgewogene Wissenschaftsberichterstattung der Qualitätspresse? In: A. Gaszo et al. (Hg.), Nano Risiko Governance: Der gesellschaftliche Umgang mit Nanotechnologien, Springer-Verlag
Julia Hahn & Claudia Brändle
Durch den immer lauter werdenden Ruf nach Responsible Research and Innovation (RRI) nehmen auch Forderungen weiter zu, die nach einer Legitimation verschiedenster Techniken durch die breite Öffentlichkeit verlangen. Besonders im Falle (potenziell) kontroverser Technologien bedarf es einer Einbindung in einen größeren gesellschaftlichen Kontext: Diskussionen über gesellschaftliche Zukünfte sollen RRI zufolge nicht alleine vom Standpunkt der Wissenschaft oder dem des Marktes aus geführt werden.
Die Förderung von Schiefergas beim sogenannten “Fracking” ist dafür ein geeignetes Beispiel: Hier verbindet sich eine relativ gut etablierte Technologie mit weitreichenden Eingriffen in die Umwelt, politischer (Nicht-)Regulierung und der Vorstellung eines ständigen Hungers nach Energie – der auch vor den tiefsten Tiefen im Erdinnern nicht haltmacht – zu einer „explosiven“ Mischung, die den medialen und gesellschaftlichen Diskurs als Technikkontroverse prägt. Damit bietet sich das Fracking als klassisches Untersuchungsobjekt für die TA an und kann zusätzlich zu neuen Erkenntnissen über RRI und dessen mögliche Operationalisierung führen.
In einer ersten qualitativen Untersuchung sollen Ergebnisse einer Fokusgruppe zum Thema Fracking mit gesammelten und kartierten Argumenten aus medialen Diskussionen sowie aus neuen Medien wie z.B. Blogs, Leserbriefen, Diskussionsforen im Internet und Leserkommentare zu Onlineartikeln miteinander verglichen werden. Dabei soll methodisch unter-sucht werden, ob die Ertragstiefe deliberativer und explorativer Verfahren mit Laien prinzipiell vergleichbar mit der einer qualitativen Medienanalyse ist. Ein „Positions-Argumentations-Mapping“ durch beide Herangehensweisen kann dabei hilfreich sein, um anekdotisch verschiedene Arten von Diskursen zu erfassen und herauszuarbeiten, welche Art von Argumenten eine besondere große Rolle in der Debatte spielen und wie sie von den verschiedenen Akteuren eingesetzt werden. Die benutzte Bildsprache, besonders eindrucksvoll im Fracking-kritischen Film „Gasland“ zu sehen, kann eine große Rolle sowohl bei der Positionierung innerhalb der Debatte als auch bei der Legitimierung dieser Positionierung spielen.
Für RRI könnte dies bedeuten, dass solche verschiedenen Analysen und das Zusammenführen der Ergebnisse erste Anhaltspunkte liefern, wo konkrete Konflikte bestehen, auf welche Argumente bei der Diskussion zurückgegriffen wird und auch welche Wertvorstellungen ihnen eigentlich zu Grunde liegen. Dies kann hilfreich sein, um innerhalb von RRI Methoden der Inklusion verschiedener Akteure umfassender zu gestalten.
Julia HAHN, Kulturwissenschaftlerin, ist seit 2010 wissenschaftliche Mitarbeiterin am ITAS und beschäftigt sich mit partizipativen Verfahren in der TA, kulturelle Aspekte der Nachhaltigkeit und Responsible Innovation.
Claudia BRÄNDLE, Philosophie-Studentin am KIT mit dem Schwerpunkt angewandte Ethik, ist seit 2010 studentische Hilfskraft am ITAS und unterstützt dort Forschungen zur Partizipation in der TA.
Daniel Barben
Beim Climate Engineering (CE) – im internationalen Kontext oft auch als Geoengineering oder Climate Geoengineering bezeichnet – handelt es sich um ein emergentes Feld der Forschung und Technologieentwicklung, das zugleich von enormer politischer Bedeutung ist: zum einen aufgrund der regulatorischen und demokratischen Herausforderungen (z.B. entscheidungsbezogene Legitimationsprobleme und internationale Konfliktpotentiale), zum anderen dadurch, dass CE von manchen als „dritte Option“ der Klimapolitik vorgestellt wird (neben Mitigation und Adaptation). Damit rücken Fragen der verantwortlichen Forschung bzw. Forschungsförderung und Forschungs-Governance ins Zentrum des Interesses – nicht nur für die im engeren Sinne mit CE befassten Akteure, sondern für alle mit klimapolitischen Herausforderungen beschäftigten Akteure. In der Folge sind auch die Proponenten von Technikfolgenabschätzung (TA) gefordert, Ansätze des CE zu analysieren und zu bewerten, zudem aber auch Vorschläge zu entwickeln, in welcher Form und von wem TA auf innovative Weise durchgeführt werden kann, so dass der institutionell und regional (d.h. lokal und global) verteilten Struktur von Entscheidungsfindung und Folgenbewertung Rechnung getragen werden kann.
In diesem Vortrag beziehe ich mich auf das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) seit Juni 2013 geförderte Schwerpunktprogramm 1689 zum Thema „Climate Engineering: Risks, Challenges, Opportunities?“ und das Einzelprojekt „How to Meet a Global Challenge? Climate Engineering at the Science-Policy Nexus: Contested Understandings of Responsible Research and Governance“, das ich zusammen mit Prof. Nina Janich von der Technischen Universität Darmstadt leite.
Ich werde zeigen, wie das Schwerpunktprogramm Grundlagenforschung mit TA (insbesondere in Form der Risikoabschätzung) zu verbinden und zugleich wissenschaftliche Objektivität und politische Neutralität zu gewährleisten versucht. Dabei werde ich argumentieren, dass diese Zielsetzungen förderpolitisch bzw. institutionell nahe liegen – wenn nicht sogar zwingend sind –, gleichwohl grundlegende Ambiguitäten nicht vermeiden können. Denn CE ist an der Schnitt-stelle von (Klima-)Wissenschaft und (Klima-)Politik situiert, wo Grenzziehungen umkämpft bzw. im Fluss sind, so dass beide Sphären sich wechselseitig beeinflussen (und deshalb nicht von der jeweils anderen Rationalität ganz frei gehalten wer-den können). Gerade deshalb stellen sich Fragen verantwortlicher Forschung und (Forschungs-)Governance mit besonderer Dringlichkeit – was jedoch nicht zugleich heißt: verantwortlicher Innovation. Denn Innovation schließt Technikentwicklung ein, deren Wünschbarkeit – und Machbarkeit – beim CE aber sehr weitgehend in Frage gestellt wird. Brennpunkte der Diskussion um CE beziehen sich gegenwärtig vielmehr noch darauf, ob und, falls ja, wie in der Erforschung von CE Experimente durchgeführt werden könnten bzw. sollten („Experimente“ meint hier: über Modellierungen hinausgehend, in der „Realwelt“). Oder, noch grundsätzlicher: ob nicht bereits die Rede von CE als neuer Option, die globale Klimaerwärmung zu bekämpfen, das Verhältnis zwischen Klimawissenschaft und Klimapolitik weiter kompliziert und zugleich dem Bemühen um langfristig aussichtsreiche, epistemisch und politisch robuste Handlungsansätze entgegenwirkt.
Diesbezügliche Fragen werden von dem genannten Kooperationsprojekt auf unterschiedlichen Ebenen adressiert. Folglich werde ich das Projektdesign (einschließlich des Teilprojekts an der TU Darmstadt, das den SPP als „Selbstverantwortungsinitiative von Wissenschaftlern“ untersucht) kurz vorstellen, um dann auf das (zunächst an der RWTH Aachen, inzwischen) an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt durchgeführte Teilprojekt etwas ausführlicher einzugehen. Dieses verbindet unter anderem Diskursanalysen wissenschaftlicher und politischer Arenen mit Analysen und Aktivitäten des „public engagement“, um so ein besseres Verständnis der mit CE verbundenen Dynamik zwischen Klimawissenschaft und Klimapolitik zu erlangen und zugleich einen Beitrag zur Kapazitätsbildung im Schwerpunktprogramm selbst zu leisten, mit Kritik und möglichen Konflikten produktiv umgehen zu können.
Daniel BARBEN ist Universitätsprofessor für Technik- und Wissenschaftsforschung am gleichnamigen Institut der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt │Wien Graz. Er schloss sein Diplomstudium und seine Habilitation in Soziologie an der Freien Universität Berlin ab und promovierte in Politikwissenschaft an der Universität Potsdam. Forschungsschwerpunkte betreffen die Bewertung und Governance neuer Technologien (bezüglich Innovation, Sicherheits- und Risikoregulierung, geistigen Eigentumsrechten, Ethik, Akzeptanzpolitik), die Energiesystem-Transformation sowie Climate Engineering und Klimapolitik. Wichtigste Publikation: Politische Ökonomie der Biotechnologie. Innovation und gesellschaftlicher Wandel im internationalen Vergleich. Reihe Theorie und Gesellschaft, Band 60 (hgg. von Axel Honneth, Hans Joas, Claus Offe, Peter Wagner). Frankfurt/M., New York 2007: Campus.
Judith Simon
„Responsible Research and Innovation“ ist eines der großen Schlagwörter der Stunde und nicht ohne Grund widmet sich die NTA6-TA14 diesem Thema. Es scheint, dass nicht nur nationale und europäische Forschungsförderer, sondern auch weite Teile der häufig sogenannten „sozial- und geisteswissenschaftlicher Begleitforschung“ sich dem Thema zunehmend annehmen: Forscherinnen und Forscher aus den Bereichen Technikfolgenabschätzung, Science and Technology Studies sowie Technikphilosophie melden sich zu Wort, um dem Konzept RRI etwas abzugewinnen oder hinzuzufügen. Belegt wird dies durch zahlreichen Publikationen (z.B. Grunwald 2011, Owen et al 2013, oder von Schomberg 2013), Projekte, Veranstaltungen, sowie mittlerweile sogar Zeitschriften zu RRI.
Liest man die Beschreibungen dessen, was RRI sein soll auf den Webseiten der Forschungsförderer durch, so erscheint das Konzept verantwortlichen Forschens und Innovierens seltsam unterbestimmt. Laut einer Broschüre der Europäischen Kommission umfasst RRI sechs Kernbereiche: engagement, gender equality, science education, open access, ethics und governance , eine Definition des Konzept RRI bleibt jedoch aus. Weiters schreibt die Kommission zur Begründung und weiteren Erklärung dessen was RRI sein soll und wozu es dienen soll allerdings folgendes: “(t)he grand societal challenges that lie before us will have a far better chance of being tackled if all societal actors are fully engaged in the co-construction of innovative solutions, products and services. Responsible Research and Innovation means that societal actors work together during the whole research and innovation process in order to better align both the process and its outcomes, with the values, needs and expectations of European society. RRI is an ambitious challenge for the creation of a Research and Innovation policy driven by the needs of society and engaging all societal actors via inclusive participatory approaches.”
In diesem Zitat wird bereits sichtbar, wir sehr RRI sich Kernthemen der TA, wie Partizipation oder Ko-Konstruktion, annähert. Dabei ergibt sich die Relevanz der Auseinandersetzung von TA mit RRI in dreierlei Hinsicht. Erstens entwickelt sich RRI zunehmend zu einem der wichtigsten Forschungsförderinstrumente für TA auf nationaler wie internationaler Ebene. Daher scheint es zunächst aus rein forschungsstrategischer Sicht wichtig, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. An die Teilnahme im Diskurs um RRI knüpft sich die Hoffnung näher an die Fördertöpfe der EU und anderer Forschungsförderer zu kommen. Dies mag zynisch anmuten, ist aber angesichts des Drucks Drittmittelförderung zu verstärken durchaus verständlich. Allerdings bekommt in Zeiten knapper Kassen und durch die Einbettung von RRI in natur- und technikwissenschaftliche Ausschreibung eben jener Begriff der „sozial- und geisteswissenschaftlicher Begleitforschung“ eine neue Schärfe und die Eigenständigkeit der Sozial- und Geisteswissenschaften wird möglicherweise erneut umkämpft werden müssen.
Zweitens, kann und sollte TA jedoch auch inhaltlich beitragen, RRI als Forschungsstrategie und Konzept zu schärfen und zu verbessern. Vor allem in Bezug auf partizipative Prozesse, kann die TA auf langjährige Erfahrungen zurückblicken, nicht nur um Partizipation voranzutreiben, sondern auch um auf mögliche Gefahren von Pseudoinklusion hinzuweisen. Daher ist eine Diskursbeteiligung nicht nur eine Möglichkeit für TA sich zu profilieren, sondern auch eine Pflicht zu intervenieren, damit sich Fehler aus denen die TA bereits gelernt hat, nicht auf anderer Ebene wiederholen.
Drittens wird es auch darum gehen, die Worthülse RRI mit Bedeutung zu füllen und hier können diverse disziplinäre Zugänge, z.B. soziologische, philosophische oder politologische, welche in der TA-community vertreten sind, wertvolle Beiträge leisten. Insbesondere sind zwei Leerstellen zu füllen. Zum einen muss es darum gehen, das zentrale Konzept der Verantwortung, bzw. Verantwortlichkeit, zu explizieren. Zum anderen muss sich RRI kritisch mit Fragen ungleicher Machtverhältnisse auseinandersetzen. In meinem Vortrag möchte ich mich diesen beiden Leerstellen aus Sicht der Philosophie sowie der feministischen Wissenschaftsforschung widmen und insbesondere auf das Konzept verteilter epistemischer Verantwortlichkeit in sozio-technischen Systemen eingehen (Simon 2013), um zu zeigen, wie verantwortliches Forschen nicht nur als Forschungsförderstrategie, sondern auch als Forschungspraxis verstanden werden kann.
Judith SIMON ist Associate Professorin für Philosophy of Science and Technology an der IT University Copenhagen sowie FWF-Projektleiterin an der Universität Wien. Sie ist Co-Editorin der Journals Philosophy & Technology, sowie Big Data & Society: Critical Interdisciplinary Inquiries und forscht unter anderem zum Verhältnis von Wissen, Vertrauen, Verantwortlichkeit und Technologie. Im Jahr 2013 erhielt sie den Herbert A. Simon-Award der International Association of Computing and Philosophy.
Alexandra Kuzior & Paulina Kuzior
TA kann als einen systematischen, facettenreichen, interdisziplinären oder gar transdisziplinären Forschungs- und Kommunikationsprozess definiert werden. Sie benötigt ein Prozess, der die Meinungen der verschiedenen Interessengruppen und Experten-Wissen über die möglichen langfristigen Anwendungen von neuen, innovativen Technologien und ihre Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur, Politik oder menschlichen Individuums und Sets kombiniert.
In den verschiedenen Modellen der TA können wir über eine Verantwortung von einzelnen ExpertInnen, die Verantwortung der institutionellen Organisationen für die Forschung und Entwicklung von Technologien und gemeinsame Verantwortung in der partizipativen Technikfolgenabschätzung sprechen. In jedem Modelle soll einen anderen rationalen Charakter der Verantwortung berücksichtigt werden, Wir sollen wissen: wer? (ein Subjekt der Verantwortung), für was? für wen? (ein Gegenstand der Verantwortung), von wem? (die Instanz der Verantwortung), zu welcher Zeit? (Temporaler Aspekt der Verantwortung) am welchen Bereich? (Räumlicher Aspekt der Verantwortung) verantwortlich ist.
In diesem Beitrag liegt der Schwerpunkt auf den formalen, rechtlichen und moralischen Aspekt in der Bewertung und Umsetzung neuer Technologien. Auch die Verfassungsnormen, die jeweils eine Grundlage für die Bewertung der Legalität und der Umsetzung der neuen Technologien bilden, werden hier vorgestellt. In dem Papier wird ebenfalls beispielhafte Änderungen der Vorschriften (im polnischen Recht) vorgestellt, die durch die Implementierung neuer Technologien verursacht wurden. Darüber hinaus werden einige Beispiele von Beschränkungen der Einführung neuer Technologien im Hinblick auf die bestehenden Verfassungsgrundsätze präsentiert. Anschließend werden anhand ausgewählter Beispiele die moralischen Aspekte der Herstellung oder Weglassen von innovativen Aktivitäten gezeigt.
Aleksandra KUZIOR – Professorin an der Schlesischen Technischen Universität in Gliwice, dr. habil. der Geisteswissenschaften, auf dem Gebiet der Ethik und angewandte Ethik, Leiterin der Abteilung für Angewandte Sozialwissenschaften, Fakultät für Organisation und Management, Schlesische Technische Universität, Gründungsmitglied und Mitglied des Vorstandes der Polnischen Gesellschaft für Technologiebewertung, Mitglied des Slowakischen Philosophischen Vereins, Mitglied der Europäischen Vereinigung für Sicherheit.
Paulina KUZIOR – Rechtsstudentin (fünftes Jahr) an der Universität Opole, Bachelor-Abschluss in Soziologie an der Schlesischen Technischen Universität in Gliwice, Gründungsmitglied der Polnischen Gesellschaft für Technologiebewertung, Assistenzprogramm am Lehrstuhl für Kriminologie und Kriminalistik, Vorsitz der Forschungsgruppe für Strafrecht an Universität Opole.
Andrzej Kiepas
Die Innovationsprozesse, schon in der Etappe ihrer Möglichkeiten der Verwirklichung, verbinden sich mit unterschiedlichen Konflikten. Eine bestimmte Rolle spielen in dieser Hinsicht die Interessen- und Wertkonflikte, die auch voneinander nicht völlig getrennt sind. Diese Konflikte äußern sich in der Praxis und verbinden sich im Grunde mit bestimmten kulturellen Bedingungen, was insbesondere auf die Wertkonflikte zutrifft. TA kann als unterstützendes Mittel zur Lösung der Konflikte und schließlich zur Bildung verantwortungsvoller Innovationsprozesse dienen.
Die analytische TA kann den Bereich der mit den konkreten Innovationen verbundenen Werte beschreiben und einschätzen. Die Interessenkonflikte erfordern für ihre Lösung die Methoden partizipativer Technikfolgenabschätzung. Die beiden Arten von TA verbinden sich mit bestimmten theoretischen und praktischen Begrenzungen, die den Rahmen der Lösung sowohl der oben genannten Konflikte als auch der Gestaltung von verantwortungsvollen Innovationen bilden. Die Verwirklichung von „responsible innovation“ soll besonders den Stellenwert der Werte gegenüber den Interessen stärken. Es äußert sich in diesem Moment die Spannung zwischen Interessen und Werten, aber gleichzeitig auch die Spannung zwischen pragmatischen und normativen Aspekten von Entscheidungsprozessen. Diese letzte Spannung verbindet sich mit der Rolle von TA an der Entscheidung und Durchführung von Innovationsprozessen. Was schließlich in dieser Hinsicht die „verantwortbare Innovation“ bedeutet, wird gleichzeitig mit der Struktur von vielen Faktoren verbunden. Diese Struktur umfasst sowohl normative als auch praktische Faktoren. Die bisherigen Erfahrungen mit TA weisen darauf hin, dass es in diesem Fall einerseits keine ideale und universale Struktur, aber gleichzeitig und andererseits keine beliebige Struktur von diesen Faktoren gibt.
Die Rolle unterschiedlicher Faktoren und Konflikte ist im Fall der polnischen Energiepolitik zu beobachten. In Polen hatten und haben die Produktionsprozesse der Energie, welche auf der Nutzung von Kohle basieren, eine dominierende Bedeutung für die Energiebereitstellung. Heute wird in Polen die Rolle der so genannten “Prosumer Energie“ diskutiert, also einer Energieform, die von den Haushalten sowohl genutzt (konsumiert) als auch selbst hergestellt (produziert) wird. Es wurden jedoch auch neuerdings politische Entscheidungen getroffen, die in Richtung der weiteren Entwicklung von traditioneller Kohlenenergie gehen. Eine wesentliche und entscheidende Rolle spielen in dieser Hinsicht die Interessen der Kohlenlobby.
In der Debatte werden aber auch unterschiedliche Argumente vorgestellt, die einen normativen Hintergrund haben. Die entscheidende Rolle von Interessen verbindet sich in diesem Fall u.a. mit: a) dem Organisationsgrad von Interessengruppen; b) den Schwächen der BürgerInnengesellschaft; c) den Mängeln des gesellschaftlichen Kapitals und d) dem Mangel an etablierten und praktisch funktionierenden Prozeduren von TA, die im Fall von bestimmten Entscheidungen benötigt werden.
Andrzej KIEPAS ist habilitierter Professor am Institut für Philosophie an der Schlesischen Universität in Katowize (PL). Des Weiteren ist er an der Hochschule der Arbeitsschutzverwaltung tätig und ist stellvertretender Vorsitzender der polnischen Gesellschaft für Technikfolgen-Abschätzung. Seine Forschungsschwerpunkte sind Technikphilosophie und Technikfolgen-Abschätzung.
