04.09.2024 | Weltraumforschung

Frühstück auf dem Mars

Welche unerwarteten Abenteuer erwarten Wissenschaftler:innen am Mars? Weltraumforscher Cyprien Verseux spricht im Interview über seine Aufenthalte in der Antarktis und im Mars-Trainingslager und erklärt, was auf dem Speiseplan künftiger Mars-Besucher:innen stehen könnte.

Wissenschaftler:innen wie Cyprien Verseux versuchen, das menschliche Überleben auf dem Mars zu erforschen. © Adobe Stock, imaginierte Illustration der Marsoberfläche

Was gibt's am Mars zum Frühstück? Diese Frage musste sich auch Weltraumforscher Cyprien Verseux stellen. Gemeinsam mit der ESA-Reserveastronautin Carmen Possnig hält er einen Vortrag im Rahmen der Astrobiologietagung EANA Conference (European Astrobiology Network Association), die vom 3. bis. 6. September stattfindet. Die EANA 2024 wird vom Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) unter Beteiligung der TU Graz, der MedUni Graz sowie der Uni Wien organisiert. 

Worüber sprechen Sie in Ihrem Vortrag auf der EANA?

Cyprien Verseux: Carmen und ich werden über Erfahrungen als Weltraumfroscher:innen und unsere spannendsten Forschungsexpeditionen sprechen. Wir haben zusammen ein Jahr auf der Forschungsstation Concordia in der Antarktis gearbeitet, wo wir im Winter Temperaturen von unter minus 80 Grad erlebt haben. Ich war außerdem Teil der “HI-SEAS”-Misision” (Hawaii Space Exploration Analog and Simulation IV, Anm.), bei der ich mit Kolleg:innen ohne Kommunikation zur Außenwelt in einer Kuppel mit 11 Meter Durchmesser auf einem Vulkan in Hawaii gelebt habe, um die menschlichen Faktoren einer künftige Mission zum Mars zu untersuchen.

Das ist abenteuerlich. Haben Sie damit gerechnet, als Sie sich für eine Karriere als Astrobiologe entschieden haben?

Verseux: Vor zehn Jahren hatte ich einen Plan, aber natürlich ist alles anders gekommen, als erwartet. Nach und nach haben sich Möglichkeiten ergeben und so bin ich dann in der Antarktis gelandet. Die Weltraumforschung kann einen an ungewöhnliche Orte führen, wenn man offen dafür ist. Die Arbeit unter extremen Bedingungen kann zwar herausfordernd sein, aber die Erfahrungen, die man sammelt, sind sehr bereichernd. 

Der Aufbau einer permanenten Zivilisation auf dem Mars ist aus heutiger Sicht Science Fiction. 

Ihre Arbeit beschäftigt sich mit zukünftigen Reisen zum Mars. Sind wir sicher, dass Menschen außerhalb der Biosphäre der Erde dauerhaft existieren können?

Verseux: Wir wissen aus unseren Erfahrungen mit Weltraumstationen, dass wir zumindest kurzfristig abgeschnitten von der Biosphäre überleben können. Eine Zivilisation am Mars aufzubauen ist sicher schwieriger, aber zumindest einige Monate für eine Rundreise zum Mars können wir überleben. Ob wir den Mars mit bemannten Missionen erkunden, hängt aber vor allem von Investitionen ab, um die nötige Technologie zu entwickeln. Aus psychologischer Sicht ist eine Reise zum Mars machbar, solange man die richtigen Leute auswählt und entsprechend trainiert. Eine permanente Station mit wechselnder Besetzung wie in der Antarktis sollte also möglich sein. Der Aufbau einer permanenten Zivilisation auf dem Mars ist aus heutiger Sicht Science Fiction. 

Wenn Menschen zum Mars fliegen

Warum wollen wir Astronauten zum Mars schicken?

Verseux: Für die Wissenschaft geht es um die Erforschung des Universums. Auf dem Mars können wir viel Neues lernen, wenn Menschen vor Ort sind. Roboter können WissenschaftlerInnen nicht ersetzen. Ob das den finanziellen Aufwand rechtfertigt, ist eine politische Frage. Die USA möchten ihre Führungsrolle im Weltraum gerne behalten, das ist ein wichtiger Treiber für die bemannte Raumfahrt. Wenn Menschen den Mars erreichen, wäre das sicher eine Inspiration für die Welt, ähnlich wie die erste Mondlandung. Und nicht zuletzt würden wir technisch auf dem Weg zum Mars sicher viele Fortschritte machen, die auch auf der Erde zu nützlichen Anwendungen führen. 

Wenn Menschen den Mars erreichen, wäre das sicher eine Inspiration für die Welt, ähnlich wie die erste Mondlandung.

