15.07.2024

Exoplanet WASP-39 b im Visier

Asymmetrische Morgen- und Abendröte durch unterschiedliche Bewölkung?

In der Fachzeitschrift Nature Astronomy präsentiert ein internationales Team unter der Leitung des Space Telescope Science Institute in Baltimore, USA, neueste Erkenntnisse über den Exoplaneten WASP-39 b. Basierend auf Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop James Webb (JWST) ist es gelungen, den Transit des Planeten vor seinem Stern so hoch aufzulösen, dass sich Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung zwischen der Morgen- und Abendseite des Planeten zeigten. Die Exoplaneten-Forscher:innen des Grazer Instituts für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften unterstützen die JWST-Datenauswertung mit ihren Klima- und Wolkenmodellen.

Künstlerische Darstellung des Exoplaneten WASP-39 b mit seinem Stern (© NASA, ESA, CSA, Joseph Olmsted/STScI)

Sternenfinsternis im WASP-39-System

Der 1100 Kelvin (K) heiße Gasriese WASP-39 b, der sich alle vier Tage vor seinen Stern schiebt, verhält sich dabei ganz ähnlich wie der Erdmond während einer totalen Sonnenfinsternis. Unmittelbar vor und nach einer Totalität, d.h. der vollständigen Abdeckung der Sonne durch den Mond, gibt es auch immer eine partielle Finsternis, bei der sich vorzugsweise die rechte bzw. linke Hälfte des Mondes vor der Sonne befindet. Analog dazu verdeckt WASP-39 b unmittelbar vor und nach dem kompletten Transit für jeweils etwa 30 Minuten vorzugsweise mit der Morgen- bzw. Abendseite seinen Stern. Dieser Gasriese hat aber im Gegensatz zum Mond eine dichte Atmosphäre, die während eines Transits vom dahinterstehenden Stern durchleuchtet wird. Im vollen Transit ist "nur" eine gemittelte Atmosphäre messbar, bei der es zunächst unklar ist, wie groß die Unterschiede zwischen der Morgen- und Abendseite sind. Dabei wirken Moleküle in der Planetenatmosphäre wie ein Filter, was Rückschlüsse auf deren chemische Zusammensetzung zulässt.

Wolken über WASP-39 b

Die normale Transitspektroskopie ist seit dem Jahr 2000 ein Standardmittel zur Erforschung von Exoplaneten, also Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. Die Zusammensetzung der Atmosphäre auf der Morgen- und Abendseite separat aufzulösen, ist ein weitaus schwierigeres Unterfangen und gelang erst jetzt zum ersten Mal mit einem Weltraumteleskop. Dabei zeigten sich interessante Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung von WASP-39 b. Die Morgenseite zeigt weniger CO2 als die Abendseite. Detaillierte 3D-Klima-Wolken-Modelle des IWF Graz legen dabei nahe, dass die Asymmetrie im CO2 von der - im Vergleich zur Abendseite - stärker bewölkten Morgenseite herrühren könnte, die dadurch etwa 200 K kühler ist.

"Es ist sehr zeitaufwendig, solche 3D-Klima-Modelle zu bauen", sagt Carone.

IWF-Forscherin Ludmila Carone und ihre Kolleg:innen aus der Forschungsgruppe rund um IWF-Direktorin Christiane Helling haben diese Wolkenasymmetrie für WASP-39 b bereits 2023 vorhergesagt. "Das ist natürlich ein großer Erfolg für uns", schwärmt Co-Autorin Carone. "Es ist sehr zeitaufwendig, solche 3D-Klima-Modelle zu bauen und sie dann auch noch mit einem vollständigen Wolkenmodell zu verbinden. Aber diese und weitere Messung zeigen, dass sich der Aufwand gelohnt hat."

Stimmt die Chemie?

Umgekehrt sagten die Chemie-Modelle aber auch voraus, dass die Morgenseite von WASP-39 b grundsätzlich kühl genug sein sollte, um im Gegensatz zur Abendseite sehr viel Methan zu bilden. Beobachtet wurde aber, dass Methan gleichermaßen auf der Abend- und Morgenseite fehlt. Eine Ursache könnte die sehr dynamische Atmosphäre sein, in der ein gewaltiger Atmosphärenjet mit mehr als 4000 km/h von der heißeren Abendseite über die Nachtseite auf die Morgenseite und wieder zurückströmt und dabei die Methanproduktion in den kühleren Bereichen unterdrückt. Zudem könnte auch eine vertikale Durchmischung mit tieferen, heißen Atmosphären-Schichten die Methanproduktion grundsätzlich überall auf dem Planeten reduzieren.

"Weltraummissionen wie JWST zeigen uns wiederholt, wie wichtig Grundlagenforschung ist", betont Helling.

Welcher dynamischer Effekt dabei wie stark ist, ist derzeit noch Gegenstand der Untersuchung. Die neuen JWST-Messungen für WASP-39 b liefern hier wichtige Impulse. "Weltraummissionen wie JWST zeigen uns wiederholt, wie wichtig Grundlagenforschung ist. Der wissenschaftliche Kreislauf von Modellvorhersage – Beobachtung – Dateninterpretation – Modellverifikation ist der Schlüssel zum Erkenntnisgewinn", betont Helling. "Bereits die ersten JWST-Daten unterstreichen, dass unsere virtuellen Labore auch in Zukunft eine wesentliche Rolle bei der Wetter- und Klimavorhersage für extrasolare Planeten spielen werden."

Why space research matters

Das James-Webb-Weltraumteleskop ist ein hochsensibles Multitalent in einer Entfernung von 1,5 Millionen Kilometern von der Erde, das mit einer Kühlung um 266 Grad Celsius ermöglicht, dass ein faltbarer, kryogener Leichtgewichtspiegel geringste Mengen an infrarotem Licht sammelt und an höchstpräzise Messinstrumente weiterleitet. Neue Weltraumtechnologien führen zu nachhaltigem Fortschritt auf der Erde, wie bei der NASA für JWST nachzulesen ist.

Dem IWF mit seiner Grundlagenforschung ermöglicht das Teleskop, die Klima- und Wetterverhältnisse auf extrasolaren Planeten zu verstehen. Die physikalische Interpretation dieser Beobachtungsdaten forciert die Weiterentwicklung von komplexen Computermodellen, die das Wissen aus Disziplinen wie Physik, Mathematik, Meteorologie, Chemie und Materialwissenschaften vereint.

 

Kontakt
Dr. Ludmila Carone
T +43 316 4120-327
ludmila.carone(at)oeaw.ac.at

Publikation
N. Espinoza et al.: Inhomogeneous terminators on the exoplanet WASP-39 b, Nature Astronomy, doi: 10.1038/s41550-024-02230-x, 2024.