Julia Hahn, Stefanie B. Seitz & Torsten Fleischer
Das Schlagwort „Responsible Research and Innovation“ (RRI) bestimmt zunehmend die Debatten der Technikfolgenabschätzung (TA). Denn hinter diesem ursprünglich forschungspolitischen Begriff können einige der wichtigsten Forschungsfragen der TA versammelt werden, wenn es um die Operationalisierung von RRI als Konzept geht. Nach Stilgoe et al. (2013: 29) soll RRI Forschung und Innovation vorausschauender, reflexiver, inklusiver/deliberativer und anpassungsfähiger im Bezug gesellschaftliche Erfordernisse machen und damit verantwortungsvoller werden lassen. Damit führt RRI als Konzept verschiedene Trends in der TA-Forschung zusammen, ohne deren intrinsische Probleme zu lösen.
Einer dieser Trends ist die zunehmende Popularität von deliberativen und partizipativen Verfahren, der sich beispielsweise im Ausrufen eines „participatory turn“ (Jasanoff 2003: 235f) spiegelt. Folglich werden Gedanken zur öffentlichen Wertschätzung von Forschung und Innovation und die Beteiligung von Zivilgesellschaft bei der Rahmung von Forschungsprogrammen ebenso (politisch) verlangt, wie das entsprechende Anpassen von Forschungsplänen, um „gesellschaftlich erwünschte“ Ergebnisse zu erzielen. Dabei erscheint hier oft Partizipation als „die“ entscheidende Methode, (i) welche (Technik)Konflikte löst, (ii) Akzeptanz von Innovationen fördert und (iii) Technologien anhand gesellschaftlicher Werte formen kann. Die Technologie soll anhand sozialer Werte gestaltet werden, sodass „problems of rejection or conflict would no longer occur at all. This line of thought seems to be one of the main sources of Responsible Innovation” (Grunwald 2011: 14).
Im Feld der partizipativen TA gibt es langjährige Erfahrungen mit deliberativen und partizipativen Methoden, ebenso wie die Befassung mit Fragestellungen bezüglich der Probleme, die bei der Beteiligung von Laien oder Stakeholdern aufkommen. Aspekte des „policy uptakes“, des „impacts“, der Einbindung der Ergebnisse partizipativer Verfahren in einer repräsentativen Demokratie, die Rollen von individuellen (institutionellen) Akteuren bei der Durchsetzung von Beteiligung sowie Aspekte der Synchronisation mit politischen Institutionen sind inhärent. Bei Operationalisierung von RRI und deren starken Fokussierung auf Beteiligung als elementarer, konzeptueller sowie praktischer Bestandteil werden diese Fragen und Problemstellung jedoch noch akuter. Wie kann eine systematische Operationalisierung von Partizipation innerhalb von RRI aussehen? Wer entscheidet endgültig wenn beispielsweise (Technik)Konflikte durch Beteiligung nicht gelöst werden? Wenn RRI “integrated processes of anticipation, reflection and inclusive deliberation” (Owen et al. 2012: 755) für politische Entscheidungen angestrebt, bleiben Fragen der Praktikabilität und Durchführbarkeit sowie die der „grand challenges“ als Anfangspunkt für die Diskussion über RRI offen.
Um hierauf näher eingehen zu können, sollen die Rollen politischer Institutionen und ihrer Repräsentanten hier genauer beleuchtet werden, ebenso wie deren Effekte auf das Design und die Umsetzung von Partizipation. Einblicke in Abläufe innerhalb von politischen Institutionen gerade wenn diese mit Beteiligung „konfrontiert“ werden, bleiben oft für Außenstehende diffus. Hier können Fallbeispiele anekdotisches Wissen liefern, was mikro-soziologische Ansatzpunkte ermöglicht. Beispielsweise scheint es so, dass individuelle Akteure bzw. „change agents“ innerhalb von Ministerien entscheidend sind, um partizipative Verfahren in einer Umwelt durchzusetzen, die Abläufe und Konventionen einer repräsentativen Demokratie gewohnt ist. Hierbei werden auch Theorien der Institutionalisierung und aus den Organisationswissenschaften weitere Einblicke ermöglichen.
Julia HAHN, Kulturwissenschaftlerin, ist seit 2010 wissenschaftliche Mitarbeiterin am ITAS und beschäftigt sich mit partizipativen Verfahren in der TA, kulturelle Aspekte der Nachhaltigkeit und Responsible Innovation.
Stefanie B. SEITZ, promovierte Biologin, arbeitet seit 2010 am ITAS zu Themen der Governance emergenter Technologien (insbesondere aus dem Bereich der Lebenswissenschaften und Nanotechnologie), partizipativer Verfahren und Responsible Innovation.
Torsten FLEISCHER, Physiker, ist Forschungsbereichsleiter im Forschungsbereich Innovationsprozesse und Technikfolgen am ITAS und arbeitet zu Nanotechnologie und neuen Materialien sowie in den Bereichen Energie und Verkehr, Interaktionen zwischen technischem und sozialem Wandel und Governance von Innovationsprozessen.
Niklas Gudowsky , Mahshid Sotoudeh, Leo Capari & Ulrike Bechtold
In einer alternden Gesellschaft sollen Technologien und Dienstleistungen im Bereich des umgebungsunterstützten Lebens (ambient assisted living - AAL) älteren Menschen erlauben, länger selbstständig zu leben. Damit verbunden ist die Erwartung, dass Autonomie, Sicherheit, gesellschaftliche Teilhabe und damit Lebensqualität gesichert und erhöht werden. Da es sich bei den Entwicklern oft um ein marktnahe Forschungs- und Entwicklungsunternehmen handelt, kommt es zwangsläufig zu einer starken Fokussierung auf ökonomische Zusammenhänge. Dieser alleinige Fokus kann Fehlplanungen in Forschung und Entwicklung (F&E) sowie F&E-Politik und Regulierung mit schweren sozialen sowie volks- und betriebswirtschaftlichen Konsequenzen nach sich ziehen. Das partizipative Foresightprojekt CIVISTI-AAL stellt hier sicher, dass andere gesellschaftlich relevante Bereiche nicht vernachlässigt werden, und der erweiterte gesellschaftliche, soziale und kulturelle Kontext bei der Entwicklung von Technologien und Dienstleistungen für selbstbestimmtes Leben im Alter berücksichtigt wird. Das vorgestellte Forschungsprojekt verknüpft das Wissen von BürgerInnen und ExpertInnen und Stakeholdern um eine breite Basis für EntscheidungsträgerInnen in Politik, Forschung und Verwaltung zu schaffen und kann so dazu beitragen, Innovationen verantwortungsvoller und aktiv zu steuern.
CIVISTI-AAL ist ein gemeinsames Forschungsprojekt des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der auf ambient assisted living spezialisierten Beratungsfirma Innovendo. Es beruht auf der CIVISTI-Methode (civisti.org), die zur Beratung des EU-Parlaments zum 8. Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 entwickelt und in sieben EU-Ländern getestet wurde. Neben der Beantwortung der für die Stadt Wien relevanten Forschungsfragen wurde in diesem Forschungsprojekt die Methode weiterentwickelt und an thematische und lokale Gegebenheiten angepasst.
Gefördert durch das Smartcity Programm der Technologieagentur der Stadt Wien, verbindet das Projekt vorhandenes Wissen um partizipativ neue Perspektiven für smart-city Strategien zu entwickeln und diesen in den Kontext einer alternden Gesellschaft zu stellen. Im Projekt entwerfen Wiener BürgerInnen und Fachleute ein ganzheitliches Bild relevanter Zukunftsthemen für ein autonomes Leben im Alter. Das Hauptziel von Leben2050 ist es implizites Wissen explizit nutzbar zu machen um alle beteiligten Gruppen an einer produktiven Zukunftsplanung teilhaben zu lassen. Die Methode fördert eine transdisziplinäre Zusammenarbeit von BürgerInnen, ExpertInnen und Stakeholdern zum Thema autonomes Leben im Alter in Wien und will Potenziale für soziale, organisatorische und technische Innovationen offenlegen.
Der Prozess besteht im Wesentlichen aus fünf Schritten: (1) 50 BürgerInnen erstellen Visionen für ein autonomes Leben älterer Menschen in Wien im Jahr 2050. (2) Auf Basis der in den Visionen enthaltenen Werte, Wünsche und Ängste formulieren Teams aus ExpertInnen und Stakeholdern Empfehlungen für Forschung und Politik. (3) Die Visionen der BürgerInnen und die Empfehlungen der Fachleute werden in einem Newsletter aus der Zukunft zusammengeführt. Rückblickend aus dem Jahr 2050 beschreibt der Newsletter Entwicklungen die zur Implementierung der in den Visionen vorhandenen Ideen geführt haben (4). Vor der Veröffentlichung der verknüpften Ergebnisse erhalten alle TeilnehmerInnen die Möglichkeit zur Überprüfung der Synthesearbeit. (5) Schlussendlich werden die Ergebnisse auf leben2050.at der breiten Öffentlichkeit präsentiert und zur Abstimmung freigegeben (Mai 2014). So kann ein umfassendes Bild relevanter Zukunftsthemen als wertvolle Informationsquelle für Politik, Forschung und Wirtschaft entstehen.
In diesem Beitrag wird die Methode kurz vorgestellt um dann einen Überblick über die vielfältigen Ergebnisse zu geben. Diese umfassen Auszüge aus den Visionen der BürgerInnen, Empfehlungen der Fachleute, sowie deren Zusammenfassung im Newsletter2050. Außerdem wird diskutiert inwiefern die Resultate eine Anwendung in Stadtentwicklung, Forschung und Innovation finden können.
Niklas GUDOWSKY ist Biologe und arbeitet am ITA im Bereich Technologie und Nachhaltigkeit zu Foresight, umgebungsunterstütztem Leben im Alter, smart cities und partizipativen Methoden.
Mahshid SOTOUDEH ist senior researcher am ITA und beschäftigt sich mit Fragen zu Technologie und Nachhaltigkeit. Dazu gehören u.a. die Bereiche technische Ausbildung, Value Ageing, Smart Cities, parlamentarische TA, partizipative Methoden und vorausschauende Studien (Foresight).
Leo CAPARI ist Humanökologe und seit Juli 2013 Junior Scientist im Bereich Technologie und Nachhaltigkeit am ITA. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Ambient Assisted Living (AAL), Umweltwissenschaften/Sustainability Sciences sowie Bibliometrie/Szientometrie.
Ulrike BECHTOLD ist promovierte Humanökologin und seit 2007 wissenschaftliche Mitarbeiterin des ITA in den Bereichen Technologie und Nachhaltigkeit. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind umgebungsgestütztes Altern, Klimatechnologien und Strategische Umweltprüfung.
Peter Wehling
Innovationen im Bereich der Biomedizin, Humangenetik und Reproduktionsmedizin erfordern aus naheliegenden Gründen eine unter ethischen und sozialen Aspekten besonders verantwortliche Gestaltung und Umsetzung. Dies gilt auch für die sogenannte Präkonzeptionelle Genträger-Diagnostik, die sich gegenwärtig im Prozess der Markteinführung befindet. Hierbei können Paare mit Kinderwunsch (und ohne jede familiäre Krankheits-Vorgeschichte) sich schon vor einer Schwangerschaft („präkonzeptionell“) mittels eines neuartigen DNA-Chips auf die Anlageträgerschaft für zahlreiche, zukünftig möglicherweise bis zu 600 rezessiv vererbbare, seltene Krankheiten oder Behinderungen (z.B. Mukoviszidose, Muskeldystrophie oder Eisenspeicherkrankheit) testen lassen. Das Ziel besteht darin, festzustellen, ob beide Partner für eine dieser Krankheiten eine gemeinsame Anlageträgerschaft aufweisen. In diesem Fall bestünde für Kinder des Paares ein in der Regel 25-prozentiges Risiko, von dieser Krankheit betroffen zu sein. Die Diagnostik eröffnet zukünftigen Eltern somit die Möglichkeit, die Geburt eines behinderten oder kranken Kindes zu vermeiden, entweder durch die Nutzung reproduktionsmedizinischer Angebote (z.B. Präimplantationsdiagnostik oder Pränataldiagnostik ggf. mit Schwangerschaftsabbruch) oder durch Verzicht auf leibliche Kinder. Es spricht andererseits einiges dafür, dass die Einführung und möglicherweise breite Nutzung einer solchen Diagnostik ethische Probleme aufwerfen und weitreichende soziale Folgen haben könnte, beispielsweise subtilen oder offenen gesellschaftlichen Erwartungsdruck gegenüber Paaren, das Testangebot in Anspruch zu nehmen.
Eine Besonderheit dieser biomedizinischen Innovation besteht darin, dass sie, außer von kommerziellen Unternehmen und Wissenschaftlern, auch von einer zivilgesellschaftlichen Stiftung, der US-amerikanischen Beyond Batten Disease Foundation (BBDF), vorangetrieben wird, die von den Eltern eines an einer bisher unheilbaren seltenen Krankheit erkrankten Kindes gegründet worden ist. Nicht nur dieser Umstand wirft die Frage auf, ob und inwieweit die Beteiligung und Einbeziehung Betroffener auch und gerade im Bereich der Biomedizin einen Weg zu gesellschaftlich verantwortlicher Innovation darstellen könnte – und welche Rolle dabei der TA und sozialwissenschaftlichen (Folgen-)Forschung zukommen könnte. Diese Fragestellungen werden in einem derzeit laufenden, vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten sozialwissenschaftlichen Forschungsprojekt an der Universität Frankfurt a.M. bearbeitet, das sich (im Verbund mit der Universität Göttingen) mit den sozialen und ethischen Implikationen der Präkonzeptionellen Genträger-Diagnostik beschäftigt. Besonderes Gewicht wird in dem Vorhaben auf die Einbeziehung der Positionen und Bewertungen Betroffener, d.h. Patienten mit seltenen, rezessiv vererbten Krankheiten und/oder deren Eltern sowie Patientenorganisationen, gelegt. Das Ziel dabei ist auch, Hinweise darauf zu gewinnen, inwieweit Betroffene, und ihre Organisationen bereit und in der Lage sind, sich an der Gestaltung biomedizinischer Innovationen zu beteiligen (was natürlich auch die Forderung nach Verzicht auf die Innovation zum Ergebnis haben kann) und in welchen Formen dies geschehen könnte. Patientenorganisationen könnten vor dem Hintergrund ihres Erfahrungswissens beispielsweise spezifische Hinweise auf mögliche negative Folgen für Betroffene geben oder sich an der grundlegenden, nicht zuletzt ethisch relevanten Diskussion darüber beteiligen, welche Krankheiten oder Behinderungen überhaupt vor einer Schwangerschaft von einer derartigen Diagnostik erfasst werden sollten. TA und Sozialwissenschaften könnten hierbei die Rolle übernehmen, solche Diskussionsprozesse zu initiieren und zu begleiten sowie Betroffenengruppen zur Beteiligung zu motivieren. Sie müssen jedoch auch die Grenzen der Einbeziehung von Betroffenen im Blick behalten und reflektieren, z.B. die bei bioethischen und biopolitischen Fragen regelmäßig zu beobachtende interne Uneinigkeit von Patientenvereinigungen sowie den Dissens zwischen unterschiedlichen Organisationen.
In dem Vortrag werden zunächst die Hintergründe und Besonderheiten der Entwicklung der Präkonzeptionellen Genträger-Diagnostik skizziert und sodann – gestützt auf erste Ergebnisse des erwähnten Vorhabens – beispielhaft Möglichkeiten sowie Grenzen der Einbeziehung von Betroffenen und ihren Sichtweisen diskutiert. Abschließend werden einige weiterführende Schlussfolgerungen für die Rolle von TA und sozialwissenschaftlicher „ELSA“-Forschung bei der Gestaltung partizipativer Innovationsprozesse und im Kontext der Suche nach „responsible innovation“ vorgestellt.
PD Dr. Peter WEHLING, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Institut für Soziologie; Studium der Philosophie, Politikwissenschaft, Geschichte und Soziologie. Forschungsschwerpunkte u.a. Wissenschafts- und Technikforschung, Wissenssoziologie, Soziologie der Biomedizin und Biopolitik, Gesellschaftstheorie. Wichtige Veröffentlichungen u.a.: Im Schatten des Wissens? Konstanz, 2006: The public shaping of medical research (Hg. mit Willy Viehöver), London/New York 2014 (im Erscheinen)
Bernd Giese, Christian Pade & Arnim von Gleich
Technik hat in den letzten Jahrzehnten viel von ihrer Starrheit verloren. Damit ging erneut eine Veränderung der Anpassungszwänge im wechselseitigen Verhältnis zwischen Mensch und Technik einher (Ropohl 1999). Denn der Handwerker führte noch sein Werkzeug, in der Manufaktur mussten aber die Maschinen schon „bedient“ werden und am Tiefpunkt dieser Entwicklung wurden der menschlichen Arbeitskraft der Takt und die Bewegungen des Fließbandsystems aufgezwungen (Mumford 1974). Seitdem hat sich Technik (i.S.v. abgrenzbaren, gemachten, materiellen Objekten) wieder in eine andere Richtung entwickelt: Sie ist flexibler, adaptiver und aktiver geworden, kann über Sensoren Umweltbedingungen wahrnehmen und auf diese reagieren. Technik wird intelligent(er) (acatech 2009). Damit haben sich auch die Voraussetzungen für die Gestaltung achtsamer („attentiver“), befähigender und kooperativer Technologien und sozio-technischer Systeme verbessert.
Diese neuen technischen Möglichkeiten bergen Chancen aber auch Risiken. Eine frühe Einflussnahme auf den Innovationsprozess entsprechend den Prinzipien einer verantwortungsvollen Forschung und Innovation kann dazu beitragen, dass die Chancen realisiert und die Risiken minimiert werden. Angesetzt wird dabei a) am „Charakter“ der zu entwickelnden technologischen Möglichkeiten („technology push“), b) an den Bedarfen bzw. Bedürfnissen der NutzerInnen und Betroffenen („demand pull“) und c) an den Gestaltungsspielräumen, die den beteiligten Akteure in den Innovationssystemen zur Verfügung stehen. Diese drei Faktoren stehen im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Vorprojektes AttenTech zur Erarbeitung eines Leitkonzeptes für „Achtsame Technologien“ („Attentive Technologies“). Ein solches Leitkonzept wird dabei als eines der wichtigen Elemente im Governance-Rahmen einer verantwortungsvollen Forschung und Innovation betrachtet. Es soll für die Innovationsprozesse und -systeme in diesem Bereich eine koordinierende und richtungsweisende Funktion erfüllen, indem die recht breiten, teilweise diffusen und mitunter auch widersprüchlichen gesellschaftlichen Anforderungen (bspw. Gesundheit und Sicherheit vs. Ethik und Recht) vereinfacht, gebündelt und in Ausgleich gebracht werden, umso besser im Technikentwicklungs- und Innovationsprozess wirken zu können.
Neben Wegen zur frühen Einbindung der relevanten gesellschaftlichen Akteure werden Anforderungen identifiziert, die eine Technik ermöglichen, bei der die Chancen der NutzerInnen maximiert (Aktivierung, Befähigung, Teilhabe und Integration sowie Selbstbestimmung und Erweiterung der individuellen Freiheitsgrade) und Risiken minimiert sind (Entmündigung, Passivierung, Einschränkung, Isolation und Diskriminierung). Im Ergebnis wird eine Technik angestrebt, die sich, geprägt von ihrem Werkzeugcharakter, den NutzerInnen unterordnet und ihnen aufmerksam zur Verfügung steht. Sie ist zudem weniger auf den puren Ausgleich nachlassender Fähigkeiten fokussiert, sondern vielmehr auf die Steigerung der Entfaltungsmöglichkeiten der kooperierenden NutzerInnen. Dafür wirkt sie über ihre assistierende Funktion hinaus auch auffordernd und vermittelt Optionen aktiv ohne dabei übergriffig zu werden. Eine solche Art der Technik könnte in gewisser Weise sogar einen Persönlichkeitsentwicklungs- wenn nicht gar Bildungsauftrag erfüllen (Kerschensteiner 1926, Euler 1999).
Ziel ist die Gestaltung der Technikentwicklung als interaktive Abstimmung und Ausbalancierung zwischen technischen Möglichkeiten und Bedürfnissen und Fähigkeiten der NutzerInnen. Zu diesem Zweck wurden im aktuellen wissenschaftlichen Vorprojekt, gefördert durch das BMBF, sowohl die wesentlichen und vielversprechenden technischen Entwicklungstrends als auch die Bedarfe und Bedürfnisse der Gesellschaft bzw. gesellschaftlichen Gruppen zudem vor dem Hintergrund des Demografischen Wandels identifiziert, bewertet und vor allem auch zueinander in Beziehung gebracht.