Wie lange werden die ersten Astronaut:nnen auf dem Mars bleiben?
Verseux: Es gibt mehrere Szenarien. Denkbar wäre etwa eine jeweils etwa sechs bis acht Monate lange Hin- und Rückreise mit einem Marsaufenthalt von etwa 18 Monaten.

Würden Sie selber mitfliegen, wenn Sie gefragt würden?

Verseux: Ja, ich denke ich würde mitfliegen.

Sie erforschen Mikroorganismen, die uns den Weg zum Mars ebnen könnten. Wie funktioniert das?
Verseux: Wenn wir länger auf dem Mars bleiben wollen, können wir nicht alles mitnehmen, was wir zum Überleben brauchen. Mikroben erlauben es, Nahrung, Sauerstoff und andere Verbrauchsgüter vor Ort zu produzieren. Wir haben im Labor schon gezeigt, dass wir in geschlossenen Ökosystemen auf dem Mars Cyanobakterien züchten können, mit Materialien, die wir dort finden. Diese Cyanobakterien dienen dann als Nahrung für andere Mikroorganismen, die Treibstoff, Kunststoffe oder Zucker produzieren könnten. Die Cyanobakterien sind auch die Grundlage für die Aufzucht von Pflanzen mit hydroponischen Systemen . 

Ist das auch praktisch umsetzbar?
Verseux: Dieser Ansatz kann sehr ressourceneffizient sein, wenn wir länger auf dem Mars bleiben wollen. Aber um das zu prüfen, müssen wir auf molekularer Ebene noch mehr über die Systeme lernen und versuchen, ihre Effizienz weiter zu steigern. Grundsätzlich bekommen die Cyanobakterien auf dem Mars Kohlenstoff und Stickstoff aus der Atmosphäre. Wasser und Licht sind ebenfalls in ausreichenden Mengen vorhanden. Alle anderen Elemente, die Cyanobakterien brauchen, wie Eisen oder Magnesium, können wir aus der Marserde gewinnen. Wenn wir nur einen Kurzbesuch machen, ist es einfacher, alles mitzubringen, was wir brauchen. Das wird bei den ersten Missionen sicher der Fall sein. 

Der Speiseplan auf dem Mars

Wann fliegen Menschen zum Mars?

Verseux: Das ist, wie gesagt, hauptsächlich eine politische Frage. Ich glaube nicht, dass es vor 2039 passieren wird. Aber in 20 Jahren könnten wir schon einige bemannte Marsflüge gesehen haben. Sehr wahrscheinlich wird der erste Besuch eine internationale Mission sein. Kein Land kann ein so komplexes Unterfangen alleine bewältigen. 

Für längere Aufenthalte könnten auch Weizen, Süßkartoffel oder Soja angebaut werden.

Würden Marsastronaut:innen Mikroben direkt essen?

Verseux: Man kann Mikroben essen, wenn man sie verarbeitet. Das schmeckt allerdings oft nicht sehr gut. Für die Astronaut:innen werden wir unter anderem aus psychologischen Gründen Pflanzen züchten. Salat wächst schnell und ist einfach zu züchten, für längere Aufenthalte könnten auch Weizen, Süßkartoffel oder Soja angebaut werden. Unsere Cyanobakterien könnte man wahrscheinlich auch essen, aber sie eignen sich nich, um den Nahrungsmittelbedarf eines Menschen effizient zu decken.

Im Buch “The Martian” überlebt ein auf dem Mars zurückgelassener Astronaut, indem er Kartoffeln in einer Mischung aus Marserde und seinen eigenen Fäkalien anbaut. Ist es wirklich so leicht?
Verseux: Nicht ganz. Die Erde auf dem Mars ist giftig für Pflanzen, unter anderem weil sie Perchlorate enthält. Deshalb werden wir Pflanzen auf dem Mars wohl in hydroponischen Systemen ohne Erde anbauen. Man könnte die Erde natürlich auch so bearbeiten, dass sie nicht mehr giftig für Pflanzen ist, aber das würde mehrere Schritte erfordern und man müsste prüfen, ob das für die geplante Missionsdauer effizient wäre.

 

AUF EINEN BLICK

EANA 2024

Zum Vortrag

Cyprien Verseux ist Forscher an der Universität Bremen. Er beschäftigt sich unter anderem mit mikrobieller Ökologie und angewandter Mikrobiologie, Stoffwechselphysiologier, Biochemie und Genetik der Mikroorganismen im Bezug auf Weltraumforschung. Seit 2021 leitet er das Laboratory of Applied Space Microbiology des ZARM - Zentrum für Angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation der Universität Bremen und ist Project Leader von “Setting the ground for sustainable bioproduction in a Martian settlement”.