Projektleitung: Michael Pucher

Beginn des Projekts: 1. Februar 2019

Projektbeschreibung

Um den aktuellen Zustand einer Sprache zu erheben, soll bekanntlich der Sprachgebrauch eines alten, ländlichen, nicht mobilen Mannes analysiert werden. Für Entwicklungstendenzen einer Varietät sollte man jedoch die Sprache einer jungen und gebildeten Frau im urbanen Bereich untersuchen. Der Sprachgebrauch von jungen Frauen stellt ein besonders interessantes Forschungsfeld dar: Sie gelten als Initiatoren und Treibkräfte linguistischer Neuheiten einer Sprache, lautlich wie lexikal, die sich von Großstädten aus in den weiteren Sprachraum verbreiten können. Ebenso wird angenommen, dass aufgeschlossene junge Frauen linguistische Innovationen rascher übernehmen als ihre männlichen Peers. Sie verleiben sich eine neue Art zu sprechen schneller ein und geben diese an ihre späteren Kinder weiter. Frauen tendieren auch dazu, sprachliche Merkmale als social identifier zu verwenden, um sich der gleichen Peergroup zugehörig zu zeigen und können dadurch zu einem Sprachwandel beitragen.

Die Stadt Wien hat sich in den vergangenen 30 Jahren stark verändert; so ist die Bevölkerung um 15% gestiegen und mit ihr auch die Anzahl der gesprochenen Sprachen. Laut einer Erhebung der Arbeiterkammer werden in Wien ca. 100 verschiedene Sprachen verwendet und man kann Wien nicht absprechen, weiterhin als ein Schmelztiegel verschiedenster Sprachen und Kulturen in Mitteleuropa zu gelten. Dass sich diese gesellschaftlichen bzw. gesellschaftspolitischen Veränderungen nicht nur im lexikalischen Sprachgebrauch der WienerInnen widerspiegeln, sondern ebenso in ihrer physiologischen Stimme zum Ausdruck kommen, soll hier den Ausgangspunkt der Studie darstellen.

In dieser Untersuchung wird die Stimme als der physiologische und im Vokaltrakt modulierter Schall zur Lautäußerungen des Menschen gesehen. Die Stimme kann abgesehen davon auch als Ort des verkörperlichten Herz der gesprochenen Sprache gelten, die den Körper durch Indexikalität im sozialen Raum verankert. Als Vehikel der persönlichen Identität kann die Stimme nicht nur soziokulturelle, sondern auch gesellschaftspolitische Merkmale (bspw. „Frauen in Führungspositionen haben eine tiefere Stimme“) widerspiegeln. Hier übernimmt die Soziophonetik eine tragende Rolle, denn sie stellt ein wichtiges Instrument dar, das es ermöglicht, den sozialen Raum und seine gesellschaftsrelevanten Diskurse mit dem Individuum zu verknüpfen.

Studien aus dem angloamerikanischen Raum wie legen nahe, dass sich die Stimme der jungen Frau in einem Wandel befindet. Das soziophonetische Stimmphänomen Vocal Fry hat sich inzwischen im angloamerikanischen Raum zum prominenten Sprachmerkmal junger, gebildeter und urbanen Frauen entwickelt.

Basierend auf zwei Korpora soll eine Longitudinalstudie entstehen, die nachskizziert, inwiefern sich die Stimme der jungen Wienerin geändert hat. Soziophonetische Studien zu Frauenstimmen gibt es in Österreich nicht, vor allem in Hinsicht auf die angestrebte Qualität der Studie. Durch ihren longitudinalen Charakter kann sie aufzeigen, in wie weit das gesellschaftliche Geschehen Einfluss auf die Stimme der Frau ausübt.

Darüber hinaus bietet diese Studie eine einmalige Gelegenheit, eine Momentaufnahme der Wienerin und ihrer Stimme zu erhalten und sie in einen historischen Kontext zu setzen.

Team

Finanzierung

Kultur Wien