01.02.2022

Wenn die U-Bahn plötzlich leer ist

Die Covid-19 Pandemie hat auch den Wiener Verkehr komplett verändert. Plötzlich gab es Pop-Up Radwege und Fußgängerzonen, die Wiener Linien verzeichneten 80 Prozent weniger Passagiere in 2020. Die ITA-Forscherinnen Tanja Sinozic und Gloria Rose haben sich angesehen, wie sich die Wiener*innen fortbewegt haben – und was davon so bleiben sollte.

Foto: Johannes Zinner / Wiener Linien

Ungleichheiten in der Gesellschaft wurden verstärkt

Die Art der Fortbewegung sagt oft auch etwas über das Einkommen aus. Klar war aus dem Verkehrsverhalten während der Lockdowns, dass sich Autobesitzer*innen öfter und schneller aus der Stadt ins Grüne begeben konnten. Menschen mit niedrigeren Einkommen waren oft gezwungen, weiter die Öffis zu benutzen, vor allem wenn sie einen Job in der kritischen Infrastruktur innehatten. „Die Ungleichheit in der Gesellschaft wurde durch die Pandemie auf jeden Fall verstärkt. Das spiegelte sich auch in der Mobilität wider. Viele haben kein Extrazimmer für das Homeoffice und waren plötzlich nicht mehr mobil. Andere mussten mobil werden um ein Einkommen sicherzustellen, etwa als Bote oder Botin bei einem Lieferdienst“, fasst es Gloria Rose zusammen.

Das COVPOL Projekt hat sich den Auswirkungen der Covid-Pandemie auf die Mobilität in Wien in den Jahren 2020 und 2021 gewidmet. Projektleiterin Tanja Sinozic und ihre Kollegin Gloria Rose sprachen dafür mit Universitäten und Forschungsinstituten, Regulierungsbehörden, öffentlichen Versorgungsunternehmen, Unternehmen aus dem Mobilitätssektor und NGOs. 

Öffis durch öffentliche Hand abgesichert

„Bei einem Einbruch von 80 Prozent der Nachfrage hätten es viele Firmen schwergehabt, zu überleben. Die Öffis konnten das überleben, weil sie öffentlich finanziert werden und daher eine hohe Resilienz aufweisen“, resümiert Projektleiterin und ITA-Ökonomin Tanja Sinozic. Dass die Mobilität als „Pflicht des öffentlichen Sektors“ verstanden wird, hat sich in der Krise also bewährt.

E-Scootern und Carsharing Firmen konnten die Verluste übrigens weniger gut abfedern: dort zogen sich Firmen zurück, ganze Unternehmenskonzepte brachen ein. „Wir haben auch erlebt, dass der Verkehr unter der Woche plötzlich geringer war als am Wochenende, da die Menschen Freizeitaktivitäten im Freien machen wollten“, ergänzt Sinozic.

Radwege weiter unterentwickelt

Kritisiert wurde von vielen Befragten, dass die kurzerhand geschaffenen Pop-Up Radwege, wie etwa jene entlang der Praterstraße oder der Hörlgasse, sowie etliche Begegnungszonen nicht erhalten wurden und dort nun wieder der Verkehr rauscht. „Es ist schwer etwas zu etablieren, wenn es nicht ein konkretes Vorhaben ist“, erklärt Sinozic.

Sinozic und Rose sehen jedenfalls eine laufende Diskussion zu einer gerechten Raumverteilung in Wien. Es gäbe ausgelöst durch die Krise erhöhte Aufmerksamkeit für schon lang existierende Probleme wie z.B. Überfüllung, schmale Gehsteige, Stau, oder auch die Veränderung der Mobilität durch die Digitalisierung.