Im ersten Schritt wurden deshalb technische Entwicklungslinien recherchiert und analysiert. Aufgrund ihrer relativ fortgeschrittenen Entwicklung und vor allem der ihnen zugesprochenen Bedeutung im Zusammenhang mit befürchteten Problemen im Zuge des demografischen Wandels (Becker et al. 2013) wurde bei der Recherche der Fokus auf Robotiksysteme gelegt, die im häuslichen Bereich eingesetzt werden sollen. Im Unterschied zu Konzeptionen einer weitgehend vernetzten Umgebung (Ambient Assistant Living) kann dabei die Intelligenz im ‚Begleiter‘ (Companion) konzentriert werden, nicht zuletzt um die Privatsphäre zu wahren.
Im zweiten Schritt wurde die Perspektive der NutzerInnen analysiert: Wie sehen diese die Möglichkeiten der Technik? Welche Bedarfe, Bedürfnisse und Wünsche soll eine attentive Technik erfüllen können? In welchen Bereichen ist eine solche Technik erwünscht und wo wird sie als überflüssig, störend oder sogar übergriffig angesehen? Dafür wird im Projekt an der fast schon erloschenen Debatte über Bildungsideale und -theorien wieder angeknüpft. Es werden aber auch Studien ausgewertet, in denen a) die spezifischen Anforderungen der NutzerInnen an Technik, b) die Bereiche, in denen technische Hilfsmittel gewünscht sind, sowie c) die Akzeptanz bereits eingesetzter Technologien untersucht wurden.
Im bewertenden Teil des Projektes wurden die identifizierten Trends und technischen Möglichkeiten hinsichtlich ihrer Potenziale zur Realisierung des erarbeiteten Leitkonzepts untersucht. Dabei wurde deutlich, dass mit der Technologieanalyse auch Aussagen darüber möglich sind, inwiefern durch Leitbilder und Leitkonzepte Elemente verantwortungsvoller Forschung und Innovation in technologische Entwicklungsprozesse einfließen können.
Bernd GIESE studierte an der RWTH-Aachen Biologie. Seit der Promotion verschob sich sein Arbeitsschwerpunkt in den letzten Jahren während der Tätigkeit am Zentrum für Innovationskompetenz der Universität Greifswald und seit 2011 am Fachgebiet für Technikgestaltung der Universität Bremen zunehmend in die Methodik- bzw. Technikanalyse. Im Fachgebiet Technikgestaltung ist er für biologisch-technisch orientierte Projekte (Synthetische Biologie) sowie Studien im Bereich der Mensch-Technik-Interaktionen zuständig.
Christian PADE studierte Umweltmanagement und beschäftigt sich vorrangig mit den meist sehr komplexen Fragestellungen der ökologischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Chancen und Risiken von Technologien vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft. In seiner wissenschaftlichen Tätigkeit am Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung in Berlin bearbeitete er vorrangig Projekte zu Chancen und Risiken der Nanotechnologien sowie eine Innovations- und Technikanalyse (ITA) zur Bionik. Seit 2009 forscht er an der Universität Bremen zu Methoden der Risikoabschätzung von Nanomaterialien und ist an einer ITA zur Synthetischen Biologie sowie der Entwicklung eines Leitkonzeptes für eine demografiegerechte Technikgestaltung beteiligt.
Arnim VON GLEICH leitet seit 2003 das Fachgebiet ‚Technikgestaltung und Technologieentwicklung‘ am Fachbereich Produktionstechnik der Universität Bremen. Nach dem Studium der Biologie und der Sozialwissenschaften promovierte er mit einer wissenschaftspolitischen Arbeit über die Stellung des Experiments im naturwissenschaftlichen Erkenntnisprozess und dessen Auswirkungen auf darauf aufbauende Technologien. Der Schwerpunkt seines Fachgebietes liegt in der nachhaltigen Gestaltung industrieller Systeme. Es verfügt über weit reichende Erfahrungen und Kenntnisse auf den Gebieten der Innovations- und Technikanalyse, der Risikobewertung, der ökologischen Bewertungsmethoden sowie der Technikgenese bzw. der leitbildorientierten Technikgestaltung.
Zum Weiterlesen empfohlen: Gleich, A. v. (2013): Prospektive Technikbewertung und Technikgestaltung zur Umsetzung des Vorsorgeprinzips. In G. Simonis (Hrsg.), Konzepte und Verfahren der Technikfolgenabschätzung (S. 51-73). Wiesbaden: Springer
Simone Ehrenberg-Silies, Diego Compagna, Sonja Kind, Oliver Schwetje & Marc Bovenschulte
Viele zentrale Themen der Technikfolgenabschätzung, z.B. aus dem Bereich der Biotechnologie, lassen sich nicht mehr im Sinn eines eindeutigen Für und Wider betrachten und in entsprechende politische Handlungsempfehlungen übersetzen. Ein gesellschaftlicher Grundkonsens als Substrat einer objektivierbaren übergeordneten Moralvorstellung fehlt als Folge des Verschwindens des transzendenten Überbaus aus Religionen oder Ideologien, an deren Stelle ein ausgeprägter gesellschaftlicher Pluralismus getreten ist. Wenngleich dieser Pluralismus Ausdruck einer durchaus demokratisch zu nennenden Diversifizierung von Leben und Sichtweisen ist, erschwert er gleichzeitig die Einigung auf gemeinsam getroffene Grundabsprachen. Umso mehr ist die Technikfolgenabschätzung geneigt, auf partizipative Verfahren auszuweichen, also die Dilemmata technologischer Entwicklungen im Sinn der Habermasʹschen Prozesslegitimität in einem herrschaftsfreien Diskurs zu beleuchten. Dies setzt zumindest voraus, dass in einem solchen Diskurs all diejenigen Akteure eingebunden werden, die von der zu bewertenden technologischen Entwicklung profitieren oder auch im negativen Fall „betroffen“ sein könnten. Betrachtet man die Reichweite technologischer Entwicklungen, wie sie z. B. mit der Energiewende einhergehen, scheint eine Abgrenzung und damit die Auswahl der relevanten gesellschaftlichen Akteure bzw. ihrer verbandlich organisierten Vertreter für einen partizipativen Prozess der Technikfolgenabschätzung schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Auch Bottom-up-Verfahren der Partizipation scheitern an den unterschiedlichen Mobilisierungspotenzialen gesellschaftlicher Gruppen. So stoßen auch Apologeten der direkten Demokratie auf Legitimierungsschwierigkeiten, wenn demoskopische Erhebungen regelmäßig zeigen, dass das Instrument des Bürgerentscheids im Wesentlichen von privilegierten Gruppen genutzt wird und diesen dann eben auch nützt (z. B. Volksentscheid Hamburg zu Schulformen).
Was bedeutet es nun für eine moderne Technikfolgenabschätzung, wenn diskursive und partizipative Verfahren notwendigerweise an Grenzen der Input-Legitimität stoßen? Sollte auf sie verzichtet werden und ist letztlich eine ausschließlich expertenbasierte Technikfolgenabschätzung die bessere Alternative? Die Autoren verneinen dies und stellen stattdessen in ihrem Paper zwei Thesen in Kombination mit methodischen Vorschlägen zur Diskussion, wie Nachteile konventioneller Partizipationsansätze überwunden werden können:
Erstens: Um einen sozialen Bias zugunsten privilegierter Gruppen zu verhindern, müssen partizipative Prozesse dort angesiedelt und durchgeführt werden, wo Menschen unterschiedlicher sozialer Gruppen zusammenkommen. Dies ist beispielsweise in Stadtteilen/Sozialräumen der Fall, deren gesellschaftliche Durchmischung recht hoch ist.
Zweitens: Um eine Schein-Legitimation partizipativer TA zu verhindern, bedarf es eines transparenten Umgangs mit den Prozessparametern an sich, in Form eines übergeordneten process assessments, welches Schwachstellen des Prozesses, beispielsweise hinsichtlich der Nicht-Beteiligung bestimmter Gruppen und Meinungsträger, expliziert und einschätzt, inwieweit dadurch Prozessergebnisse möglicherweise verzerrt sein könnten.
Simone EHRENBERG-SILIES koordiniert im Institut für Innovation und Technik das Themenfeld Technikfolgenforschung. Die Politikwissenschaftlerin leitet das Team der VDI/VDE-IT für das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag.
Diego COMPAGNA ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Berater im Bereich „Demografischer Wandel und Zukunftsforschung“ in der VDI/VDE-IT. Er gehört dem Team der VDI/VDE-IT für das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag an.
Sonja KIND ist Diplom-Biologin und promovierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlerin. Sie arbeitet seit Jahren als Evaluatorin in der Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik inklusive Ex-ante-Evaluation (Foresight).
Oliver SCHWETJE ist gelernter Flugtriebwerkmechaniker und Sozialwissenschaftler. Nach langjähriger Tätigkeit zu Foresight und Trendforschung in der Luftfahrt bearbeitet er nun im Rahmen des Horizon Scannings für das TAB ein breites thematisches Spektrum.
Marc BOVENSCHULTE ist Leiter des Bereichs „Demografischer Wandel und Zukunftsforschung“ in der VDI/VDE-IT und einer der drei Direktoren des Instituts für Innovation und Technik. Gemeinsam mit Simone Ehrenberg-Silies gibt er die „Future Log Files“ heraus.
Stefan Böschen & Simon Pfersdorf
In den vergangenen zwanzig Jahren wurde immer stärker auf die Bedeutung verwiesen, welche Rollen zivilgesellschaftliche Akteure bei der Governance von Forschung einnehmen können – und sollen (Epstein 1996; jüngst: Wehling/Viehöver 2013). Dieser Trend zur Partizipation zivilgesellschaftlicher Akteure hat in der Zwischenzeit eine hohe wissenschaftspolitische Bedeutung erlangen können, da diese in Forschungsprogrammen der EU nicht nur gegenwärtig erwünscht wird, sondern gerade auch in der Vorbereitung auf das Programm Horizon 2020 in allen Wissenschaftskontexten generalisiert werden soll. Partizipation ist Trumpf und wird als ein Kernelement des Leitprinzips einer Responsible Research and Innovation (RRI) angesehen. Erstaunlich an dieser Konjunktur ist sein kontrafaktischer Optimismus. Weisen nicht die Befunde der Partizipationsforschung gerade auf die Schwierigkeiten der Mobilisierung von Akteuren, der Generalisierung wie Prozessierung von Ergebnissen partizipativer Verfahren sowie deren Legitimierung hin? Sollen die Schwierigkeiten der Partizipation schlicht durch mehr Partizipation überwunden werden?
Diese Frage lässt sich nicht abstrakt beantworten. Vielmehr muss es darum gehen, die Formen und Wirkungsweisen einer partizipativen Governance von Forschung mit ihren Konsequenzen genauer zu verstehen. Unsere Ausgangsvermutung ist, dass durch zivilgesellschaftliche Partizipation die Frage der Verantwortung nicht direkt gelöst, sondern zunächst das Problem der Konstitution von Verantwortbarkeiten auf die Tagesordnung von Forschungsprojekten gehoben wird. Deshalb ist zunächst zu fragen, welche Praktiken der Konstitution von Verantwortbarkeit in partizipativen Forschungsprojekten sich konkret beobachten und in Formen differenzieren lassen. Die Verantwortbarkeit bemisst sich dabei an differenten, teils widersprüchlichen bzw. sich wechselseitig ausschließenden Kriterien, bei denen die der Autonomie (als ForscherIn, als Mitglied einer Community), der Legitimität, der Nützlichkeit oder Nebenfolgenarmut einen wesentlichen Kern darstellen. Und unsere These lautet, dass in Forschungsprojekten die Konstitution von Verantwortbarkeit zumeist durch Separation der Handlungssphären bewältigt, aber dadurch nicht notwendigerweise gelöst wird. Partizipative Forschungsgovernance läuft dann ins Leere und es bedarf deshalb einer genaueren Analyse der Voraussetzungen, unter denen RRI überhaupt realisiert werden kann.
Im Rahmen des Vortrags sollen Ergebnisse aus einem laufenden EU-Projekt (CONSIDER) vorgestellt werden, welches das Ausmaß und die Form der Governance-Wirkung zivilgesellschaftlicher Organisationen vor allem in FP-7-Projekten untersucht und mit ausgesuchten anderen Projektformen kontrastiert. Vor diesem Hintergrund werden wir kontrastierend zwei Gruppen von Forschungsprojekten vorstellen. Einerseits eine Gruppe von Forschungsprojekten, in denen es zu einer Begrenzung von Partizipation durch Separierung gekommen ist. In dieser Gruppe befinden sich u.a. ein Projekt eines risikopolitischen Beratungsprozesses oder eine modell-theoretische Entwicklung. Andererseits eine Gruppe von solchen Forschungsprojekten, in denen eine solche Separierung gerade nicht stattfindet. Darunter fällt ein so genanntes ‚Community-Based Research Projekt’‚ das sich in Amerika nach einer Umweltkatastrophe gebildet hat, aber auch eines der Partizipation zivilgesellschaftlicher Akteure in einem medizinbezogenen Innovationsprozess. In der Kontrastierung dieser beiden Gruppen zeigt sich eindringlich, dass der Partizipationsaspekt von RRI nicht einfach als Lösungsformel funktioniert. Vielmehr lenken die Befunde den Blick auf Differenzen von Forschungsprojekten, welche auch bei der Anwendung des Konzepts RRI zu berücksichtigen sind.
Die Separierung oder Integration verweisen auf jeweils spezifische Konstitutionsmuster von Verantwortlichkeit. Steuerndes Prinzip stellt die kollaborative Wissensproduktion dar. Steht diese im Zentrum, dann kann RRI ein hilfreiches Konstrukt darstellen, weil dadurch Abweichungen von den jeweils etablierten Routinen der beteiligten Gruppen gerechtfertigt werden können. Steht diese nicht im Zentrum, dann steht zu befürchten, dass RRI zu einer reinen Legitimations-Formel zu verkommen droht. Der Praxischeck des Prinzips RRI vollzieht sich mit der Frage, ob die distinkten Prozesse kollaborativer Wissensproduktion mit jeweils angepasstem Orientierungswissen versorgt werden können – oder nicht.
Stefan BÖSCHEN ist Senior Research Scientist im Forschungsbereich Wissensgesellschaft und Wissenspolitik am ITAS in Karlsruhe. Er hat Chemie-Ingenieurwesen studiert und in Soziologie promoviert und habilitiert. Schwerpunkte: Sozialwissenschaftliche Wissenschafts-, Technik-, Innovations- und Umweltforschung sowie TA.
Simon PFERSDORF ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich Wissensgesellschaft und Wissenspolitik am ITAS in Karlsruhe. Er promoviert gegenwärtig mit einer Arbeit über Wissenspolitiken der Nanotechnologie und ist Leiter des Forschungsprojekts CONSIDER.
Alfons Bora & Ulf Ortmann
„Industrie 4.0“ ist ein zentrales Konzept in der Forschungs- und Technologiepolitik. Dadurch, dass Werkstücke Informationen an Maschinen senden und diesen mitteilen, wie sie jeweils bearbeitet werden sollen, verspricht Industrie 4.0 eine effiziente und je nach Kundenwunsch flexible Massenproduktion. Dass mit dieser Revolution in der Industrie auch Umbrüche in der Industriearbeit bevor stehen, liegt auf der Hand: Die Hochschulen sind aufgefordert, integrierte Studiengänge aus Elektrotechnik, Informatik und Maschinenbau aufzubauen, damit – volkswirtschaftlich betrachtet – dem Fachkräftemangel begegnet werden kann und zugleich – betriebswirtschaftlich gesehen – Hochschulabsolventen den Anforderungen der Industrie 4.0 genügen. Denn mit den technischen Anlagen in den Betrieben ändern sich die Anforderungen an die Industriearbeit: Es gibt weniger Routinetätigkeiten und mehr Überwachungsaufgaben, die umfassende Entscheidungs- und Kommunikationskompetenzen erfordern, sowie die Aufgabe, intelligente technische Systeme zu entwickeln und in Arbeitsabläufe einzupassen. Diese Prognose wird von Promotoren der Industrie 4.0 gestellt.
Ob dieses Konzept sich dazu eignet, Technologien nachhaltig und verantwortlich zu implementieren und dabei vor allem auch Belegschaften am Prozess der technologischen Innovation zu beteiligen, steht auf dem Prüfstand – jetzt, zum Zeitpunkt der Einführung der Technik. Im Rahmen des BMBF-Spitzenclusters „Intelligente Technische Systeme Ostwestfalen-Lippe“ werden Industrie-4.0-Anlagen in Hochschulen und Industrieunternehmen gemeinsam entwickelt und in Industriebetrieben eingeführt. Um die Nachhaltigkeit und die soziale Tragfähigkeit der Technologie sicherzustellen, werden einzelne Technologieprojekte exemplarisch von Prozessen der Technikfolgenabschätzung begleitet. Deren Ziel ist es, erstens unter den Projektbeteiligten eine gemeinsame Vorstellung davon zu entwickeln, wie Industrie-4.0-Produktion im jeweiligen Betrieb aussehen soll. Zweitens geht es darum, unter den Beteiligten die Risiken des Projekts rechtzeitig abzuschätzen:
1) Gegenstand und Ziel der technischen Veränderung: Was genau Gegenstand der Veränderung ist, lohnt eine ausdrückliche Diskussion. Entwickler mögen unter dem Gegenstand die Maschine verstehen, für die Einrichter und die Arbeitsvorbereitung sind Arbeitsabläufe Gegenstand der Veränderung, für die Personalabteilung geht es um neue Qualifizierungsmaßnahmen, fürs Controlling um Kennzahlen. Gleiches gilt für das Ziel der Veränderung: Die einen lösen technische Probleme, die anderen stimmen Technik und Organisation aufeinander ab, wieder andere verbinden mit der neuen Maschine Arbeitserleichterung und höhere Arbeitszufriedenheit. Die erste Aufgabe von Technikfolgenabschätzung im Industriebetrieb besteht darin, ein gemeinsames Leitbild für Arbeit, Technik und Zusammenarbeit von Mensch und Maschine zu entwickeln. Kurz: Was bedeutet Industrie 4.0 für unser Unternehmen?
2) Risiken und unbeabsichtigte Folgen des Projekts: Insbesondere bei der Sicherheit intelligenter Maschinen und bei der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine deutet sich an, dass Nebenfolgen der Technik möglichst früh berücksichtigt werden müssen. Bei der Gestaltung von intelligenten Maschinen und Arbeitsabläufen ist zu berücksichtigen, dass technische Prozesse – wie automatisch sie auch ablaufen – überwacht werden müssen; dass es sinnvoll sein kann, wenn Menschen das letzte Wort haben; dass die Anwender der Technik möglichst bald die geforderte Qualifikation und Erfahrung erwerben; dass der Betrieb bei (kleinen) technischen Störungen weiterlaufen soll; und dass der Betrieb auch bei (kleinen) menschlichen Fehlern weiterlaufen soll. Sicherheitsrisiken sind darüber hinaus Nebenfolgen, die in der Industrie 4.0 als Dauerprobleme bearbeitet werden müssen: Sind die Netze des Unternehmens ausreichend vor Industriespionage und Sabotageangriffen geschützt? Ist sichergestellt, dass die Netze, auf die intelligente Maschinen zugreifen, auch zuverlässig funktionieren? Kann der Betrieb aufrechterhalten werden, wenn das Netz ausfällt? Und sind die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter und der Datenschutz gewährleistet?
Diese Technikfolgen können durchaus von bildungs-, forschungs- und außenpolitischem Ausmaß sein. Gleichzeitig sind sie Gegenstand von betriebspolitischen Entscheidungen und Maßnahmen. Dass diese Technikfolgen frühzeitig erkannt und unter den Projektbeteiligten zum Gegenstand einer gemeinsamen Diskussion gemacht werden, dafür trägt im Rahmen des BMBF-Spitzenclusters die Nachhaltigkeitsmaßnahme zur Technikfolgenabschätzung Sorge.
In unserem Beitrag werden wir den Bezug des TA-Projekts zur verantwortlichen Innovation im Unternehmen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Coporate Social Responsibility darstellen und auf die Möglichkeiten und Grenzen der methodischen Umsetzung eingehen.
Alfons BORA, Soziologe und Jurist, ist Professor für Soziologie an der Universität Bielefeld. Seine Forschungsschwerpunkte sind Rechts- und Regulierungssoziologie, insbesondere Wissenschafts- und Technikregulierung (Technology Assessment). Publikationen: Die Wissenschaftsfreiheit im Spiegel der Öffentlichkeit. In: Voigt, Friedemann (Hg.): Freiheit der Wissenschaft. Beiträge zu ihrer Bedeutung, Normativität und Funktion. Berlin/Boston: de Gruyter 2012, 9-36.
