04.07.2024

Das IWF trauert um Konrad Schwingenschuh

Mit großer Betroffenheit teilen wir mit, dass unser Kollege Dr. Konrad Schwingenschuh am 28. Juni verstorben ist.

1947 - 2024

Konrad Schwingenschuh studierte Physik an der Universität Graz. Er promovierte 1977 mit einer Arbeit über das durch Röntgenblitze angeregte Nachleuchten von Quarzen und beschäftigte sich im Anschluss als Vertragsassistent am Institut für Experimentalphysik mit Messungen kleinster Magnetfeldänderungen mittels SQUID-Technologie.

Schon im Jänner 1979 begann seine langjährige Forschungstätigkeit am Institut für Weltraumforschung (IWF) der ÖAW. Die Kenntnisse im Bereich der Magnetfeldmessung konnte er dabei direkt in sein erstes Projekt, den Bau eines Magnetometers für Spacelab 1 (Start: 1983) einbringen. Parallel dazu wurden bereits die Magnetometer für die sowjetischen Raumsonden Venera 13 und 14 (Start: 1981) entwickelt. Auf ihrem Weg zur Venus lieferten die Grazer Messinstrumente völlig neue Erkenntnisse über die Struktur des Sonnenwinds. Weitere sowjetische Missionsbeteiligungen folgten: Die Magnetometer an Bord der Raumsonden Vega 1 und Vega 2 (Start: 1984) zur Venus und zum Kometen Halley lieferten neue Daten zur Ausbreitung des Sonnenwinds und seiner Wechselwirkung mit Kleinkörpern im Sonnensystem. Diese Untersuchungen wurden mit den Magnetometern an Bord der Marssonden Phobos 1 und 2 (Start: 1988) fortgesetzt. Dabei konnten erstmals verschiedene plasmaphysikalische Grenzflächen in der Umgebung des Roten Planeten identifiziert werden. Für die Beteiligung an der Mission Mars 96, die durch einen Defekt der vierten Raketenoberstufe nicht über den Erdorbit hinauskam, wurden die Simulations- und Testeinrichtungen in Konrads Magnetometerlabor umfangreich erweitert, wovon auch alle nachfolgenden Magnetometer-Projekte stark profitierten.

Österreichs Beitritt zur ESA im Jahr 1987 ermöglichte dem Institut die Teilnahme an der Viersatelliten-Mission Cluster (Start: 1996 bzw. 2000) zur Erforschung der Erdmagnetosphäre, die ein neues Kapitel in Konrads Forscherleben aufschlug. Der internationale Erfolg ging weiter: Die technisch-wissenschaftliche Beteiligung an der chinesischen Satellitenmission Double Star (Start: 2003) lieferte wertvolle Daten über die Magnetosphäre der Erde. Eine Boden-Magnetometerkette entlang eines magnetischen Längengrades in China und zusätzliche Boden-Magnetometer in Europa ergänzten die Messungen im Weltraum.

Die Beteiligung an der ESA-Mission Rosetta (Start: 2004) stellte einen weiteren Höhepunkt dar. Während der zweijährigen Messkampagne rund um den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko trugen sowohl das Magnetometer auf dem Orbiter als auch jenes auf der Landesonde Philae wesentlich zum Erfolg dieser Mission bei.

Aber Konrads Forschungstätigkeit beschränkte sich nicht nur auf den Bau von Magnetometern und die Auswertung von Magnetfeldmessungen. Im Rahmen der Mission Cassini/Huygens (Start: 1997) widmete er sich der Untersuchung von atmosphärischer Elektrizität und akustischen Phänomenen am Saturnmond Titan. Konrads gute internationale Vernetzung in technischer Entwicklung und Wissenschaft ermöglichte schließlich die Identifizierung grundlegender physikalischer Prozesse in Titans Ionosphäre.

Weit über seine Pensionierung Ende 2012 hinaus erforschte Konrad die Emission elektromagnetischer Strahlung als Folge von Naturgefahren wie Erdbeben oder Vulkanausbrüche. Er trug auch maßgeblich zur Installation einer Empfangsstation für Längstwellen am Institutsgebäude bei, deren Messdaten nicht nur die chinesische Satellitenmission CSES-1 unterstützt, sondern auch bei zukünftigen Missionen zum Einsatz kommen soll.

Konrad war an mehr als 150 wissenschaftlichen Publikationen beteiligt und von 1998 bis 2000 Mitglied in der Solar System Working Group der ESA. Für seine herausragenden Leistungen in der Weltraumforschung wurde er im Herbst 2012 mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet.

Konrad war ein innovativer Forschergeist, der die Entwicklung des Instituts über mehrere Jahrzehnte ganz entscheidend mitgeprägt hat. Sein umfangreiches Wissen gab er bis vor wenigen Jahren durch Vorlesungen an der TU Graz und die Betreuung von Diplom- und Doktorarbeiten an Studierende weiter. Die Menschen, die mit ihm arbeiten durften, schätzten aber nicht nur seinen unerschöpflichen Forscherdrang, sondern vor allem auch seine offene und herzliche Art und seinen unerschütterlichen Optimismus.

Unsere aufrichtige Anteilnahme und unser tiefes Mitgefühl gehören Konrads Familie.


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