Alfred (1893-1967) und Rosa Tramer lebten in 18., Wallrißstraße 26, und besaßen eine Parfümerie in der Nähe ihrer Wohnung in 18., Schöffelgasse 62. Bis zum „Anschluss“ fühlten sich die Tramers als beliebte Geschäftsleute. Doch kurz nach dem Einmarsch der deutschen Truppen wurden sie gesellschaftlich geächtet, gedemütigt und ihres Geschäfts beraubt, wie Rosa Tramer in einem Interview schilderte:
"Also wir haben ein Parfümeriegeschäft gehabt. Erst in der Wattgasse, acht Jahre lang, und dann in Gersthof. Es war gleich bei unserer Wohnung. Gewohnt haben wir in der Wallrißstraße, Ecke Alseggerstraße, im 18. Bezirk, sehr schöne Gegend. No, wie der Hitler gekommen ist, wurde 'Jude' auf unsere Auslagen geschrieben, und auch die Kunden, die sonst sehr gerne zu mir gekommen sind haben gesagt: 'Frau Tramer, wir trauen uns nicht mehr hinein. Frau Tramer, das können wir leider nicht machen.'
Ich habe dann einen kommissarischen Verwalter bekommen. Das ist irgendwann im Mai [1938] gewesen. Ich musste natürlich auch am Bischof-Faber-Platz, das war gleich bei meinem Geschäft um die Ecke, das Pflaster reinigen. Da hat man mich geholt, damit ich das Pflaster aufwasche. Die Leute, die haben sich auf die Bäume gesetzt, dort ist ein Park am Bischof-Faber-Platz, und haben gerufen: 'Jö, die Frau Tramer, die Frau Tramer!' Also mit der Lauge musste man dort das Pflaster abwaschen, die Hände waren natürlich dann von der Lauge ganz kaputt. Aber ich habe es gemacht, ich hab’ mich hingekniet. Eine andere, die sich nur gebückt hat, der hat einer einen Rempler in den Hintern gegeben, dass sie gleich hingefallen ist. [...] Na ja, sicher hab ich die Schaulustigen gekannt, ich hab ja gehört: 'Jö, die Frau Tramer!' Wenn man ein Geschäft hat, ist man doch ein bisschen mehr bekannt. Das hat vielleicht zwanzig Minuten gedauert, net. Dann hat man gesagt, ich kann gehen. Also bin ich gegangen. Aber alle unseren Bekannten haben gesagt: 'Ihr könnt nicht dableiben, schaut, dass ihr weiterkommt.' Ich hab mir gedacht, mir kann nichts passieren, ich bin in Wien geboren. [...] Also wir haben dann eingesehen, dass es keinen Zweck hat. Und mein Mann war dafür, dass wir nach Mährisch-Ostrau gehen, er hatte zwei Brüder dort. [...] Im September 1938 sind wir nach Litschau, dort hat meine Mutter Bekannte gehabt. Litschau ist an der tschechischen Grenze. Der Sohn der Familie hat uns gezeigt, wo wir gehen sollen, damit wir über die Grenze kommen."
Alfred und Rosa Tramer sowie ihrem vierzehnjährigen Sohn Robert gelang die Flucht nach Mährisch-Ostrau. Im September 1940 schlossen sie sich einem illegalen Transport mit 3.500 Personen nach Palästina an. Als ihr Schiff, die „Patria“, Haifa erreichte, verweigerte ihnen die britischen Mandatsbehörden die Einreise, da sie keine Einreisevisa besaßen. Sie sollten von Haifa nach Mauritius weitergeschickt werden. Um dies zu verhindern, verübten Mitglieder der „Haganah“, eine paramilitärische jüdische Organisation, einen Sprengstoffanschlag auf das Schiff. Der Sprengsatz erwies sich als zu stark für das verrostete Schiff, sodass es rasch sank. 270 Passagiere ertranken, darunter auch der sechzehnjährige Robert Tramer (1924-1940). Seine Eltern sowie die anderen Überlebenden der „Patria“, konnten aufgrund eines „außerordentlichen Gnadenakts“ des britischen Hochkommissars für Palästina, Harold MacMichael, im Land bleiben. Rosa und Alfred Tramer kehrten nach Kriegsende wieder nach Österreich zurück.