Ulf ORTMANN, Soziologe, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bielefeld. Seine Forschungsschwerpunkte sind Arbeits- und Industriesoziologie sowie Wissenschafts- und Technikforschung. Wichtige Publikation: Arbeiten mit RFID. Zum praktischen Umgang mit unsichtbaren Assistenten. Berlin: Edition Sigma 2014
Katrin Gerlinger
Das pharmakologische Innovationssystem der Industrieländer bringt hochspezifische Therapeutika hervor, durch die z.B. Überlebensraten bei Krebs kontinuierlich steigen oder HIV-Infektionen von tödlichen zu behandelbaren chronischen Krankheiten geworden sind. Erhebliche Forschungs- und Entwicklungs (FuE)-Anstrengungen sind unabdingbar und Voraussetzung, um ein neues Medikament auf den Markt zu bringen. In der westlichen Welt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein weitgehend patentbasiertes, kommerzialisiertes Innovationssystem durchgesetzt, das zwar auf öffentlich finanzierter Grundlagenforschung aufbaut, aber kostenintensive und risikoreiche FuE-Anstrengungen internalisieren und über zeitlich begrenzte, patentgesicherte Monopolpreise refinanzieren kann. Auch die Kosten des Zulassungsverfahrens und weitere Aktivitäten nach der Zulassung sind internalisiert. Entsprechend hoch sind die patentgeschützten Produktpreise; Herstellungskosten sind oft nur noch ein kleiner Anteil. Ein Prozess ist entstanden, der kontinuierlich erhebliche Mittel für weitere Forschung und Entwicklung zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation intern bereitstellen kann.
Ein Beispiel für gesellschaftlich nützliche Forschung und deren nachhaltige Finanzierung und Responsible Innovation? - nur wenn alle gesundheitlichen Probleme und Krankheiten auf diese Weise gut erforscht und bekämpft werden könnten. Die Realität sieht etwas anders aus. Denn die für eine Produktzulassung erforderliche FuE ist für alle medizinischen Anwendungsfelder kostenintensiv und auch Monopolpreise können nicht ins Unermessliche gesteigert werden. Die Folge ist eine Fokussierung auf die lukrativsten Marktbereiche, die mit einer Vernachlässigung anderer Bereiche einhergeht. Beispiele für Letzteres waren lange Zeit (sehr) seltene Krankheiten und sind nach wie vor Krankheiten, die vorrangig in den ärmsten Ländern der Erde auftreten. Der hohe Aufwand zur Entwicklung von Behandlungsmethoden kann auch mit Monopolpreisen nicht refinanziert werden – das Marktversagen erfordert zusätzliche Anreizmechanismen.
Verantwortliche Forschungs- und Innovationspolitik muss sich dieser Thematik widmen. Während bei den (sehr) seltenen Krankheiten seit einigen Jahren etablierte Sonderregularien Wirkung zeigen (sogenannte "orphan drug" Verfahren), wird bei den vernachlässigten tropischen Krankheiten nach wie vor kontrovers diskutiert, welche innovationspolitischen Maßnahmen die derzeitige Situation am effektivsten verbessern. Diverse global agierende Gesundheitsinitiativen und Aktionsbündnisse sind entstanden, Philanthropen haben sich des Themas angenommen und Schwellenländer nutzen ihre Möglichkeiten zunehmend besser aus, die Folgen des patentbasierten Innovationssystems für den Gesundheitsbereich des globalen Südens zu begrenzen. Langjährige hierarchische Strukturen mit der WHO an der Spitze werden durch ein Netzwerk vielfältiger Akteure erweitert. Das Engagement ist erheblich gestiegen, die Situation ist zunehmend schwer zu überblicken, aber das Problem ist nach wie vor nicht gelöst.
Im Deutschen Bundestag herrscht über alle Fraktionen hinweg weitgehende Einigkeit, dass in Anbetracht der Bedeutung des Pharmastandorts Deutschland und im Sinne von "Responsible Research and Innovation" ein größeres nationales Engagement angestrebt werden sollte. Doch Dissens besteht, mit welchen Maßnahmen man am ehesten eine Verbesserung der Situation erreicht kann. Vor diesem Hintergrund wurde das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) mit einem Projekt "Medikamente für Afrika – Maßnahmen zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation" beauftragt. Die TA-Studie wird einen Überblick über die momentan relevantesten Global-Health-Akteure und deren Initiativen zur Stärkung der FuE-Aktivitäten geben. Auch werden unterschiedliche, derzeit diskutierte zusätzliche/alternative (Anreiz-)Mechanismen für den pharmakologischen Innovationsprozess (z.B. Zugang zu Substanzbibliotheken, Patentpools, sozialverträgliche Lizenzen, Prioritätsgutscheine in Zulassungsverfahren, Produktabnahmegarantien, Erweiterung der Forschungsförderung, die auch Produktentwicklungspartnerschaften einschließt) vorgestellt. Eine Potenzialanalyse wird herausarbeiten, in welchen Teilbereichen armutsassoziierter, vernachlässigter Krankheiten sich deutsche FuE-Akteure bereits engagieren und gegebenen-falls einen größeren Beitrag leisten könnten.
Dr. Katrin GERLINGER ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). Fachliche Schwerpunkte sind Gesundheit und Entwicklungszusammenarbeit. Sie leitet gegenwärtig das TA-Projekt "Medikamente für Afrika: Maßnahmen zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation". Weitere Publikationen u.a. zu Gendoping, behinderungskompensierende Technologien, Neuroenhancement.
Bernd Carsten Stahl
Der Diskurs zu Responsible Research and Innovation (RRI) beherrscht die europäische Forschungslandschaft, spätestens seit klar ist, dass das Budget des Rahmenprogramms Horizon 2020 €460m für Science with and for Society vorsieht und dass weiter 0.5% der thematischen Förderung auf RRI verwendet werden sollen. Aber auch in nationalen Förderprogrammen kann man verstärkt Hinweise auf die wachsende Relevanz von RRI sehen, so z.B. im niederländischen NWO Programm MVI oder im britischen Engineering and Physical Science Research Council (EPSRC), das vor kurzem ein Framework for Responsible Innovation veröffentlicht hat.
Die Diskussion zum Thema RRI hat eine Reihe von Definitionen hervorgebracht, die bezüglich einer Reihe von Charakteristika übereinstimmen. Dazu gehören das Interesse an Prozessen sowie Produkten von Forschung und Innovation. Diese werden daraufhin untersucht, ob sie akzeptabel und erwünscht sind (Von Schomberg 2013).
Der Diskurs zum Thema RRI basiert auf einer Reihe von älteren Diskursen, die die Frage behandeln, ob und wie Forschung und Entwicklung weiteren sozialen Zielen verpflichtet werden können. Dazu gehören Diskussionen um Technikfolgenabschätzung und -bewertung sowie andere Diskurse zur Forschungsgovernance, Technikethik usw.
Aufgrund der Vielzahl von bereits existierenden Positionen und Methoden in diesem Bereich schlagen wir vor, dass RRI als eine Meta-Verantwortung (Stahl 2004) gedacht werden kann, die existierende Verantwortungsbeziehungen ihrerseits in Beziehung setzt und aufeinander abstimmt, um erwünschte soziale Ziele zu erreichen. Diese Meta-Verantwortung kann beschrieben werden als Raum, der von drei Achsen aufgespannt wird: Akteure, Aktivitäten und Normen (Eden et al. 2013; Stahl 2013).
Zu den Akteuren zählen Wissenschaftler und Forschungsmanager, Politiker sowie Universitäten, Forschungseinrichtungen und forschungsrelevante NGOs. Zu den Aktivitäten zählen die Bewertung von Forschungsprozessen, z.B. Risikomanagement und TA. Akteure und Aktivitäten sind verschiedenen Normen verpflichtet. Diese Normen können international anerkannte Konventionen sein, so wie die Menschenrechte in den Interpretationen von UN oder EU; sie können sich auf die philosophische Ethik berufen.
RRI als Meta-Verantwortung muss in der Lage sein, die verschiedenen Akteure, Aktivitäten und Normen aufeinander abzustimmen. Die Kernfrage in meinem Beitrag lautet: Wie lassen sich Prinzipien von RRI in der Industrie umsetzen? Diese Fragestellung basiert auf der Erkenntnis, dass sich die Diskussion um RRI vor allem auf öffentlich finanzierte Forschung konzentriert – gerade im Hinblick auf Horizon 2020.
Jedoch: Der Großteil aller Forschung und insbesondere aller marktorientierten Innovation geht in der Privatwirtschaft vor sich. Wenn RRI gesellschaftlich relevant werden soll, dann ist es also von großer Bedeutung, dass der privatwirtschaftliche Bereich mit einbezogen wird.
Das EU Responsible-Industry Projekt zielt daher explizit darauf ab zu verstehen, inwieweit der RRI-Diskurs in industriellen Kontexten aufgenommen wird und wie er umgesetzt werden kann. Das generelle Ziel des Projekts ist es, einen Plan für eine mögliche Kooperation verschiedener Akteure in der Industrie zu entwickeln, um industrielle Forschungs- und Innovationsprozesse durch RRI zu beeinflussen. Das Projekt fokussiert dabei auf Informations- und Kommunikationstechnologien, insbesondere deren Einsatz im Rahmen von Gesundheit und demographischer Entwicklung.
Dieses Projekt will Diskussionen zwischen führenden Partnern in Industrie, Politik und Zivilgesellschaft ermöglichen. Im Beitrag werden die Aktivitäten im Rahmen des Projekts dargestellt (u.a. Literaturrecherche, Delphistudie). Im Zentrum steht die Entwicklung und das Testen eines Plans zur Berücksichtigung von RRI in der Industrie unter Einbeziehung von Stakeholdern.
Bernd Carsten STAHL is Professor of Critical Research in Technology and Director the Centre for Computing and Social Responsibility at De Montfort University, Leicester, UK. His interests cover philosophical issues arising from the intersections of business, technology, and information. This includes ethical questions of current and emerging of ICTs, critical approaches to information systems and issues related to responsible research and innovation.
Ilse Marschalek, Katharina Handler & Margit Hofer
Ziel des RRI Tools Projekts ist es, ein europaweit akzeptiertes Verständnis zu erarbeiten, was verantwortungsvolle Forschung und Innovation ausmacht und Möglichkeiten zu identifizieren, mit denen eine verantwortungsvolle Forschung umgesetzt werden kann. Die partizipative Einbindung von unterschiedlichen Stakeholdergruppen ist dabei unerlässlich: Akteure der Forschungs- und Innovationswertschöpfungskette, einschließlich der Wissenschaft, Industrie, Zivilgesellschaft und Bildungsträger. Insbesondere sind politische Entscheidungsträger für dieses Vorhaben von Relevanz, um die Lenkung und politische Steuerung des Forschungs- und Innovationsprozesses zu unterstützen.
Mit diesen unterschiedlichen Stakeholdergruppen wird zunächst an einem gemeinsamen Verständnis des Begriffs und einer Definition gearbeitet, die die Grundlage aller weiteren Aktivitäten und Produkte (Tools) bildet.
Aufbauend auf dieses gemeinsame Verständnis, entwickelt das RRI Tools Projekt Methoden und Materialien, um über das Thema der verantwortungsbewussten Forschung und Innovation zu informieren, als auch zur Diskussion anzustoßen und - nach entsprechender Adaptierung - die erstellten Materialien und Hilfsmittel zu verbreiten.
Sogenannte „Länder-Hubs“ spielen dabei eine essentielle Rolle. Im Projekt beteiligt sind 20 lokale KoordinatorInnen, die in 32 Ländern den Kontakt zu den Stakeholdern organisieren. Die Hubs geben kontinuierlich Rückmeldung zur Konzepterarbeitung und zu den Methoden und Materialien. Sie organisieren sowohl Informationsveranstaltungen als auch Konsultations-Workshops, und später Trainings und Disseminierungsveranstaltungen mit den Projektmethoden und Tools.
Die Hubs dienen somit als Multiplikationsplattformen für die drei Kommunikationssphären des Projektes: Beginnend mit dem Projektkonsortium, das bereits verschiedene Stakeholdergruppen und Expertisen in den verschiedenen RRI-Dimensionen repräsentiert, über die erweiterten Gruppen der Länder-Hubs, bis hin zu einer europaweiten Community of Practise.
Das RRI Tools Projekt setzt dabei auf unterschiedliche Methoden. Eine davon ist die Organisation von Konsultations- und Reflexions-Workshops. Neben den ersten projektinternen Workshops wird zum Beispiel im Zuge der ECSITE Konferenz ein Workshop organisiert mit dem Ziel einer kritischen Reflexion von Stakeholderinvolvierung in der Forschungswelt. Dabei werden präsentierte Projekte anhand einer vorläufigen Liste von Schlüsselelementen diskutiert. Die Reflexion der eigenen Erfahrungen von Stakeholderinvolvierung inklusive Verbesserungsmöglichkeiten soll zu einer Strategie führen, das RRI-Konzept in der Forschung und Innovation verstärkt zu etablieren.
ExpertInneninterviews, Literaturrecherche und E-Mail Befragungen ergänzen diese kritische Erhebung des State-of-the-Art, die zu einem besseren Verständnis des Konzeptes, seiner Potentiale und Limitationen beitragen soll. Erste Ergebnisse aus den Workshops und Befragungen werden bei der ITA-Tagung präsentiert.
Ilse MARSCHALEK: Studium der Soziologie Universität Wien und Klagenfurt, Studium Integrale IFF. Seit 1999 europäische und internationale Forschungsprojekte an der Schnittstelle von (technischer) Innovation und Gesellschaft. Themenschwerpunkte: Inter- und transdisziplinäre Kommunikation, Partizipation, Aktionsforschung, Marginalisierung und Inklusionsforschung, technikunterstütztes Lernen, Wissenschaftskommunikation.
Referenzprojekte: NANOYOU, NANOCHANNELS, NANOPINION – Wissenschaftskommunikation Nanotechnologien; ComeIn - Studie zum Thema soziale Inklusion von marginalisierten Jugendlichen mithilfe von mobilen online communities.
Referenzpublikationen: Marschalek,Ilse, Moser, P., & Strasser, M. (2013). Young people and nanotechnologies. In: Motivation - The Gender Perspective of Young People’s Images of Science, Engineering and Technology (SET) (pp. 115–127). Budrich UniPress. // Marschalek, i. (2011). Beteiligung von Migrantinnen - Mär oder Möglichkeit. Die Einbeziehung von Frauen mit Migrationshintergrund in partizipativer Forschung. Zukunft der Öffentlichkeitsbeteiligung. Chancen. Grenzen. Herausforderungen. (pp. 171–179). ÖGUT, Lebensministerium. Retrieved from http://www.partizipation.at/fileadmin/media_data/Downloads/Zukunftsdiskurse-Studien/zukunft-der-oeffentlichkeitsbeteiligung.pdf
Katharina HÄNDLER: Mag. Phil. Studium der Soziologie an der Universität Wien; Postgraduate-Lehrgang SOQUA Sozialwissenschaftliche Berufsqualifizierung. Seit 2008 wissenschaftliche Mitarbeiterin am ZSI, seit 2011 Projektleiterin. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in der Umsetzung und Evaluation von Projekten in den Bereichen Partizipation, soziale Inklusion, Wissenschaftskommunikation. Sie hat Erfahrung mit qualitativen, quantitativen und partizipativen Methoden.
Referenzprojekte: NANOYOU (2009 - 2011), Nanochannels (2011 – 2012), NanOpinion (2012 – 2014).
Referenzpublikationen: Brandstetter, Regina/ Handler, Katharina 2011: BürgerInnen am Wort: Partizipation am Beispiel „BürgerInnenkonferenzen“, in: Zentrum für Soziale Innovation, ZSI (Hg.): Pendeln zwischen Wissenschaft und Praxis. ZSI – Beiträge zu sozialen Innovation. Münster – Berlin – Wien – Zürich – London
Margit HOFER ist promovierte Erziehungswissenschaftlerin am ZSI mit langjähriger Forschungspraxis im Bereich technologische Innovationen im Bildungsbereich. Ihr Arbeitsbereich umfasst die partizipative Implementierung unterschiedlicher technischer Innovationen im Bildungsbereich und deren Evaluation. In dieser Funktion ist sie auch beratend beim österreichischen Bundesministeriums für Bildung und Frauen tätig
Marc Mölders
Das forschungspolitische Programm „Responsible Research and Innovation“ (RRI) ist für die Technikfolgenabschätzung (TA) ein willkommener Impuls, schließlich teilen sie die Gestaltungsabsicht, „[t]echnische Innovationen […] an partizipativ entwickelten Leitvisionen einer gesellschaftlich wünschbaren Zukunft [zu] orientieren.“
Bei komplexen Themen – synthetische Biologie oder Neurowissenschaften, auf die der Call hinweist –, ist kaum zu er-warten, dass es hierzu in der Öffentlichkeit Vorstellungen wünschbarer Zukünfte bereits gibt. Solchen Leitvisionen müsste zunächst ein öffentliches Interesse vorausgehen. Bevor an praktische Umsetzungen von RRI zu denken ist, ist zu fragen: Wie weckt man öffentliches Interesse an komplexen Themen?
Für die TA ist dies ein längst bekanntes Problem. Sie löst dies über partizipative Verfahren, in deren Verlauf eine zuvor im o.a. Sinne uninteressierte Öffentlichkeit befähigt werden soll, an der Entwicklung von Leitvisionen o.ä. teilzuhaben. An solchen Partizipationsverfahren ist u.a. kritisiert worden, sie seien nicht in der Lage, über die an ihnen Beteiligten hinaus öffentliches Interesse an komplexen Themen auszulösen. Alexander Bogner (2012) weist unter dem Stichwort der lab participation darauf hin, dass einige dieser Verfahren insofern Züge eines Laborexperiments trügen, als sie nach strikt kontrollierten Bedingungen organisiert und so gegenüber öffentlich ausgetragenen Kontroversen abgeschlossen seien.
Diese Kritik kann man zum Anlass nehmen, über funktionale Äquivalente nachzudenken. Der Vortrag stellt dazu die Praxis von ProPublica vor, einer US-amerikanischen Investigativ-Journalismus Redaktion. Einerseits versucht sie, wie jede sich als investigativ auffassende Organisation, durch veröffentlichte Enthüllungen von Missständen Entscheidungsträger zum Umlenken anzuhalten. Andererseits versteht sie es zudem als ihren Auftrag, im Rahmen ihrer Recherchen zu komplexen Themen Öffentlichkeit überhaupt erst herzustellen (ein gut dokumentierter Fall ist etwa das „Hydraulic Fracturu-ing“). Zu diesem Zwecke produziert ProPublica Songs, Videos oder auch Comics. Zweifelsohne lässt sich auf diesem Wege öffentliches Interesse wecken. Was aber kann TA möglicherweise von dieser Praxis lernen?
Im Allgemeinen kann die TA über public engagement jenseits von Verfahren nachdenken. Im Besonderen könnte das Ansprechen unterschiedlicher Publika mit unterschiedlichen Formaten nachahmenswert sein. ProPublica lässt Broadway-Stücke oder auch HipHop-Videos komponieren, von denen anzunehmen ist, dass diese unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen ansprechen. Was könnten TA-Pendants zu diesen Formaten sein? Welche Zielgruppen sollen überhaupt erreicht werden? Auch in der Organisation von Partizipationsverfahren stellt sich stets die Frage, welche Öffentlichkeitsvertreter beteiligt werden sollen.
Das Wecken öffentlichen Interesses kann aber nur eine Seite sein; es muss zudem darum gehen, einmal gewecktes Interesse an komplexen Themen aufrechtzuerhalten. Bei ProPublica sollen Unterhaltungsformate zu ihren Recherchen und „Tools & Data“ führen; von dort aus soll eigene Meinungsbildung ermöglicht werden. (Stets durch das gerahmt, was ProPublica selbst für meinungsbildend hält.) An Tools & Data mangelt es der TA keinesfalls. Es muss also um den Weg gehen, der dorthin führt: Wie kann TA zu ihren reichhaltigen Informationsangeboten „verlinken“? Welche Strategien gibt es schon?
Der Foresight-Ansatz etwa schlägt vor, „up-to-date attention-grabbing communication tools: coupling qualitative and quantitative information, graphics, YouTube-like videos and other multi-media materials, creative networks, open communities, theatre play, gaming, ambience design, and virtual reality“ einzusetzen (Da Costa et al. 2008: 16). Diese Tools richten sich aber an politische Entscheidungsträger mit einer konkreten Adresse, über die eine diffuse Öffentlichkeit nicht verfügt.
Angesichts des ungeklärten Erfolgsgeheimnisses „viraler Videos“ stellt sich die Frage, ob die Verbreitung und Verstetigung eines derart ausgelösten Interesses überhaupt planbar ist. Der vorgeschlagene Vortrag will bei aller berechtigten Planungsskepsis versuchen, konstruktive Herangehensweisen zu skizzieren. Hierzu bietet sich etwa die nur vordergründig triviale These der Medienjournalistin Ursula Ganz-Blättler zu Erfolgsmustern viraler Videos an, „dass Unterhaltung dann am besten funktioniert, wenn sie auf bestehenden Unterhaltungen aufbaut“. Auf die TA bezogen könnte das bedeuten, ihre Angebote zur Aufmerksamkeitsgenerierung an für ausgewählte Zielgruppen anschlussfähige Motive zu binden.
