12.08.2024 | US-Wahl

Freiheit, Memes und Kokosnüsse: Die Rhetorik im US-Wahlkampf

Am 10. September soll es soweit sein: US-Präsidentschaftskandidat:innen Kamala Harris und Donald Trump stellen sich einer TV-Debatte. Amerikanistin Katharina Wiedlack spricht im Interview über die bisherige Rhetorik der Kandidat:innen, die Bedeutung von Social Media und wie junge Wähler:innen dadurch gewonnen werden sollen.

Die Rhetorik der US-Präsidentschaftskandidat:innen wird auch dieses Jahr im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. © Shutterstock

Die Unterschiede zwischen den beiden Präsidentschaftskandidat:innen im aktuellen US-Wahlkampf könnten nicht größer sein. Auf der einen Seite Vizepräsidentin Kamala Harris, die mit ihrer Betonung auf Freiheit, Abtreibungsrechte und Waffenregulierung punkten will, auf der anderen Seite Ex-Präsident Donald Trump, der sich plötzlich in der Defensive sieht. Einen Überblick über die Rhetorik und Positionierung der beiden Kandidat:innen gibt Amerikanistin Katharina Wiedlack, die Mitglied der Jungen Akademie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist.

Freiheit als Wahlversprechen

Was zeichnet Kamala Harris‘ Kampagne bisher aus?

Katharina Wiedlack: Kamala Harris‘ Kampagne steht zwar noch am Anfang, aber der zentrale Begriff in ihrem ersten Wahlkampf-Video ist „Freedom“: an erster Stelle steht der American Dream, die Freiheit für Arbeiter:innen, sich nach Oben arbeiten zu können. Letztere muss Harris für sich gewinnen, will sie gewinnen; doch auch die Freiheit von der Waffengewalt, die Freiheit von rassialisierter Gewalt und die reproduktive Freiheit, also die Freiheit, über den eigenen Körper zu bestimmen stehen im Mittelpunkt. Abtreibung ist eines ihrer wichtigsten Themen, das sie auch von Biden abhebt. Der hatte immer ein großes Unbehagen, über Abtreibung zu sprechen, was Harris nicht hat. Den Ruf nach Freiheit verbindet sie auch mit ihrer eigenen Biografie und bezieht sich auf frühere Generationen von Amerikaner:innen, die für Freiheit gekämpft haben, von den Gründervätern bis zu den „Freedom Riders“ der Bürgerrechtsbewegung. Sie betont auch immer wieder, dass sie die Tochter von Civil Rights Aktivist:innen ist.

Harris geht in die Offensive, was für Trump natürlich eine ganz neue Situation ist.

Wie tritt sie gegenüber Trump auf?

Wiedlack: Sie hat sich von Beginn an als ehemalige Staatsanwältin positioniert, die das Recht vertritt, während Donald Trump als Krimineller dasteht. Sie geht also wirklich in die Offensive, was für Trump natürlich eine ganz neue Situation ist. Gegenüber Biden war Trump immer derjenige, der angegriffen hat.

Was Trump "weird" macht

Trump ist also in die Defensive geraten?

Wiedlack: Genau, und damit kann weder Trump noch sein „running mate“ JD Vance gut umgehen. Die beiden sind es gewohnt, sich nie zu entschuldigen oder von ihrem Kurs abzuweichen. JD Vance ist im Prinzip eine jüngere Version von Trump, was im starken Kontrast steht zu der Auswahl, die Harris getroffen hat. Mit Tim Walz, dem Gouverneur von Minnesota, hat sie sich für einen Staatsmann entschieden, der aber auch volksnah ist und den man sich in einem Bierzelt vorstellen kann. Also das Gegenteil von Harris selbst.

Welche Rolle spielen „race“ und Gender in Donald Trumps Rhetorik gegenüber Harris?

Wiedlack: Trump ist immer noch Trump, er tätigt rassistische und misogyne Aussagen und verbreitet Unwahrheiten über Harris. Er ist auch der Meinung, Frauen schulden ihm Respekt. Aber ich habe den Eindruck, dass seine Angriffe nicht mehr so gut funktionieren.

"Weird“ beschreibt zwar etwas Negatives, aber es ist nicht untergriffig oder feindselig.

Demokrat:innen nennen Donald Trump „weird“ – was hat es damit auf sich?

Wiedlack: Tim Walz hat das Wort „weird“ (engl. „komisch“) als Reaktion auf einen Tweet von Donald Trump verwendet und seither wird es auch von Harris ständig wiederholt. „Weird“ beschreibt zwar etwas Negatives, aber es ist nicht untergriffig oder feindselig. Es sagt mehr über die eigene Überraschung aus, die man empfindet, wenn man Aussagen von Trump oder Vance hört, als über die Kandidaten selbst. Es ist auch kein gespreiztes Wort, das aus einem College-Vokabular kommt, sondern ein Jugendwort, das von allen ständig verwendet wird.

Social Media: Wahlkampf mit Popkultur

Welche Rolle spielt Social Media im aktuellen US-Wahlkampf?

Wiedlack: In der Vergangenheit hat die rechte Seite sehr viele Social Media Angriffe gegen Kamala Harris gestartet und sie auch dafür verspottet, dass sie manchmal Aussagen macht, die nicht sehr kohärent sind, z.B. „You think you just fell out of a coconut tree?“ Diese Memes sind jetzt ihre große Stärke, vor allem für eine junge Generation, die mit Memes aufgewachsen ist.

Die Gen Z wird jetzt zum ersten Mal wählen gehen und war nicht zu motivieren für Biden zu wählen.

Wie kann es gelingen, eine junge Wähler:innenschaft zu gewinnen?

Wiedlack: Kamala Harris und ihr Team sind sehr popkulturbewusst. Stars wie Megan Thee Stallion und Charlie XCX greifen die Memes auf und helfen Harris, bei der Gen Z populär zu werden. Die Gen Z wird jetzt zum ersten Mal wählen gehen und war nicht zu motivieren für Biden zu wählen, auch wenn sie tendenziell demokratisch eingestellt oder vielleicht sogar noch liberaler oder progressiver eingestellt sind. Biden hat zwar auch versucht, die Gen Z über Social Media zu anzusprechen, aber das hat nicht überzeugt. Das ist der Unterschied zu Harris.

 

AUF EINEN BLICK

Katharina Wiedlack ist Assistenzprofessorin am Institut für Anglistik und Amerikanistik der Universität Wien und seit 2020 Mitglied der Jungen Akademie der ÖAW. Ihr Forschungsschwerpunkte sind Amerikanistik, Gender Studies, Disability Studies und Medienanalyse.