03.06.2024 | Verlust

ÖAW trauert um Archäologin Sabine Ladstätter

ÖAW-Präsident Faßmann: „Ladstätter hat mit ihrer Forschung in Ephesos maßgeblich zum weltweiten Ansehen der österreichischen Archäologie beigetragen.“

Sabine Ladstätter. © ÖAW/ÖAI/Niki Gail

Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) trauert um Sabine Ladstätter. Die renommierte Archäologin verstarb im Alter von 55 Jahren. Ladstätter war als Direktorin des Österreichischen Archäologischen Instituts der ÖAW und als wirkliches Mitglied der Akademie auf das Engste verbunden. Ihr Tod bedeutet einen großen Verlust für die österreichische Forschungslandschaft und die internationale wissenschaftliche Gemeinschaft. Die Akademie verliert mit ihr eine hoch angesehene Expertin ihres Fachs, eine herzliche Kollegin mit großen Führungsqualitäten und eine leidenschaftliche Wissenschaftskommunikatorin.

Heinz Faßmann, Präsident der ÖAW, zeigt sich in einer ersten Reaktion zutiefst betroffen: „Sabine Ladstätter war eine brillante österreichische Wissenschaftlerin von internationaler Strahlkraft. Ich habe sie stets als einen Menschen voller Tatendrang erlebt. Sie brannte für ihr Fach, die Archäologie, und hatte die große Gabe, diese Leidenschaft und Begeisterung auch einem breiten, nichtwissenschaftlichen Publikum vermitteln zu können. Mit ihrer Forschung insbesondere in Ephesos hat sie maßgeblich zum weltweiten Ansehen der österreichischen Archäologie beigetragen. Ein außergewöhnlicher Mensch mit herausragenden Fähigkeiten ist von uns gegangen. Ihr Verlust schmerzt uns alle tief."

Erste Frau an der Spitze der Grabung Ephesos

Sabine Ladstätter wurde am 22. November 1968 in Klagenfurt geboren und studierte Klassische Archäologie, Alte Geschichte und Altertumskunde an der Universität Graz. Ihre erste Grabungsleitung hatte sie zwischen 1992 bis 1998 am Hemmaberg in Kärnten inne, wo Archäolog:innen bis heute Grabungen zur Spätantike durchführen. Ladstätter promovierte 1997 an der Universität Wien und nahm bereits seit 1995 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Ausgrabungen im türkischen Ephesos teil.

Seit dieser Zeit war sie auch an der ÖAW beschäftigt, zunächst an der Forschungsstelle Archäologie, später am Institut für Kulturgeschichte der Antike, dessen stellvertretende Direktorin sie von 2001 bis 2007 war. In diesem Jahr wechselte sie an das Österreichische Archäologische Institut, dessen Direktorin sie 2009 wurde. Damit übernahm sie – als erste Frau – auch die Leitung der Grabung Ephesos, Österreichs größte archäologische Ausgrabung im Ausland mit rund 300 Beschäftigten aus zahlreichen Ländern.  

Sensationsfunde und Weltkulturerbe

Die Forschungsbereiche, denen sich Ladstätter in ihrer wissenschaftlichen Arbeit widmete, umfassten die römische und byzantinische Archäologie, Wirtschaftsarchäologie und Keramikforschung. Sie trug zudem maßgeblich dazu bei, neue Methoden in der Archäologie zu etablieren, wie die Bioarchäologie und die Geoarchäologie. Ein zentrales Anliegen waren ihr auch Cultural Heritage Studies und die Bewahrung des kulturellen Erbes durch Restaurierung.

Das zeigt sich nicht zuletzt in Ephesos. Seit über 125 Jahren graben österreichische Archäolog:innen in der antiken Stadt an der türkischen Westküste. Gemeinsam mit internationalen Teams und türkischen Kolleg:innen gelang es, durch Grabung, Restaurierung und Konservierungsarbeiten das Flair einer tausende Jahre alten Großstadt wieder auferstehen zu lassen. 2022 konnte Ladstätter beispielsweise mit Kolleg:innen einen spektakulären Fund präsentieren: Unter einer mächtigen Schutt- und Brandschicht wurde ein frühbyzantinisches Geschäfts- und Lokalviertel inmitten der Stadt freigelegt. Mittlerweile zieht Ephesos jährlich mehr als zwei Millionen Besucher:innen an und ist – nicht zuletzt dank der Arbeiten von Ladstätter und ihrem Team – seit 2015 Weltkulturerbe der UNESCO.

Begnadete Wissenschaftsvermittlerin

Ihre Forschungsarbeiten teilte Sabine Ladstätter nicht nur mit einem Fachpublikum. Sie war auch eine begnadete Vermittlerin wissenschaftlichen Wissens an die breite Öffentlichkeit. Für ihren Einsatz in der Wissenschaftskommunikation und ihre Fähigkeit die Faszination ihres Faches an junge und erwachsene Menschen weiterzugeben wurde sie 2011 vom Klub der Bildungs- und WissenschaftsjournalistInnen zur Wissenschaftlerin des Jahres gewählt. Mit „Knochen, Steine, Scherben. Abenteuer Archäologie“ konnte sie 2014 das Wissenschaftsbuch des Jahres vorlegen.

Sabine Ladstätter war korrespondierendes Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts und des Archaeological Institute of America. Gastprofessuren führten sie unter anderem an die École normale supérieure de Paris und die Stanford University. 2023 wurde sie zum wirklichen Mitglied der ÖAW gewählt.

Die Akademie nimmt mit großer Trauer Abschied von Sabine Ladstätter und ist in Gedanken bei ihrer Familie.