Marc MÖLDERS: Studium der Soziologie in Bonn, Bielefeld und Edinburgh (Science & Technology Studies); 2010 Promotion mit einer Arbeit zur soziologischen Lerntheorie, danach Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Techniksoziologie der TU Dortmund und in einem TA-Projekt zur sozialverträglichen Technikgestaltung (BMBF-Spitzencluster Intelligente Technische Systeme OstWestfalenLippe). Seit 01/2014 Akademischer Rat (auf Zeit) im Arbeitsbereich XI (Recht und Gesellschaft) der Fakultät für Soziologie, Universität Bielefeld. Forschungsschwerpunkte: Rechtssoziologie, Wissenschafts- und Technikforschung, vor allem: Wie sind Veränderungen in eigensinnigen Systemen auszulösen? Welche Rolle kommt der Öffentlichkeit hierbei zu?
Wichtigste Publikationen: (2014) Irritation expertise. Recipient design as instrument for strategic reasoning. In: European Journal of Futures Rese-arch 2 (1), 32. // (2013) Kluge Kombinationen. Zur Wiederaufnahme system-theoretischer Steuerungskonzepte im Governance-Zeitalter. In: Zeitschrift für Rechtssoziologie 33 (1/2), 5-30.
Richard Beecroft & Jan C. Schmidt
Das Leitbild „Responsible Research and Innovation“ (EC 2013) fordert einen umfangreicheren Einbezug von ethischer Reflexion und normativen Setzungen bereits in frühesten Phasen der Wissenschafts- und Technikentwicklung – eine Rolle, die perfekt zugeschnitten scheint für die Technikfolgenabschätzung (Liebert/Schmidt 2010).
Dies eröffnet ihr Gestaltungsmöglichkeiten im frühen Wissenschafts- und Technikentwicklungsprozess, wobei die Zukunft den Reflexionshorizont darstellt. Eine starke Zukunftsorientierung ist in der Praxis der TA bereits etabliert, einerseits durch die systematische Erhebung und Analyse potenzieller Folgen, andererseits durch die Integration unterschiedlicher Folgen und Annahmen über sozio-technische Rahmenbedingungen zu konsistenten Szenarien. Ebenso hat die TA eine Tradition der kritisch-konstruktiven Einbindung technikethischer Reflexion. Um einen Beitrag zur RRI leisten zu können, ist es nötig, diese beiden Qualitäten der TA-Forschung enger zu verzahnen.
Mit der Methode des „Scenario Mapping“ stellen wir einen neuen Ansatz zur Verfügung, um ethische Reflexion und normative Setzungen strukturell in der Beschäftigung mit Zukunft zu integrieren – und das in frühen Phasen der Wissenschafts- und Technikentwicklung. Hierzu wird eine in der TA wohletablierte Methode zur Analyse möglicher Zukünfte, die Szenariomethode (Bishop et al. 2007; Alcamo 2008; Beecroft/Schmidt 2012), mit einer Methode der neueren pragmatischen Ethik, dem „Argument Mapping“ (Hoffmann/Borenstein 2013) verbunden, das ethische Argumentationen visualisiert und so transparenter, anschlussfähiger und zugänglicher macht.
Indem die Szenariomethode in ihrer klassischen Form systemanalytisch vorgeht und komplexe faktische Systemzusammenhänge und deren mögliche Dynamiken untersucht, vernachlässigt sie normative Annahmen und Aussagen sowie deren Zukunftsbezug. Das „Scenario Mapping“ verwendet daher anstelle einer Systemmodellierung eine adaptierte „Argument Map“, die faktische und normative, gegenwarts- und zukunftsbezogene (hypothetische) Aussagen verbinden und gemeinsam visualisieren kann. Methodologisch ist das „Scenario Mapping“ dazu geeignet
1) bestehende normative und faktische Aussagen aus unterschiedlichen Diskursen zu systematisieren und aufeinander zu beziehen;
2) eigene normative Annahmen und Aussagen transparent mit einzubeziehen und begründete Urteile darzustellen;
3) die Auswahl relevanter Szenarien zu begründen und deren Bedeutung für die zugrundeliegende Fragestellung zu beurteilen.
Am Beispiel der Pflegerobotik wird erläutert, wie unterschiedliche Typen von Aussagen zu einer „Scenario Map“ zusammengeführt werden können. Dabei wird insbesondere der Zeitbezug der Aussagen berücksichtigt. Am Beispiel lässt sich erkennen, das erst in der transparenten logischen Verknüpfung von normativen und faktischen Aussagen relevante Szenarien identifiziert, ausbuchstabiert und übergreifende Schlüsse aus ihnen gezogen werden können.
Der Beitrag ist in vier Teile gegliedert: Im ersten werden die Herausforderungen der EU-RRI-Programmatik für die TA sondiert. Es wird gezeigt, dass die TA im Prinzip geeignet ist, diese Herausforderungen aufzunehmen. Allerdings ist, wie im zweiten Teil dargelegt wird, TA weiterzuentwickeln, um den ethisch-normativen und diskursiven Herausforderungen der RRI-Programmatik gerecht zu werden. Eine Option zur Weiterentwicklung der TA im Hinblick auf die RRI-Programmatik (und die Vermittlung faktischer, normativer und hypothetischer Aussagen) stellt die „Scenario Mapping“-Methode dar, wie im dritten Teil gezeigt wird. Der abschließende vierte Teil illustriert am Beispiel der Pflegerobotik die Leistungsfähigkeit der Methode. So kann gezeigt werden, dass das „Scenario Mapping“ – entwickelt im Horizont der TA – zur methodologischen Operationalisierung der EU-RRI-Programmatik beitragen kann.
Richard BEECROFT (Dipl.-Ing.) ist Geschäftsführer der „Karlsruher Schule der Nachhaltigkeit“ am Karlsruher Institut für Technologie und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Darmstadt. Er arbeitet zu Theorie, Methodologie und Didaktik der Technikfolgenabschätzung, sowohl in der Forschung wie in der Entwicklung transdisziplinärer, forschungsorientierter Lehrprogramme. R. Beecroft hat an der TU Darmstadt Materialwissenschaft, Pädagogik und Philosophie studiert.
Jan C. SCHMIDT (Prof., Dr. rer. nat.) ist Professor für Wissenschafts- und Technikphilosophie an der Hochschule Darmstadt. Er ist Physiker und Philosoph. Schmidt hat an der TU Darmstadt, dem Georgia Tech sowie der Universität Jena gelehrt. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Theorie und Geschichte der Wissenschaften, der Angewandten Ethik, der Technikfolgenabschätzung sowie der Konzepte der Inter- und Transdisziplinarität.
Regine Kollek
Biomedizinische Innovationen bilden einen wichtigen Fokus in der Debatte um eine verantwortliche Wissenschafts- und Technikentwicklung. Der rasante Fortschritt in diesem Bereich provoziert immer wieder die Frage, ob alles getan werden soll, was technisch möglich ist, oder ob der Entwicklung in bestimmten Fällen oder Feldern normative Grenzen gesetzt werden sollen. Zu den einschlägigen Forschungsbereichen gehören die Stammzellforschung, das Klonen, die regenerative Medizin, die Hirnforschung, die Neurotechniken oder auch die genetische Diagnostik, und hier insbesondere die pränatale und präimplantive Diagnostik. Hinzu kommen die Verfahren und Methoden zur Erforschung (genetischer Grundlagen) komplexer Erkrankungen und die genetische Epidemiologie, die beide konstitutiv auf die Sammlung, Speicherung, Prozessierung und Auswertung massiver Datenmengen angewiesen sind.
Eine mittlerweile sehr ausdifferenzierte Forschung befasst sich mit den sozialen, ökonomischen, ethischen und rechtlichen Implikationen der biomedizinischen Forschung und der Implementation entsprechender Techniken und Verfahren in die klinische Praxis. Ihre Schwerpunkte sind unter anderem die materiellen Voraussetzungen für die Entwicklung neuen Wissens oder neuer therapeutischer Verfahren (z.B. die Nutzung von menschlichen Embryonen zur Erzeugung von Stammzellen), die individuelle Entscheidungsfreiheit der Patienten, oder die Frage, in welchem Verhältnis diese Techniken oder Verfahren zu etablierten oder neu zu formulierenden ethischen Prinzipien oder Maximen stehen.
Der Aspekt der Verantwortung scheint darin allerdings keinen klaren Platz zu haben. Dies mag unter anderem daran liegen – so die These –, dass der modernen translationalen Forschung im Bereich der Biomedizin nicht nur das ethische Subjekt abhandengekommen ist, sondern darüber hinaus auch ganz und gar unklar ist, wofür denn Verantwortung getragen werden soll und vor wem sich diese Forschung zu rechtfertigen hat. Denn bei biomedizinischen Entwicklungen handelt es sich zum einen um ein kollektives, inter- und transdisziplinäres Unternehmen, bei dem einzelne Verantwortungssubjekte kaum noch identifizierbar sind. Zweitens geht es um technowissenschaftliche Innovationen, bei denen eine Trennung von Erkenntnisinteresse und technischer Entwicklung nur analytisch, in der Praxis jedoch kaum noch möglich ist. Und drittens wird auch die Orientierung an klaren normativen Vorgaben oder Institutionen schwierig, wenn beispielsweise im Rahmen von Biobankforschung oder genetischer Epidemiologie die Grenze zwischen Forschung und klinischer Praxis verwischt und damit die Bedingungen für die Möglichkeit der Zuschreibung klarer professioneller Zuständigkeiten grundlegend verändert werden.
Darüber hinaus wird zunehmend unklar, wer denn neues Wissen produziert und wer für dessen Legitimierung zuständig und verantwortlich ist. Diese erfolgt nicht mehr nur innerhalb der Wissenschaft sondern im Rahmen von Aushandlungsprozessen zwischen Akteuren ganz unterschiedlicher Provenienz, normativer Bindung, Interessenslage und Zielorientierung. Klassische Modelle der individuellen Verantwortungszuschreibung greifen hier kaum noch. Die Grenzen zwischen wissenschaftlichem Erprobungshandeln und Anwendung, also zwischen Forschung und klinischer Versorgung verschwimmen. Schließlich drohen auch die etablierten Verfahren und Kriterien für die klinische Validierung neuer Wissensbestände oder therapeutischer Verfahren obsolet zu werden, wenn nicht der klinische Effekt und gesundheitliche Gewinn der Patienten der Maßstab ihres Einsatzes ist, sondern die technische Machbarkeit einer Anwendung mit ihrer Wünschbarkeit und Legitimität gleich gesetzt wird. Dies zeichnet sich insbesondere in einigen der innovativsten biomedizinischen Entwicklungsbereichen ab, wie beispielsweise in der individualisierten oder der sogenannten P4-Medizin (prädiktiv, präventiv, personalisiert, partizipatorisch).
Vor diesem Hintergrund geht der Vortrag der Frage nach, was „verantwortliche Innovation“ im Kontext der biomedizinischen Forschung und ihrer Implementation im Rahmen der translationalen Forschung heute heißen kann. Dabei werden zum einen die besonderen Charakteristika biomedizinischer Forschung und translationaler Forschung reflektiert. Zum anderen wird diskutiert, welche Konsequenzen diese Entwicklungen für die Technikfolgenabschätzung und -bewertung haben können.
Regine KOLLEK: Dipl. Biologin, Dr. rer nat. Professorin für Technologiefolgenabschätzung der modernen Biotechnologie in der Medizin im Forschungsschwerpunkt Biotechnik, Gesellschaft und Umwelt der Universität Hamburg. Forschungsschwerpunkte: Technikfolgenabschätzung und -bewertung; Bioethik, Wissenschafts- und Technikethik; Social Studies of Science.
Aktuelle Veröffentlichungen (Auswahl): Kollek, Regine (2013): Gentechnik. In: Armin Grunwald (Hrg.): Handbuch Technikethik. J.B. Metzler, Stuttgart, Weimar, S. 279-287. // Kollek, Regine (2013): Ethik der Technikfolgenabschätzung in Medizin und Gesundheitswesen: Herausforderungen für Theorie und Praxis. In: Alexander Bogner (Hrg.): Ethisierung der Technik - Technisierung der Ethik. Nomos, Baden-Baden, S. 199-214. // Forgó, N., Kollek, R., Arning, M., Krügel, T. & Petersen, I. (2010). Ethical and legal requirements for transnational genetic research. München: Beck Verlag.
Karen Kastenhofer & Helge Torgersen
Der forschungspolitische Entwurf von Responsible Research and Innovation, kurz RRI, kombiniert Aspekte zu einem neuen Anforderungsprofil (vgl. van den Hoeven et al. 2013), die der TA vertraut sind:
+ der Fokus auf sogenannte „emerging technologies“ oder NBIC (Nano-, Bio-, Info-, Cogno-) Technologien,
+ öffentliche Beteiligung,
+ frühe Intervention in Innovationspfade (insbesondere durch öffentliche Forschungsförderung),
+ die Bewertung von Forschung in Hinblick auf Risiko und Ethik
+ die Bewertung von Leerstellen in Hinblick auf gesellschaftlichen Nutzen.
All diese Aspekte verweisen auf „nicht triviale“ Konstellationen und komplexe Probleme. Sie sind aus vergangenen Kontexten von TA bekannt, aber keineswegs hinreichend oder gar endgültig beantwortet. Manche Probleme spitzen sich neu zu. Dies soll anhand eines konkreten Projektes – der Mobilization and Mutual Learning (MML) Activity „Neuro-Enhancement: Responsible Research and Innovation“, kurz NERRI illustriert werden. Neuroenhancement ist
+ den „cogno-sciences and -technologies“ zuzuordnen,
+ ein Thema von „emerging technologies“ oder NBIC Technologien;
+ als MML Aktivität steht öffentliche Beteiligung im Zentrum,
+ Aufgabe ist, über Neuroenhancement zu diskutieren noch bevor es bahnbrechende wissenschaftliche Innovationen gibt.
+ Die im Projekt erstellten Leitfäden für eine kritische Diskussion inkludieren Fragen nach Risiken, ethischen Bedenken und gesellschaftlichem Nutzen.
Der Beitrag berichtet über erste Erfahrungen aus dem österreichischen Teilprojekt, die sich folgendermaßen zusammenfassen lassen:
1. Der Begriff des Neuroenhancement ist nur in einem bestimmten Diskurs unmittelbar greifbar. Nur eine von drei Gruppen interviewter ExpertInnen, jene der VermittlerInnen & BeraterInnen (nicht aber die der ForscherInnen & ProduzentInnen oder Anwenderinnen & KonsumentInnen), versieht den Begriff spontan mit Bedeutung. Diese Gruppe operiert an der Schnittstelle von Politik, Öffentlichkeit und Technowissenschaft und steht für einen Governance-fokussierten Diskurs, dem auch TA angehört. Dies deutet auf diskursive Selbstreferentialität hin: Der Begriff verweist auf sich selbst und seinen diskursiven Entstehungskontext und bleibt für andere Bedeutungskontexte „leer“ oder zumindest „übersetzungsbedürftig“.
2. Die Fokussierung auf angenommene Zukünfte, deren Realisierbarkeit und Eintrittswahrscheinlichkeit kaum thematisiert wird, wurde von Nordmann (2007) als „spekulative [Technowissenschafts]ethik“ bezeichnet. die dadurch ausgelöste Eigendynamik, die die prinzipielle Fraglichkeit und Entscheidungsabhängigkeit dieser Zukunftsvisionen vergessen macht, lässt sich auch im Diskurs um Neuroenhancement wiederfinden. Ein Effekt davon ist die unbeabsichtigte Verstärkung des Hypes zu spekulativen Technologievisionen durch TA.
3. Der Fokus auf eine noch nicht realisierte sozio-technische Innovation erfordert die Wahl des zu diskutierenden sozio-technischen Gegenstandes bzw. eine Entscheidung für ein bestimmtes Abstraktionsniveau (vgl. auch Kastenhofer 2010). Gegenstand von TA könnte entweder die Vision selbst sein (vgl. Grin und Grunwald 2000 sowie die Kritik der „Speculative Nanoethics“ bei Nordmann 2007), ein „umbrella term“ wie Kognitionsforschung (vgl. Rip und Voss 2013), oder ein bestimmter Anwendungskontext (unter vielen denkbaren). Das Projekt NERRI illustriert die weitreichenden Konsequenzen dieser Entscheidung.
Negativ gewendet ist die Botschaft dieses Beitrags, dass „alte“ Probleme der Technowissenschaftsbewertung keineswegs gelöst sind und auch durch den Austausch alter Labels durch immer neue (Public Understanding of Science, Science and Society, Science in Society, Responsible Research and Innovation, etc.) nicht abzuschütteln sind. So bleibt die Möglichkeit einer „frühen Intervention“ in als linear verstandenen „Innovationspfaden“ weiterhin fraglich, wie auch Bedeutung und „best practise“ von Öffentlichkeitsbeteiligung nicht aus dem Fokus der Kritik kommen. Entgegen der gängigen Sichtweise, die Forschungspolitik hinke der wissenschaftlichen Innovation hinterher, kann man hier durchaus davon sprechen, dass die Forschungspolitik auf diskursiver Ebene der wissenschaftlichen Entwicklung und ihren tatsächlichen Problemen davonläuft.
Positiv gewendet wollen wir darauf hinweisen, dass bestehende Analysen und Diskussionen immer noch Gültigkeit besitzen und neue Strategien der TA-Praxis und -Positionierung wesentlich unterstützen könnten – auch wenn die darin verwendeten Labels teils schon durch neue ersetzt wurden. Statt die genannten theoretischen Analysen weiterzutreiben will der Beitrag also eher die Diskussion zu Rolle, Praxis, Möglichkeit und Positionierung von TA im Kontext von RRI befördern.
Dr. Karen KASTENHOFER ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Sie befasst sich mit Wissenschafts- und Technikforschung, Technikfolgenabschätzung und Governance-Fragen im Kontext der neuen Bio(techno)wissenschaften.
Dr. Helge TORGERSEN ist senior scientist am ITA. Er leitet den österreichischen Beitrag zum EU-Projekt „Neuro-Enhancement: Responsible Research & Innovation“ (NERRI).
Steffen Albrecht
„Responsible Research and Innovation“ (RRI) ist als neues Konzept für die Steuerung von Wissenschaft und Innovation nicht nur im Diskurs der Wissenschafts- und Technikforschung präsent. Spätestens mit dem Forschungsförderungsprogramm „Horizon 2020“ der Europäischen Kommission, in dem die Berücksichtigung von RRI quer zu vielen thematischen Schwerpunkten der Förderung eingefordert wird, hat das Konzept auch die Praxis erreicht. Wie genau eine Umsetzung von RRI in der Praxis aussehen kann, bleibt dabei zunächst offen.
Dieser Beitrag stellt das EU-Projekt „SYNENERGENE“ vor, das sich als „Mobilisation and Mutual Learning Action Plan“ (MMLAP) das Ziel gesetzt hat, RRI im Feld der Synthetischen Biologie zu fördern. Die Synthetische Biologie stellt als neue, emergierende Technowissenschaft ein typisches Anwendungsfeld von RRI dar: Auch wenn noch nicht klar ist, was mit dem Begriff genau gemeint ist, zeigen die bisherigen Forschungen große Potenziale für nützliche Innovationen beispielsweise im medizinischen Bereich und für die Energieversorgung auf (König et al. 2013). Auf der anderen Seite bestehen große Unsicherheiten bezüglich möglicher negativer Folgen für Gesellschaft und Umwelt. In dieser Situation ist es für Entscheidungsträger wichtig, „to be able to identify such epistemic discourses and knowledge gaps within the various plausible options on the table in order to be able to have a more robust outlook on potential technological solutions – and in order to keep open the possibility for alternative developments.” (von Schomberg 2012, 46)
Mit den MMLAPs hat die Europäische Kommission ein Instrument vorgeschlagen, das die Ausrichtung von Innovationsprozessen auf gesellschaftliche Belange und Werte durch Austausch und Kooperation zwischen Akteuren aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft unterstützen soll (Europäische Kommission 2011). Die eingerichteten MMLAPs können als Real-Experimente für die Umsetzung von RRI in der Praxis angesehen werden, aus deren Analyse sich Aufschlüsse für die Bewertung und Weiterentwicklung des Konzepts von RRI ableiten lassen.
Zu diesem Zweck diskutiert der Beitrag zunächst dieses Konzept im historischen Kontext (Nowotny et al. 2001, Weingart 2008). Die Ausrichtung von MMLAPs auf die Einbindung unterschiedlicher gesellschaftlicher Akteure legt dabei einen Fokus auf die Bedeutung partizipativer Elemente nahe. Vor diesem Hintergrund wird die im Projekt „SYNENERGENE“ begonnene Umsetzung speziell mit Blick auf die Einbeziehung gesellschaftlicher Akteure vorgestellt. Das Projekt folgt etablierten Modellen von „Public Engagement in Science“, es greift aber auch Ansätze aus der pädagogischen Forschung zur Unterstützung von „Communities of Practice“ (Wenger 1998) auf. Spezielles Augenmerk liegt auf den praktischen Aspekten der Umsetzung sowie den bisher dabei gemachten Erfahrungen. Diese bestätigen zum Teil die Annahmen des theoretischen Diskurses, etwa was die Frage der Legitimation von zivilgesellschaftlichen Organisationen angeht, zum anderen werfen sie neue Fragen auf, etwa was die Bereitschaft der Öffentlichkeit zur Auseinandersetzung mit neuen Themen angeht.
Aus der Analyse, die zunächst nur episodische Evidenz liefert, lassen sich Anhaltspunkte für eine systematische Evaluation der unterschiedlichen, als experimentell anzusehenden Umsetzungen partizipativer Formen von RRI ableiten. Auf diese Weise trägt die Untersuchung dazu bei, die Frage der konkreten Ausgestaltung von RRI in der Praxis zu beantworten, die Tragfähigkeit einzelner Elemente des Konzeptes (Bedeutung von Lernprozessen, zugrunde liegendes Modell der Gesellschaft) zu bewerten und die Chancen und Risiken, die RRI für die Technikfolgenabschätzung insgesamt darstellt, abschätzen zu können.
Steffen ALBRECHT ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse in Karlsruhe. Er studierte Soziologie an der Universität Hamburg und promovierte an der Technischen Universität Hamburg-Harburg mit einer Arbeit zu politischen Diskursen im Internet. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die gesellschaftlichen Auswirkungen der Internetnutzung sowie Fragen der politischen Partizipation.
Veröffentlichung: Reflexionsspiele. Deliberative Demokratie und die Wirklichkeit politischer Diskurse im Internet (transcript 2010).
Leo Capari & Mahshid Sotoudeh
Der demographische Wandel und die damit einhergehende alternde Gesellschaft ist eine der großen Herausforderungen, auf die in der Lund-Deklaration hingewiesen wurde (Svedin, 2009). In den kommenden 30 Jahren wird sich die Altersstruktur in Österreich, wie auch in anderen Ländern stark verändern. Die Folgen des demographischen Wandels wirken sich aber nicht nur auf die Alterszusammensetzung aus, sondern sie werden auch einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf das gesamte sozio-ökonomische System der westlichen Länder mit sich bringen. Der Einsatz von Technologien in der Pflege und Betreuung älterer Menschen, wird für die Gesellschaft von zunehmender Bedeutung sein, um der Bevölkerung Gesundheitsdienstleistungen in einer Quantität und Qualität anbieten zu können, die ihren Erwartungen entspricht. Die Technologien versprechen viele Chancen, gleichzeitig gilt es, Herausforderungen zu meistern und ethische Dilemmata zu berücksichtigen.
Partizipative vorausschauende Studien können dabei helfen, Entscheidungen auf nationaler und europäischer Ebene robuster und sozial akzeptabler zu gestalten. Sonst besteht die Gefahr, dass die Dringlichkeit der vor uns liegenden gesellschaftspolitischen Umstände zu unkoordinierten und kontraproduktiven ad hoc Entscheidungen führen. Die europäische Kommission hat unter dem Schlagwort Responsible Research and Innovation (RRI) einen wichtigen Impuls gesetzt, um zu verhindern, dass technische Innovationen an den Bedürfnissen der Gesellschaft vorbeigehen und womöglich nur Marktmechanismen folgen. Dies ist insbesondere im Hinblick auf den gesellschaftlich brisanten Themenkomplex „alternde Gesellschaft“ und den Technikeinsatz in der Pflege von hoher Bedeutung.
Ein geeignetes Mittel, um bereits heute mögliche Zukünfte und deren Kontroversen zu analysieren, ist die Szenario Methode. Im Rahmen des EU Projektes PACITA (Parlamente und Zivilgesellschaft in der TA) fand im Frühjahr 2014 unter der Beteiligung von relevanten Stakeholdern, in neun europäischen Ländern je ein Stakeholder-Szenario-Workshop zum Thema „Teleassistenz in einer alternden Gesellschaft“ statt. Die Szenarien hierfür wurden im Vorfeld von einer Gruppe von europäischen ExpertInnen und unter der Beteiligung von Stakeholdern erstellt. Ziel des Szenario-Workshops war es, politische Handlungsalternativen des Technikeinsatzes in der Pflege und Betreuung älterer Menschen unter Beteiligung von Stakeholdern zu identifizieren. Zudem soll durch diese Fallstudie die parlamentarische TA (PTA) in Europa als wichtiges Instrument in der Entscheidungsfindung - sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene - weiter ausgebaut und etabliert werden. Die Einbindung von Stakeholdern ist aber nicht nur für die PTA ein wichtiger Aspekt, ihr wird auch im Hinblick auf RRI ein wichtiger Stellenwert eingeräumt (von Schomberg, 2013).
Das Ziel von PACITA ist es, PTA als Basis für wissensbasierte Politikgestaltung und Beratung in den Themen Wissenschaft und Technik zu erforschen, auszubauen und zu etablieren. Ein wichtiges Charakteristikum von PTA besteht in der Einbindung von BürgerInnen, Stakeholdern, ExpertInnen und PolitikerInnen in kontrovers diskutierten Themen, mit dem Ziel, eine robuste, transparente und inklusive Basis für politische Entscheidungen auszubilden. Wenn politische Entscheidungen getroffen werden, hat dies stets einen Effekt (positiv oder negativ) auf unterschiedliche Akteursgruppen. Trotz der stakes, die für diese Akteure oftmals auf dem Spiel stehen, werden sie in den meisten Fällen nicht im Vorfeld konsultiert, um ihre Bedenken, Wünsche oder Erfahrungen kundzutun. Im Fallbeispiel „Teleassistenz in einer alternden Gesellschaft“ werden Stakeholder durch die Szenario-Workshop Methode eingebunden, um herauszufinden,
+ wie sich die politischen Handlungsmöglichkeiten in den unterschiedlichen Ländern unterscheiden und
+ was dies für eine europaweite Politikgestaltung bedeutet.
In diesem Beitrag werden die Szenarien und die Ergebnisse der in Österreich durchgeführten Fallstudie vorgestellt. Außerdem soll soweit möglich ein Versuch unternommen werden die nationalen Ergebnisse exemplarisch mit den Ergebnissen von mindestens einem weiteren Land zu vergleichen und die Methode kritisch zu reflektieren.
Leo CAPARI ist Humanökologe und seit Juli 2013 Junior Scientist im Bereich Technologie und Nachhaltigkeit am ITA. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Ambient Assisted Living (AAL), Umweltwissenschaften / Sustainability Sciences sowie Bibliometrie/Szientometrie.
Mahshid SOTOUDEH ist senior researcher am ITA und beschäftigt sich mit Fragen zu Technologie und Nachhaltigkeit. Dazu gehören u.a. die Bereiche technische Ausbildung, Value Ageing, Smart Cities, parlamentarische TA, partizipative Methoden und vorausschauende Studien (Foresight).
Gernot Rieder
„Responsible Research and Innovation” (RRI) ist zu einem weit verbreiteten politischen Narrativ geworden, das aus aktuellen Grundsatz- und Strategiepapieren kaum noch wegzudenken ist (siehe etwa EC 2013). Trotz unterschiedlichster Systematisierungsansätze entzieht sich das Konzept jedoch bislang einer einheitlichen Definition (siehe von Schomberg 2013). Dieser Vortrag befasst sich mit zwei spezifischen Aspekten von RRI, die einerseits in vielen Definitionsversuchen Erwähnung finden und somit als konsensfähig erachtet werden können, jedoch andererseits insbesondere in ihrem Zusammenspiel eine besondere methodische Herausforderung für die Technikfolgenabschätzung darstellen. Die zwei Aspekte sind:
– Der demokratiepolitische Anspruch von RRI, der eine Öffnung von Innovations- und Forschungsprozessen gegenüber einer breiten Anzahl von InteressensvertreterInnen, aber auch gegenüber einer möglichst heterogenen (Laien-)Bürgerschaft vorsieht. Die Förderung einer sozial inklusiven Kultur der Partizipation, der Transparenz, des Diskurses und des Dialogs gelten als Grundanliegen eines an RRI ausgerichteten technikwissenschaftlichen Entwicklungsprozesses.
– Die Vorstellung, dass eine solche Einbindung möglichst frühzeitig erfolgen sollte, um proaktive, bestehende Handlungsspielräume optimal ausschöpfende Entscheidungsfindungsprozesse zu ermöglichen. Ist eine Technologie erst einmal voll entwickelt und verbreitet, d.h. in einer Gesellschaft fest verankert, reduzieren sich zuvor bestehende Kontroll- und Gestaltungsmöglichkeiten.
Zusammengenommen ergeben diese beiden forschungspolitischen Erfordernisse eine besonders diffizile Variante des Collingridge-Dilemmas (Collingridge 1980): Wie ist es möglich, BürgerInnenbeteiligungsverfahren zu technowissenschaftlichen Innovationen durchzuführen, wenn die konkrete Technik, ihre Spezifika, ihr Einsatz und ihre soziale Bedeutung noch nicht genau bekannt sind? Wie lassen sich gesellschaftliche Vorstellungen, Bedürfnisse und Werte deliberativ erheben, wenn sich solche gegenüber einer zukünftigen, noch in der Entstehung befindlichen Technologie noch gar nicht manifestieren konnten?
Die empirisch ergründete Antwort auf diese Frage fußt auf der intensiven Beforschung (Dokumentanalyse, Interviews) dreier zwischen Geistes- und Sozialwissenschaften angesiedelter Bürgerbeteiligungsprojekte, deren Ziel in einer kritisch-deliberativen Auseinandersetzung mit potentiellen nanowissenschaftlichen Zukünften bestand. Bei den Projekten handelt es sich um das vom Institute for Hazard and Risk Research (Durham) koordinierte DEEPEN Projekt (FP6), das vom Centre for the Study of the Sciences and the Humanities (Bergen) geleitete TECHNOLIFE Projekt (FP7) und um das am Center for Nanotechnology in Society (Tempe) situierte NanoFutures Projekt (NSF). Der Bereich der Nanoforschung erweist sich dabei als ein besonders geeignetes Fallbeispiel, da es sich bei der Nanotechnologie um einen in der Entstehung befindlichen Technologiesektor handelt, dessen Potential noch nicht gänzlich abzuschätzen ist.
Der vorgestellte Ansatz beruht ferner auf einer systematischen Weiterentwicklung des von Felt et al. (2014) vorgestellten Konzepts der Technologies of Imagination. Solche ‚Technologien der Imagination’ können als Techniken oder Methoden verstanden werden, die einerseits dabei helfen, Diskussionen zu Thematiken anzuregen, zu denen bislang keine nennenswerte öffentliche Debatte stattgefunden hat, andererseits erlauben sie es den Diskussionsteilnehmern, ihre individuellen und kollektiven Assoziationen und Positionen möglichst uneingeschränkt zu entwickeln und zu verhandeln. Speziell konzipiertes Stimulusmaterial spielt dabei eine entscheidende Rolle: Im Falle der drei untersuchten Forschungsprojekte wurde den partizipierenden BürgerInnen Diskussionsmaterial in Form von kurzen Produktszenarien (NanoFutures), Plakaten mit ausgewählten Bildern, Grafiken und Texten (DEEPEN) und selbst produzierten Science-Fiction-Filmen (TECHNOLIFE) vorgelegt.
Der Vortrag interessiert sich sowohl für die narrative Beschaffenheit dieses Stimulusmaterials als auch für die methodologischen Überlegungen, die den jeweiligen Entwicklungsprozess begleiteten. Auf die empirisch-methodischen Reflexionen aufbauend werden eine Reihe übergeordneter Thesen formuliert. So scheint eine frühzeitig einsetzende verantwortungsvolle und nachhaltige Forschungs- und Innovationspolitik insbesondere realisierbar durch,
– eine forschungsprogrammatische Abkehr vom prädiktiven Ideal, d.h. der Vorstellung, dass technowissenschaftliche Zukünfte exakt vorhergesagt und berechnet werden müssen. Anstelle dessen tritt eine „anticipatory governance“ (Guston 2014), die auf eine gesamtgesellschaftliche Verbesserung diskursiver Kapazitäten abzielt und die soziotechnische Ungewissheit im Zeitalter der „post-normalen“ Wissenschaft (Funtowicz und Ravetz 1993) mehr als demokratiepolitische Herausforderung und Chance denn als Hindernis begreift.
– den Einsatz von speziellen Partizipationsmethoden, die den Wissens-, Interpretations-, und Erfahrungshorizonten der DiskussionsteilnehmerInnen Raum zugestehen und die dadurch sowohl als feine Seismographen kollektiver Befindlichkeiten als auch als Archive gesellschaftlicher Narrative fungieren. Letztlich geht es nicht mehr um eine Ergründung der Zukunft als solche, sondern um eine induktive Beforschung jener Meinungen, Einstellungen und Werte, die individuelle und kollektive Positionierungen gegenüber technowissenschaftlichen Innovationen prägen und so auf die praktischen Möglichkeiten der tagtäglichen ‚Zukunftsschaffung’ maßgeblich Einfluss nehmen.
Gernot RIEDER studierte Medienwissenschaft (BA), Kommunikationswissenschaft (BA) und Wissenschafts- und Technikforschung (MA) an der Universität Wien und bereitet gegenwärtig eine Dissertation zur Konjunktur evidenzbasierter Politik und dem Big Data-Phänomen vor. Seine Forschungs- und Interessensschwerpunkte umfassen Wissenschaftspolitik, (europäische) Forschungsförderung und die ‚Governance’ neu aufkommender Technologien. Gernot Rieder ist als Assistant Editor bei dem 2014 gegründeten SAGE-Journal „Big Data & Society“ tätig.
Wolfgang Liebert & Jan C. Schmidt
Der forschungspolitische Ansatz von RRI kann interpretiert werden als Anforderung an die Technikfolgenabschätzung (TA), stärker (a) den technowissenschaftliche Kern („research“), verbunden mit Zielorientierungen der wissenschaftlich-technischer Entwicklung, sowie (b) die normativen Aspekte der Verantwortung, inklusive einer ethischen Orientierungen („responsible“) in der Ausgestaltung von Forschungs- und Technikgenerierungsprozessen in den Blick zu nehmen.
Die Idee einer Adressierung von grundlegenden Forschungs- und Technikentwicklungsprozessen sowie von hintergründigen normativ-ethischen Dimensionen mag eine paradigmatische Veränderung für die EU-Forschungspolitik indizieren – und eine Vorverlagerung und Vertiefung der Reflexion darstellen. Jedoch ist dies der TA keineswegs fremd. Das Konzept der Prospektiven TA (ProTA) zielt auf eine antizipative Analyse, Bewertung und Gestaltung von Wissenschaft und Technik. ProTA trägt dazu bei, eine kritische Reflexion im Hinblick auf innovative Potentiale bezüglich des wissenschaftlich-technischen Kerns einzuleiten sowie normative Orientierungen zu ermöglichen. Sie basiert auf einer vierfachen Rahmenorientierung: (Prozedurale) Frühzeitigkeits-, (normative) Intentions- und (prozessorientierte) Gestaltungsorientierung sowie Orientierung am wissenschaftlich-technischen Kern. ProTA ist eine antizipative Wissenschafts- oder Forschungsfolgenforschung (Liebert/Schmidt 2010).
Dagegen scheinen im EU-Kontext mit RRI gegenwärtig im Wesentlichen nur fünf Schlüsselaspekte angesprochen zu werden: „social engagement, gender equality in research and innovation content, open access, science education, ethics“. Doch ein gehaltvolleres Verständnis von RRI gilt es aufzunehmen und fortzuentwickeln, insbesondere was die normativ-ethischen Gesichtspunkte von Innovationen und des technowissenschaftlichen Kerns betreffen. So ist „verantwortliche Innovation“ nicht auf den trivialen Aspekt der Neuartigkeit zu reduzieren, das Auftreten einer wissenschaftsbasierten Vision, die prinzipielle Herausforderung der rein technischen Machbarkeit oder erwartbare Marktpotentiale. Im gleichen Zug geht es auch hier um normative Kriterien und ethische Orientierungen bereits im Forschungsprozess selbst oder die absehbare Sinnhaftigkeit von technischen Endprodukten der Entwicklung innerhalb sozialer und globaler Kontexte. Das, was als „Innovation“ gelten kann und soll, ist abhängig von normativen Kriterien und von jeweiligen normativen Orientierungen im Forschungsprozess.
ProTA hat diese normativen Orientierungen im Blick. Allerdings hat sie diese bislang auf die Erhaltung der Lebenswelt und die Entfaltung sozio-technischer Potentiale im Rahmen einer Human-, Sozial-, Umwelt- und Zukunftsorientierung beschränkt (Liebert/Schmidt/Bender 2005). Eine Schärfung der ethischen Dimensionen von ProTA und der Ethikkonzepte steht demzufolge noch aus.
In dem vorliegenden Beitrag wird die Fragestellung verfolgt, welche Ethikkonzeptionen geeignet erscheinen, den Ansatz von ProTA entsprechend zu stärken. Dabei sichten wir utilitaristisch-teleologische, deonotologische sowie deliberativ-diskursive Konzeptionen. Eine eineindeutige Wahl der ethischen Perspektive und Projektion auf ProTA wird schwerlich gelingen können. Daher entwickeln wir diese weiter im Hinblick auf eine Integration der drei großen Ethikkonzepte in Richtung einer (materialen, verantwortungsorientierten Zugangs-Zukunfts-) Ethik, ähnlich wie sie von Hans Jonas (1979) vorgeschlagen wurde. Wir argumentieren für spezifische Mischkonzepte, die je nach Fokus innerhalb des Innovationsprozesses zum Einsatz kommen. Dazu differenzieren wir zwischen Zielsetzung, Forschungsprogramm, konkrete Ausführung von Teilschritten, sowie absehbare Wirkungen und ungewollte Folgen. Kriterien der Irreversibilität, der Eingriffstiefe sowie der systemischen Risiken werden ebenfalls diskutiert.
Der Beitrag ist wie folgt gegliedert: Im ersten Teil wird der forschungspolitische Ansatz von RRI skizziert. Es wird aus problemorientierter wie aus methodologischer Perspektive dargelegt, in welcher Hinsicht hier ein Potenzial zu sehen ist – und wo mögliche offene Punkte oder gar Defizite liegen. Sodann soll im zweiten Teil das Konzept der ProTA als antizipative Wissenschafts- oder Forschungsfolgenforschung vorgestellt werden, um die offenen Punkte von RRI klarer fassen zu können und erste Überlegungen zur Überwindung der Defizite benennen zu können. Im dritten Teil werden normativ-ethische Ansätze in inhaltlicher sowie methodologischer Hinsicht dargelegt, einerseits mit dem Ziel, die normativen Aspekte von ProTA zu schärfen und andererseits, um perspektivisch eine adäquate Stärkung und Stützung von RRI zu ermöglichen. Hierzu werden zentrale Ethikkonzepte diskutiert und geeignete Mischkonzeptionen vorlegt, wobei ein Anschluss an Hans Jonas möglich erscheint. Schließlich werden im vierten Teil Anforderungen aus der TA-Praxis an Beispielen der Fusionsreaktorforschung und Synthetischen Biologie. ausformuliert. – Damit zeigt sich, dass RRI im Sinne einer ProTA verstanden, geschärft und weiterentwickelt werden kann.
Prof. Dr. Wolfgang LIEBERT, Leiter des Instituts für Sicherheits- und Risikowissenschaften (ISR) der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien. Arbeitsschwerpunkte: Rüstungskontrolle und TA im Bereich nuklearer Technologie, Risiko- und Technikfolgenforschung, Wissenschaftsphilosophie und Ethik.
Prof. Dr. Jan C. SCHMIDT, Physiker und Philosoph, lehrt Wissenschafts- und Technikphilosophie an der Hochschule Darmstadt. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Wissenschafts-, Technik- und Kulturphilosophie, der Wissenschaftsgeschichte, der Angewandten Ethik, der Technikfolgenabschätzung sowie der Philosophie der Inter- und Transdisziplinarität.
Mathias Boysen
Die Esskultur und der Bezug zu unserer Nahrung haben sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert. Die Langfristtrends Genuss, Gesundheit und Convenience werden aktuell durch das Internet weiter verstärkt.
Der partizipative Foresight-Dialog fokussiert unter der Leitfrage „Was bedeutet die digitale Gesellschaft für unsere Ernährung im Jahr 2030?“ auf die Möglichkeiten der IKT, dem wachsenden Bedürfnis durch zielgerichtete Selbststeuerung den eigenen Ernährungsprämissen (Ethic Food, Nature Food, Clean Food, Functional Food, etc.) zu entsprechen. Dazu gehören sowohl mobile Apps, (ggf. zuzüglich technischer Endgeräte wie z.B. zur live-Messung von Bioindikatoren) als auch spezifische Produkt-Formulierungen, die über das Internet abrufbar oder bestimmbar sind. Zielsetzung des Dialogprozesses ist ein Foresight realistischer Entwicklungsmöglichkeiten, um Innovationspotentiale frühzeitig zu identifizieren und nutzbar machen zu können. Hierfür wird ein mehrstufiger Prozess durchlaufen (siehe Schaubild), der gesellschaftliche Stakeholder und insbesondere „digital natives“ involviert. Auftraggeber ist ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels.
(Schaubild: Ablauf „Digitalisierung unseres Ernährungsverhaltens“)
Modul 3: Online Tool SMART (Social Media Analyses and Research Tool):
Mit Hilfe des von Genius in Kooperation mit der Quadrigahochschule entwickelten Online Tools wird die aktuelle Diskussion im Netz zur Leitfrage gescreent, nach semantischen Clustern gefiltert und die wichtigsten derzeitigen Diskussionsstränge identifiziert.
Modul 4: Fokusgruppen mit „digital natives“:
Innerhalb der Fokusgruppen kommt eine Kombination von Story Telling und Szenariomethodik zum Einsatz. Die Hauptdiskussionsstränge aus Modul 3 dienen zur Rahmensetzung.
Modul 5: Collective Notebook:
Die Zukunftsgeschichten aus Modul 4 werden ausgewählten Fachleuten der Verbandslandschaft und der Wissenschaft übergeben. Sie werden aufgefordert, die Zukunftsgeschichten zu kommentieren und fortzuschreiben, und zwar mit Hilfe eines virtuellen „collective notebook“ als Online-Tool.
Modul 6: „Digitale Ernährungswelten“:
Es wird ein mögliches breites Spektrum von Stakeholdern zusammengeführt, die von der Thematik und ihrer zukünftigen Entwicklung berührt sind. Neben den Beteiligten der Vorphasen werden hierfür auch z.B. Trend- und Zukunftsforscher, Lebensmittelforscher, Produktionsanlagenbauer, App-Programmierer, Internet Start-Ups, Künstler und Konsumforscher eingebunden.
Mathias BOYSEN ist seit 2013 Mitarbeiter bei Genius - Science and Communication. Nach seinem Abschluss als Diplom-Biologie an der Universität Hamburg (2000) promovierte er in Politikwissenschaft an der Helmut Schmidt Universität (2006). Seine aktuellen Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Innovationsmanagement, Foresight und Partizipation.
Aktuelle Publikation: Bernd Müller-Röber, Mathias Boysen, Lilian Marx-Stölting, Angela Osterheider (Hrsg.): "Grüne Gentechnologie. Aktuelle wissenschaftliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen." Dornburg, 2013. Berlin Brandenburgische Akademie der Wissenschaft.
Claudia G. Schwarz
Das Thema Tierversuche führt immer wieder zu heftigen Diskussionen zwischen BefürworterInnen und GegnerInnen. In dieser Debatte artikuliert sich ein zentrales moralisches Dilemma: Den Hoffnungen auf neue Medikamente steht das Wohl der Tiere gegenüber. Obwohl intensiv an Alternativmethoden geforscht wird, kann in manchen Bereichen der bio-medizinischen Forschung noch nicht auf Modellorganismen verzichtet werden. Ende 2012 wurde in Österreich die EU-Richtlinie 2010/63/EU als neues Tierversuchsgesetz in die nationale Gesetzgebung umgesetzt, wodurch das Thema wieder verstärkt in der wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion präsent ist. Die zentrale Frage, die es zu diskutieren gilt, ist, wie Versuchstiere verantwortungsvoll in der Forschung eingesetzt und welche Kriterien hierfür als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden können. Die Tierversuchsdebatte eignet sich daher als Kristallisationspunkt für Vorstellungen von gesellschaftlicher Verantwortung, die auch im Konzept von Responsible Research and Innovation ihren Ausdruck finden.
Das Projekt „Tierversuche für die biomedizinische Forschung“ (gefördert vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft) hat zum Ziel, die Debatte um Tierversuche in Österreich partizipativ zu gestalten, indem interessierte BürgerInnen eingeladen werden gemeinsam über dieses Thema zu diskutieren. Um diese Diskussionen zu unterstützen wurde im Projekt ein Kartenset für das Diskussionsformat playDecide entwickelt, in dem der gegenwärtige, österreichspezifische Stand der Debatte vermittelt wird. In Form eines Spiels erlaubt playDecide den meist 6 bis 8 TeilnehmerInnen, komplexe und kontroverse wissenschaftliche Themen ohne großen Zeitaufwand strukturiert zu diskutieren. Karten mit Beispielen, Informationen und ethischen Aspekten vermitteln das nötige Hintergrundwissen. So werden TeilnehmerInnen zur Diskussion angeregt und es wird ihnen ermöglicht, nach etwa 60- bis 90-Minuten eine gemeinsame politische Position zu formulieren. Im Rahmen des Projekts werden österreichweit 15 Spielrunden mit unterschiedlichsten sozialen Gruppen organisiert. Darüber hinaus werden das entwickelte PlayDecide Kartenset sowie die Ergebnisse der durchgeführten Diskussionsrunden auf der PlayDecide Website öffentlich verfügbar sein. Am Beispiel dieses Projektes zeigt sich, wie partizipative Ansprüche und eine Diskussion über ethische Aspekte wie jenem der Verantwortung durch den Einsatz von partizipativen Instrumenten wie PlayDecide in der TA-Praxis umgesetzt werden können.
Die KonferenzteilnehmerInnen sind parallel zur Postersession dazu eingeladen die Methode selbst aktiv im Rahmen einer Diskussionsrunde kennenzulernen. Wir bitten Interessierte um Anmeldung unter office [@] openscience.or.at.
Claudia G. SCHWARZ ist Projektleiterin bei Open Science – Lebenswissenschaften im Dialog. Sie hat Kommunikationswissenschaften und Soziologie mit dem Schwerpunkt auf Wissenschafts- und Technikforschung an der Universität Wien studiert. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen öffentliche Partizipation zu neuen Technologien und Wissenschaftskommunikation.
Aktuelle Publikation: Felt, Ulrike/Schumann, Simone/Schwarz, Claudia G./Strassnig, Michael (2014): Technology of Imagination. A Card-based Public Engagement Method for Debating Emerging Technologies. Qualitative Research, 14/2, 233-251.
Benjamin Kees
Videoüberwachung, die trotz nicht nachgewiesener Effektivität und negativer Auswirkungen auf Individuen und Gesellschaft weltweit massiv ausgebaut wurde, soll durch Algorithmisierung in Zukunft so automatisiert wie möglich gestaltet werden. Dazu sollen nicht nur die bisherigen Aufgaben der OperateurInnen weitestgehend übernommen werden, sondern es wird auch eine Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten angestrebt, die über menschliche Kapazitäten weit hinausgeht. Aufgrund der technischen Funktionsweise, dem grundsätzlichen Charakter von Überwachung und der Automatisierung an sich, ist mit verstärkten und zusätzlich negativen Auswirkungen auf Individuen und Gesellschaft zu rechnen.
In meiner Diplomarbeit werden anhand aktueller wissenschaftlicher Publikationen die Funktionsweise und Fähigkeiten eines wahrscheinlichen Systems entworfen. Dies wird auf gesellschaftliche Probleme hin untersucht und Lösungsansätze werden diskutiert. Identifizierte Probleme sind eine inhärente, gegen das Prinzip der Datensparsamkeit verstoßende, umfangreiche Erhebung von personenbeziehbaren Daten, eine gesteigerte Informationsasymmetrie zwischen Betroffenen und Überwachenden, ein daraus resultierender massiver Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie eine Steigerung der selbstdisziplinierenden Wirkung auf Betroffene. Ansätze zur Anonymisierung von Daten sind technisch und konzeptuell ungenügend.
Mit der Technik der Verhaltenserkennung und -bewertung geht außerdem die Gefahr einer institutionalisierten Diskriminierung Betroffener einher, die – wenn überhaupt identifizierbar – nur schwer oder gar nicht zu unterbinden ist. Entgegen der allgemeinen Argumentation kann der Einsatz von OperateurInnen die umfangreiche Automatisierung nicht legitimieren und eine Verhinderung automatisierter Entscheidungen zum Nachteil Betroffener nicht sicherstellen. Zum einen können für eine mündige Entscheidung konzept- und technikbedingt keine adäquaten Informationen bereitgestellt werden. Zum anderen muss gegenüber der Assistenz durch das System aus psychologischen Gründen mit einem übersteigerten Vertrauen gerechnet werden, das zu einer mangelnden Überprüfung der – ohnehin unzulänglich überprüfbaren – Darstellung und Entscheidungen des Systems führt. Das Vertrauen kann nur teilweise und mit hohem Trainingsaufwand angepasst werden.
Nicht nur Auswirkungen einzelner Maßnahmen, sondern auch das Stattfinden automatisierter Überwachung allgemein, können eine positive gesellschaftliche Entwicklung gefährden. Die Technik birgt außerdem die Gefahr, als Werkzeug zur Unterdrückung missbraucht zu werden.
Diplominformatiker Benjamin KEES hat an der Humboldt-Universität zu Berlin Informatik und Ingenieurpsychologie studiert. Er denkt fachübergreifend über die Verantwortung und das Selbstverständnis der Informatik nach und hat geforscht, welche gesellschaftlichen Probleme eine Automatisierung von Videoüberwachung nach sich zieht. Er ist außerdem engagiertes Mitglied im Forum InformatikerInnen für Frieden und Verantwortung (FIfF e.V.).
Vitaly Gorokhov
Man unterscheidet zwei Haupttypen wissenschaftlicher Disziplinen in der modernen Wissenschaft – objektorientierte und problemorientierte. Die Disziplinen des ersten Typs sind gegenständlich auf einen bestimmten Typ des zu erforschenden und zu projektierenden Objekts (bestimmte physikalische Objekte, technische Einrichtung, Gesellschaft oder deren Teile bzw. Aspekte usw.) ausgerichtet. Die Disziplinen des zweiten Typs sind auf unterschiedliche Klassen von wissenschaftlich-technischen komplexen Aufgaben bzw. Problemen orientiert, obwohl der Gegenstand der Forschung und des Projektierens bei ihnen gleich sein kann. Zu diesen Disziplinen gehören z.B. die Systemtechnik, Ergonomie, Informatik usw. sowie die Technikfolgenabschätzung (TA).
Wenn TA eine problemorientierte Disziplin ist, bleibt trotzdem die Frage, was der besondere Forschungsgegenstand der TA ist? Mit der Technik beschäftigen sich viele verschiedene Disziplinen wie z.B. die technischen Wissenschaften, Systemtechnik und letztendlich Technikphilosophie. Aber alle diese allgemeinen oder speziellen Disziplinen konzentrieren sich auf einzelne Arten oder Aspekte der Technik. Die Technik als Ganzes ist kein Forschungsgegenstand von Ingenieursdisziplinen und technischen Wissenschaften. Für viele Naturwissenschaften ist die Technik Forschungsgegenstand spezieller naturwissenschaftlicher Forschung, jedoch aus eigener naturwissenschaftlicher Sicht, weil ohne technische Geräte die Realisierung von naturwissenschaftlichen Experimenten unmöglich wäre. Die Technik ist heute in allen Gesellschaftsbereichen zu finden, deshalb untersuchen Sozial- und Geisteswissenschaften die Technikentwicklung genauer. Die Philosophie der Technik untersucht, erstens Technikphänomene als Ganzes, zweitens nicht nur die immanente Technikentwicklung, sondern auch den Platz der Wissenschaft und Technik in der ganzen Gesellschaftsentwicklung, und sie berücksichtigt dabei drittens, die breite historische Perspektive. Ein Gegenstand der Technologie ist die technische Tätigkeit, ein Gegenstand der technischen Wissenschaft ist technisches Wissen, ein Gegenstand der Technikphilosophie ist die Entwicklung des technischen Bewusstseins. Forschungsgegenstand der TA sind die Handlungsweisen der Technikentwicklung und -herstellung, Handlungsweisen, in denen Technik verwendet wird, und in denen Technik entsorgt wird. Diese Handlungsweisen betrachtet die TA übrigens nicht aus ingenieurtechnischer, sondern aus soziokultureller und gesellschaftlicher Sicht. TA befasst sich also mit Meinungsbildungsprozessen, Handlungen, Entscheidungen oder Entscheidungsvorbereitungen in Bezug auf Technik, sowie mit der sozialen Seite der Technik, und mit der Technik selbst in Bezug auf diese soziale Seite. Unsere Meinung nach TA ist angewandte Technikphilosophie.
Es ist auch wichtig zu verstehen, dass Technikfolgenforschung nicht nur auf verschiedenen wissenschaftlichen Kenntnissen, sondern auch auf zahlreichen außerwissenschaftlichen Aussagen, fraglichen Vermutungen, Erfahrungen, Fällen u.a. basiert. Die Zielsetzungen für Forschung im Rahmen von TA bedürfen einer interdisziplinären Herangehensweise. Politikwissenschaftliche, wirtschaftliche, umweltbezogene, soziale, kulturelle, technische, sozialpsychologische und ethische Aspekte müssen integriert und um das außerwissenschaftliche Wissen ergänzt werden. Interdisziplinäre TA-Forschung kann trotzdem disziplinär sein. Das beweist die Institutionalisierung der TA. Es geht um die disziplinäre Organisation der interdisziplinären Forschung. Darüber hinaus unterscheiden sich auch die naturwissenschaftlichen, ingenieurwissenschaftlichen, sozial- und geisteswissenschaftlichen Technikfolgenforschungen. Aber der Kern und die Basis der TA liegen in der Technikphilosophie, die selbst, erstens, als ein Bereich der Philosophie und zweitens, als reife Phase der immanenten Entwicklung des Ingenieursdenkens entsteht. TA ist eine angewandte Technikphilosophie und in diesem Sinne verbindet sie beide Strömungen der technikphilosophischen Entwicklung. Moderne komplexe wissenschaftlich-technische Disziplinen orientieren sich nicht mehr an einer Grundlagentheorie, sondern konzentrieren sich auf den gesamten Komplex der wissenschaftlichen Kenntnisse und Disziplinen. So umfasst die TA als problemorientierte wissenschaftlich-technische Disziplin Systems Research und Systems Design. Die Frage ist erstens, ob die im Einzelfall verfolgten Intentionen auch wenigstens annähernd realisiert worden sind bzw. werden können. Technikgestaltung bedeutet zwar nicht, dass sich die verfolgten Ziele vollständig mit den sich dann real einstellenden Resultaten inklusive der Nebenfolgen decken; eine gewisse Nähe zwischen verfolgten Zwecken und realen Folgen muss aber erwartet werden. Ansonsten würde der Versuch von Technikgestaltung nur nichtintendierte Folgen produzieren und in keiner Weise zur Realisierung der Gestaltungsintentionen beitragen. Zwar ist in vielen Fällen strittig, ob und inwieweit die Steuerungs- und Gestaltungsoptionen realisiert werden konnten oder ob die nichtintendierten Nebenfolgen nicht stärker ins Gewicht fallen. Die Integration disziplinären (und eventuell auch außerwissenschaftlichen) Wissens erfolgt unter Problemlösungsndruck: die Integration von Wissen soll Hinweise auf Problemlösungsstategien geben.
TA ist eine professionell abgesonderte Reflektionsposition in Bezug zur wissenschaftlich-technischen Entwicklung. Innovationsorientierte TA soll eine aktive Rolle in technischen Innovationsprozessen spielen und so zu einer Neugestaltung von Technik beitragen.
Vitaly GOROKHOV: Full Professor, 1988, Dr. Sc. Philosophy, 1986, Philosophy, Faculty of Philosophy, Moscow Lomonosov State University, 1971; RADAR Engineering, Moscow Radio/Mechanical Technical School, 1965; 350 articles and 20 books in Russian, German and English. http://eng.iph.ras.ru/gorokhov.htm // http://www.itas.kit.edu/mitarbeiter_gorokhov_vitaly.php // http://www.itas.kit.edu/english/staff_gorokhov_vitaly.php
Institut für Philosophie der Russischen Akademie der Wissen-schaften; ITAS/KIT
V. Gorokhov (2013): Engineering Sciences: History and Theory. Moscow: LOGOS, 2012; // V. Gorokhov. The Roots of the Theoretical Models of the Nanotechnoscience in the Electric Circuit Theory; Advances in Historical Studies. Vol.2, No.2, 19-31; // V. Gorokhov, C. Scherz (2011): Der (Nicht-)Umgang mit Technikfolgen in Russland. In: M. Maring (Ed.): Fallstudien zur Ethik in Wissenschaft, Wirtschaft, Technik und Gesellschaft. Karlsruhe: Verlag KIT Scientific Publishing, pp. 167-175.
Erich Grießler
Within the Res-AgorA project, which aims to create a socio-normative governance framework for Responsible Research and Innovation (RRI), the sub-project Monitoring Responsible Research and Innovation (MoRRI) developed a web application for monitoring and visualizing data and information on RRI. MoRRI provides an overview of current European developments in and experiences with RRI. It monitors recent activities in RRI in European countries, including: Austria, the Czech Republic, Denmark, Finland, France, Germany, Greece, Hungary, Iceland, Ireland, Italy, Lithuania, the Netherlands, Poland, Spain, and the UK. MoRRI provides statistical data, country reports and key documents on RRI in these selected European countries and gives users the opportunity to create custom-made reports on RRI activities in Europe. MoRRI will be updated regularly to provide up-to-date information.
Preliminary results of the monitoring exercise have shown that RRI is a not a very well-known concept in Europe and that its meaning is highly opalescent. In different national contexts, the meaning of RRI was found to overlap with a number of pre-existing and established concepts and ideas such as research integrity, research ethics, bioethics, national independence and autonomy, safety, standardization and sustainability, among others. Dominant narratives that frame RRI were also found to differ across countries. Economic growth is a dominant narrative in some countries, for example, whereas in other countries, there may be more emphasis on different societal needs. RRI plays a role in various technical areas such energy, security, transport, ICT, neuro-/human enhancement, genetically modified organisms, etc. These also vary across countries. Across countries there are a multitude of instruments in place to promote RRI, e.g., corporate social responsibility, ethics committees, hard and soft law, ombudsman, (participatory) Technology Assessment, public procurement, research funding schemes, tax regulation, training/education, etc. However, their effects have to be verified. Challenges of RRI include that RRI might run the danger of being used as a legitimizing concept only, which might also contribute to the closing down of critical public discussion. The presentation will introduce the MoRRI website and present the results of the first round of monitoring carried out in early 2014.
Erich GRIESSLER works since 1999 as senior researcher at the Institute for Advanced Studies in Vienna. His research interests are in the area of social studies of science and technology with a focus on the development and regulation of biomedicine and participatory efforts in these areas.
Elena Seredkina, Irina Chernikova & Olga Kolesova
Postmoderne Welt ist mit Technik durchdrungen und diese Tatsache trifft uns unvorbereitet. Ist die Menschheit bereit, sich der technischen Herausforderungen der Gestell-Epoche (nach M. Heidegger) zu stellen? Was dürfen wir hoffen angesichts der existenziellen Bedrohungen? Die Kants Frage ist heute aktuell wie nie zuvor. Heidegger meinte, dass man auf diesem Wege vor allem das Wesen der Technik begreifen, sie in unseren Weltinnenraum hereinlassen und Angst bekommen sollte. Diese Angst beinhaltet bereits die Anfänge des Rettenden: „Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch“ (Hölderlin). Angst ist eine Reaktion auf die Krise, die gleichzeitig eine Sackgasse und die Möglichkeit eines Durchbruchs auf das nächste Entwicklungsniveau zeigt, um kreativ ein Model einer wünschenswerten Zukunft zu konstruieren. In diesem Sinne ist es unwichtig, wie die Realität objektiv aussieht. Wichtig ist, dass wir die Welt und die Zukunft selbst nach unseren Werten und Wünschen schaffen können: nicht das, was ist (Deskription), sondern das, was sein soll (Präskription). Man könnte sagen, dass diese Präskriptionen Folgen der Tätigkeit der praktischen Vernunft von Kant sind.
Technowissenschaft ist keine technische Wissenschaft, sondern eine neue Form der Organisation der Wissenschaft, die in sich viele Aspekte der Naturwissenschaft, der Technik und der Geisteswissenschaften vereint (Technologische Effizienz anstatt der Wahrheit, Wissen als Projekt des Handelns, ontologisches Model als Konstruieren). Im Zentrum moderner Forschung steht nicht die Technik, sondern ihre Zusammenarbeit mit der Gesellschaft (vgl. Grunwald 2011, 2012; Technology and Society 2008). Deswegen rückt „Responsible Research and Innovation“ (RRI) im Rahmen der Technikfolgenabschätzung (TA) in den Vordergrund. Aktualisierung neuer Impulse für die TA ist nur in einem transdisziplinären kommunikativen Raum möglich. Dafür sollen die transdisziplinären Strategien methodologisch von den interdisziplinären getrennt werden, wo die letzten einen Dialog der ExpertInnen beinhalten, die ihr Wissen für die pragmatische Lösung einer Reihe ingenieurtechnischer Aufgaben anwenden. Die transdisziplinären Strategien verlassen bewusst den Rahmen dieser Expertenkreise, was die Anzahl der an der Diskussion beteiligten sozialen Akteuren durch die Intentionen – Wünsche – Werte der Fachleute und der „profanus“, d.h. Vertreter verschiedener sozialer Gruppen erweitert. Nicht umsonst zeigen verschiedene moderne Konzeptionen, dass rein wissenschaftliche und auch interdisziplinäre Herangehensweise bei der Lösung überlebenswichtiger praktischer Probleme des Alltags zu schematisch und zu einseitig sind (Decker, Gorokhov 2013). Nach Habermas kann die richtige ethische Selbsterkenntnis in der modernen demokratischen Gesellschaft nur gemeinsam erobert werden, was aktuell für RRI ist. In diesem Sinne Transdiziplinarität existiert zwischen der Wahrheit und dem Nutzen und bildet dadurch „unlösbaren Widerspruch“ (Aporie), den man nur im einmaligen Fall der Zeit – „hier und jetzt“ - aufheben könnte. Die Idee des Gemeinwohls stellt das Begreifen davon dar, wie die Menschen mit unterschiedlichen Wertevorstellungen zusammen leben können, d.h. sie ist das Prinzip des Erhaltens von Unterschieden und „polemos“. Deswegen sind die Regeln RRI keine allgemeinen Problemlösungen, sondern die Regeln des Konkurrenzkampfes zwischen verschiedenen Wertesystemen im Rahmen des öffentlichen Dialogs, dessen Endziel – polemos – bewusste Einstellung auf bewusste Zusammenarbeit (Synergieeffekt) ist.
Im Rahmen dieser Arbeit werden die Methodologie des Unterscheidens zwischen inter- und transdisziplinären Forschungsstrategien, sowie das Schaffen eines transdisziplinären kommunikativen Raums durch konkrete empirische Forschungen im Bereich der innovativen Medizin unterstützt. Es geht hier um die Verwirklichung des internationalen Projekts „Gemeinsame Forschungen der Permer nationalen polytechnischen Forschungsuniversität und der föderalen polytechnischen Schule Lausanne auf dem Gebiet des Diabetes und metabolischer Erkrankungen“. Es wird gezeigt, dass an der „Schnittstelle“ zwischen ingenieurtechnologischen, fundamentalwissenschaftlichen, medizinischen und pharmakologischen Forschungen ein komplizierter interdisziplinärer Raum entsteht, der sich dann auf Grund der sozial-kulturellen Anforderungen zu einem transdisziplinären Dialog der verantwortlichen Forscher und Innovatoren halb- und außerhalb der wissenschaftlichen Kontexten entwickelt.
SEREDKINA Elena, Dozentin am Lehrstuhl „Philosophie und Recht“ an der geisteswissenschaftlichen Fakultät der Permer nationalen polytechnischen Forschungsuniversität (Russland). Forschungsschwerpunkte: Erkenntnistheorie, Technoscience, Theorie der Technikfolgenabschätzung, Ethik der Technik, Technikphilosophie von M. Heidegger.
CHERNIKOVA Irina, Professor, Doktor (habil.) der Philosophie, Leiterin des Lehrstuhls „Philosophie und Methodologie der Wissenschaft“ an der philosophischer Fakultät der Tomsker nationalen Forschungsuniversität (Russland). Forschungsschwerpunkte: Epistemologie, Kognitionswissenschaft, Komplexitätstheorie, Technoscience, NBIC-Technologien.
KOLESOVA Olga, Doktorand der Fakultät für Chemie und Technologie der Permer nationalen polytechnischen Forschungsuniversität (Russland). Forschungsschwerpunkte: Theorie der Technikfolgenabschätzung, Innovative Medizin, Medizinische Chemie.
Arnd Weber & Dirk Weber
Immer mehr sensible Anwendungen sind mit dem Internet verbunden. Ängste entstehen, wenn das zukünftige smart electricity grid über das Internet gesteuert wird, also z.B. Smartphones Autobatterien laden oder entladen lassen. Könnte ein Angreifer alle Autobatterien leeren, alle Lichter ausschalten? Ängste entstehen auch, wenn – mit mehreren Personenjahren Aufwand – Schadprogramme wie „Stuxnet“ geschaffen werden, die Industrieanlagen beeinflussen (Falliere et al. 2010). Auch große, professionell geschützte Firmen, wie Coca Cola oder die Sicherheitsfirma RSA konnten sich nicht erfolgreich gegen Angriffe schützen (Bloomberg 2012; Weber, Weber 2011). Die Snowden-Enthüllungen zeigten, dass US-Akteure das Ziel hatten, “(to) insert vulnerabilities into commercial encryption systems, IT systems, networks, and endpoint communications devices used by targets.” (Guardian 2013) Damit wurde die Sicherheit der gesamten Informationstechnik am Internet unterminiert.
Lösungsansätze
Man könnte einen Neuanfang machen und ein neues Netz mit neuen Computern aufbauen. In diesem System wären ausschließlich digital signierte Programme zugelassen, vielleicht sogar nur solche, deren Korrektheit bewiesen wurde. Aber das löst nicht alle Probleme, weil auch hier versehentlich oder absichtlich Schadprogramme produziert werden können. Außerdem wäre die Nutzung existierender Anwendungen wünschenswert. Diese, wie auch ihre Betriebssysteme, sind so groß, dass eine Überprüfung und Verbesserung bis zum Nachweis des sicheren Funktionierens Jahre dauern würde, ihre Entwicklung stoppen und sehr teuer wäre.
Damit bleibt als einzige Alternative, sensible Anwendungen von potentiell schädlichen zu isolieren. Die Kernidee ist, Anwendungen in einer Art Container oder in einem sog. Compartment einer Virtualisierungssoftware von anderen zu trennen. Ggf. würde ein Container z.B. mit einem ausgewählten Server kommunizieren. Mit diesem grundsätzlichen Lösungsansatz sind mehrere Probleme verbunden:
+ In der Hardware dürfen keine neuartigen „Trojanischen Pferde“ verborgen sein. Deshalb müsste die Herstellung entsprechend transparent und kontrolliert stattfinden.
+ Es gibt wenig Erfahrung mit dem Bau fehlerfreier oder bewiesenermaßen sicherer, komplexer, offener Computersysteme. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, dass ein neuartiger Angriff durchgeführt wird. Z.B. könnte es einem Schadprogramm gelingen, Zugangsdaten wie Passwörter durch Abhören von Sensoren herauszufinden. Auf derartigen Angriffsmöglichkeiten bzw. Restrisiken beruht die übliche Aussage von Sicherheitsfachleuten, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gebe.
Es gibt nun mehrere Möglichkeiten, Sicherheit durch Isolation herzustellen. Zum einen könnten lediglich Anwendungen samt ihren Daten voneinander isoliert werden (vgl. Bizztrust 2014). Zum anderen könnten Betriebssysteme isoliert werden. Schließlich kann die Sicherheit mehr oder weniger stark erhöht werden, z.B. durch allmähliche Einführung verbesserter Verfahren, durch intensive Tests, durch Zertifizierungen und schließlich durch Beweise.
Rolle der Technikfolgenabschätzung (TA)
Für die TA bedeutet dies, die verschiedenen Lösungsansätze hinsichtlich ihrer Sicherheit, Ökonomie und ggf. Benutzbarkeit zu bewerten. Wichtig ist ferner die Einschätzung der Restrisiken hochsicherer Lösungen. Das Ziel sollte sein, die BürgerInnen über diese umfassend zu informieren. Entsprechend könnte jedes Restrisiko analysiert und bewertet werden. TA könnte damit, in Kooperation mit den Spezialisten aus den technischen Feldern, IT-Systeme entwerfen, deren theoretische Restrisiken nach bestem Wissen irrelevant für bestimmte Anwendungen sind.
Technikfolgenabschätzung sollte über diese Optionen und Restrisiken informieren. Durch diese Öffentlichkeit können Gesetzgebungsorgane und andere Akteure im politischen Raum politischen Druck aufbauen, um sicherere Systeme einzuführen. Öffentlicher Druck, insbesondere in der Form von Vorschriften, Haftungsregelungen o.ä. hätte den Vorteil, dass Herstellern, die sicherere Lösungen anbieten, kein ökonomischer Nachteil erwächst, wie dies heute der Fall ist (vgl. das White Paper von Gernot Heiser in Jacobi et al. 2013; Waidner et al. 2013).
Insgesamt würde TA damit technische und sozioökonomische Pfade aufzeigen, die zu praktisch nicht aus dem Netz angreifbaren IT-Systemen führen.
ARND WEBER ist Mitarbeiter des Karlsruher Instituts für Technologie (ITAS).
DIRK WEBER ist IT-Consultant.
Mirjam-Elisabeth Möllmann & Stefanie Fehse
Innovationen, die die Bewältigung drängender Probleme erlauben oder zu dieser beitragen können, gelten in jeder Hinsicht als zu etablieren – ganz gleich welche Akteure fragt werden – insbesondere wenn keine negativen Folgen zu erwarten sind und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass es im Kontext dieser neuen Technologien zu Konflikten kommt oder sich Widerstände formieren, gering ist. Zu den aktuellen Herausforderungen zählen die Minimierung des CO2-Ausstoßes sowie der vermehrte Einsatz von aus regenerativen Quellen gewonnenen Energieressourcen und damit auch die Umsetzung der Energiewende im Allgemeinen. Elektromobilität wird in diesem Kontext großes Potential beigemessen, zum einen was die Senkung der CO2-Emissionen betrifft – die allerdings nur dann gewährleistet ist, wenn die Autos mit Strom aus alternativen Quellen geladen werden – zum anderen im Hinblick auf die Zwischen-Speicherung von Energie und die Bereitstellung von sogenannten Minutenreserven für das elektrische Netz (u.a. Kahlenborn et. al 2013: 77, 113 ff.; ebenfalls, jedoch kritischer, da Lebenszyklusanalysen zugrunde gelegt werden, de Haan und Zah 2013 sowie Peters et. al. 2012: v.a. 239-254). Elektroautos haben allerdings gegenüber Verbrenner-Fahrzeugen den Nachteil, dass die Reichweite begrenzt ist, erheblich von dem Fahrstil und der Außentemperatur abhängt und die Ladezeit bis zu neun Stunden beträgt. Aufgrund dieser Eigenschaften werden Elektroautos als Zweitwagen für den Stadtverkehr empfohlen, vor allem jedoch für den Einsatz in gewerblichen Flotten. Die Einschätzung ist, dass schon heute die Mobilitätsanforderungen von gewerblichen Fuhrparken zu einem großen Teil elektrisch gedeckt werden können und der Einsatz von Elektroautos in gewerblichen Flotten besonders vielversprechend ist, um eine umweltfreundliche Mobilitätsform zu etablieren (u.a. Nationale Plattform Elektromobilität 2010: 33 ff.) – insbesondere weil gewerbliche Wege einen erheblichen Anteil am mobilisierten Individualverkehr haben, in Deutschland mehr als 13 Prozent, und gewerblichen Flotten Multiplikatorfunktion zugesprochen wird (vgl. Peters/Dütschke 2010: 29 ff.).
Vor diesem Hintergrund kann Elektromobilität als „Responsible Innovation“ bezeichnet werden, vor allem dann, wenn sich die Technologie durchsetzt und die in diesem Bereich in großem Umfang ausgegebenen Forschungs- und Fördergelder nicht verpuffen. Voraussetzung dafür ist allerdings, die konkreten Probleme, die sich im Zusammenhang mit der Anwendung dieser Technologie ergeben, in den Blick zu nehmen. TA Aufgabe ist hier, nicht nur nach den Folgen für die Gesellschaft als Ganzes zu suchen, sondern auch nach den Auswirkungen auf den Arbeitsalltag derjenigen, die die neue Technologie einsetzen, zu fragen. In der Euphorie, die sich im Kontext der ressourcenschonenden und emissionsarmen Elektromobilität verbreitet, gerät dies leicht aus dem Blickfeld, was dazu führt, dass eine objektive Beurteilung nicht erfolgt und Verbesserungschancen ungenutzt bleiben.
Die Auswirkungen der Elektromobilität auf den konkreten Arbeitsalltag zu untersuchen, ist Teil des interdisziplinären Forschungsprojektes „Pfleg!E-mobil – Elektromobilität im Anwendungskontext: Verbesserung der Marktgängigkeit von Elektrofahrzeugen, insbesondere für gewerbliche Fuhrparke am Beispiel einer ambulanten Pflegeflotte“. Im Rahmen des Projektes werden sieben Elektroautos unterschiedlicher Hersteller in der Flotte des Pflegedienstes des DRK OWL eingesetzt. Dieser Modell-Versuch bietet die Möglichkeit, die reale Nutzungssituation zum Gegenstand empirischer Analysen zu machen. Darüber hinaus werden weitere, maximal kontrastive (teil-)elektrifizierte Flotten in die Untersuchung einbezogen. Ziel des Vorhabens ist es, die Eignung von Elektroautos für den ambulanten Pflegedienst und gewerbliche Flotten im Allgemeinen zu prüfen und Empfehlungen dazu zu geben, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, damit sich Elektro-Fahrzeuge am Markt behaupten können. Erste Ergebnisse der soziologischen Untersuchung, die darüber Aufschluss geben, welche Schwierigkeiten sich bei dem Einsatz von E-Autos – insbesondere in einer Pflegedienstflotte – für die Nutzer ergeben, werden dargestellt. Vor diesem Hintergrund wird erläutert, welchen Einfluss diese Schwierigkeiten auf das Image und damit auch die mögliche Verbreitung von E-Mobilität im Allgemeinen haben. Darüber hinaus werden Ideen entfaltet, wie den Schwierigkeiten begegnet und die Attraktivität von E-Autos gesteigert werden kann.
Mirjam-Elisabeth MÖLLMANN und Stefanie FEHSE studierten Soziologie an der Universität Bielefeld und sind als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen in dem Projekt „Pfleg!E-mobil: Elektromobilität im Anwendungskontext“ tätig. Zu ihren Forschungsinteressen gehören Professionalisierungstheorie, Beratungsforschung, Wissenschafts- und Techniksoziologie sowie Hochschulforschung.
Ulrich Riehm & Michael Nentwich
Aktuell entstehen auf internationaler Ebene zwei Internetportale für die TA.
Im Rahmen des deutschsprachigen Netzwerks TA (NTA), gefördert durch die DFG und durchgeführt vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) unter Federführung des ITAS, wird das Fachportal openTA aufgebaut. Es bietet an der Adresse www.openta.net bereits einen gemeinsamen News-Dienst der NTA-Mitgliedsorganisationen, einen TA-Kalender, das NTA-Mitgliederverzeichnis und einen TA-Blog. Anlässlich der NTA6 wird das Fachportal openTA erstmals öffentlich präsentiert; dort soll auch der Prototyp des openTA-Literaturdienstes demonstriert werden. openTA baut auf den vorhandenen Ressourcen der NTA-Mitgliedsorganisationen auf, aggregiert diese und reichert sie inhaltlich wie funktional an. Die Nutzung der openTA-Dienste erfolgt nicht nur über das Portal openTA.net, sondern ist auch über personalisierbare und konfigurierbare Dienste beim Endnutzer selbst möglich. openTA ist eine große Chance, die Kooperation im Netzwerk TA zu intensivieren und die Technikfolgenabschätzung in den D-A-CH-Ländern in der Öffentlichkeit noch präsenter zu machen.
Im Rahmen des von der EU geförderten Projekts PACITA entstand weiters das internationale TA Portal (http://technology-assessment.info). Hier findet man bereits TA-Institute, TA-Projekte, TA-Publikationen und TA-ExpertInnen von 14 europäischen TA-Einrichtungen; die Einbeziehung weiterer Einrichtungen ist auf dem Weg.
Der aktuelle Entwicklungsstand beider Portale wird in dieser Session live vorgestellt.
Univ.-Doz. Dr. Michael NENTWICH ist seit 2006 Direktor des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte im Bereich Technikfolgenabschätzung und Wissenschafts- und Technikforschung sind insbesondere die Nanotechnologien und das Internet. In seinem 2012 erschienenen Buch „Cyberscience 2.0“ (Campus) befasst er sich mit den Auswirkungen des Web 2.0 auf die Wissenschaft.
Dipl.-Soz. Ulrich RIEHM war von 1979 – 2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) in Karlsruhe (bzw. des Vorgängerinstituts) und ist seit 2005 Mitarbeiter des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien, zuletzt etwa zu elektronischen Postdiensten und elektronischen Petitionen.
Petra Ahrweiler, Thomas Jakl, Regine Kollek & Peter Skalicky
Prof. Dr. Petra AHRWEILER: Petra Ahrweiler ist Direktorin der Europäischen Akademie Bad Neuenahr-Ahrweiler leitet und hat an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz einen Lehrstuhl für Technikfolgen- und Innovationsforschung inne. Sie studierte Soziologie, Politikwissenschaft und Journalistik an der Universität Hamburg, war von 2001 bis 2007 Leiterin des Bereichs Innovationsforschung an der Arbeitsstelle Medien und Politik und von 2007 bis 2013 ordentliche Professorin für Technologie- und Innovationsmanagement am University College Dublin. Von 2008 bis 2012 war sie zudem als Gastprofessorin affiliiertes Mitglied der Fakultät Engineering Systems Division am Massachusetts Institute of Technology. Ahrweilers Spezialgebiet ist die Simulation von Innovationsprozessen in komplexen sozialen Systemen. Zu ihren aktuellen Publikationen zählt: Petra Ahrweiler, Riccardo Viale. (editors) (2013): Mind & Society. Cognitive Studies in Economics and Social Sciences, issue 1, vol. 12, a special issue on „Cultural and Cognitive Dimensions of Innovation“.
Dr. Thomas JAKL: Thomas Jakl studierte Biologe und Erdwissenschaftler. Er ist Stv. Leiter der Sektion VI für Abfallwirtschaft, Stoffstrommanagement und Chemiepolitik im Umweltministerium. Er ist Aufsichtsratsvorsitzender der BALSA (Bundesaltlasten-Sanierungsgesellschaft); stv. Aufsichtsratsvorsitzender der Umweltbundesamt GmbH und österr. Vertreter im Management Board der EU-Chemikalienagentur (ECHA). Jakl hat zahlreiche Veröffentlichungen zur Umweltproblematik vorgelegt. Er ist Lektor an der FH Technikum Wien, an der Medizinischen Universität Wien sowie an der Karl Franzens-Universität Graz. Zu seinen aktuellen Publikationen zählt: Thomas Jakl, Reinhard Joas, Rainer F. Nolte, Rudolf Schott, Andreas Windsperger (Hrg.), (2003), Chemikalien-Leasing: Ein intelligentes und integriertes Geschäftsmodell als Perspektive zur nachhaltigen Entwicklung in der Stoffwirtschaft, 2003, Springer Verlag.
Prof. Dr. Regine KOLLEK: Regine Kollek ist Dipl. Biologin, Dr. rer nat und Professorin für Technologiefolgenabschätzung der modernen Biotechnologie in der Medizin im Forschungsschwerpunkt Biotechnik, Gesellschaft und Umwelt der Universität Hamburg. Von 1985 bis 1987 arbeitete Regine Kollek im wissenschaftlichen Stab der Enquête-Kommission Chancen und Risiken der Gentechnologie des Deutschen Bundestages in Bonn. Sie war von 2008 bis 2012 Mitglied im Deutschen Ethikrat. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Technikfolgenabschätzung und -bewertung; Bioethik, Wissenschafts- und Technikethik; Social Studies of Science. Zu ihren aktuellen Publikationen zählt: Regine Kollek (2013): Gentechnik. In: Armin Grunwald (Hrg.): Handbuch Technikethik. J.B. Metzler, Stuttgart, Weimar, S. 279-287.
Prof. DI Dr. Peter SKALICKY: Peter Skalicky ist seit 1979 Ordentlicher Professor für Angewandte Physik an der TU Wien. Er war von 1991 bis 2011 Rektor der TU Wien und Mitglied in zahlreichen nationalen und europäischen Komitees im Forschungsmanagement. Von 1995 bis Juni 1999 war er Vorsitzender der Österreichischen Rektorenkonferenz. Er wurde 2004 zum Officier des französischen Ordre national du Mérite ernannt, und im selben Jahr bekam er das Große Silberne Ehrenzeichen der Stadt Wien. Er ist Mitgründer von TU Austria, einer Kooperationsplattform der Technischen Universitäten in Wien und Graz sowie der Montanuniversität Leoben. Seit 2010 ist Peter Skalicky Mitglied und stellvertretender Vorsitzender des Rates für Forschung und Technologieentwicklung. Seine zahlreichen Publikationen beschäftigen sich mit Fragestellungen aus der Festkörperphysik, der Kristallphysik sowie der Elektronen- und Röntgenbeugung.