19.09.2024

LHC-Experimente am CERN beobachten Quantenverschränkung bei höchster Energie

Die Ergebnisse eröffnen eine neue Perspektive auf die komplexe Welt der Quantenphysik. Erstmals konnte die Verschränkung bei den schwersten bekannten Elementarteilchen, den Top-Quarks, nachgewiesen werden. Dies geschah bei den höchsten jemals erreichten Energien und eröffnet neue Forschungsfelder in der Teilchenphysik. Beteiligt an den Experimenten sind auch Physiker:innen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Der Large Hadron Collider (LHC) am europäischen Forschungszentrum für Elementarteilchenphysik CERN. © CERN/Daniel Dominguez

Quantenverschränkung ist ein faszinierendes Phänomen der Quantenphysik – der Theorie des Allerkleinsten. Wenn zwei Teilchen quantenverschränkt sind, ist der Zustand eines Teilchens untrennbar mit dem des anderen verbunden, unabhängig davon, wie weit die Teilchen voneinander entfernt sind. Für Quantenverschränkung gibt es bereits viele praktische Anwendungen, zum Beispiel in der Quantenkryptographie oder im Quantencomputing. Für ihre bahnbrechenden Experimente in diesem Bereich erhielten zudem die Physiker Alain Aspect, John F. Clauser und Anton Zeilinger 2022 den Nobelpreis für Physik.

Das Phänomen der Quantenverschränkung hat in den Theoriemodellen der klassischen Physik kein Äquivalent, und daher ist es wesentlich, die Vorhersagen der Quantenmechanik unter unterschiedlichen Bedingungen zu überprüfen, wie es in den neuen Arbeiten geschieht, an denen auch die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) beteiligt war.

Quantenverschränkung bei hohen Energien

Die Quantenverschränkung wurde bisher hauptsächlich bei niedrigen Energien untersucht. In drei neuen Studien, die im derzeit leistungsfähigsten Teilchenbeschleuniger der Welt, dem Large Hadron Collider (LHC) am europäischen Forschungszentrum für Elementarteilchenphysik CERN in Genf durchgeführt wurden, konnten Physiker:innen nun erstmals Quantenverschränkung bei sehr hohen Energien beobachten. Die Daten wurden von den zwei Universaldetektoren ATLAS und CMS am LHC aufgezeichnet.

Ein erster Nachweis erfolgte durch das ATLAS Experiment und wurde nun im Fachjournal "Nature" veröffentlicht. Die zwei mit dem CMS-Experiment erzielten Ergebnisse bestätigten die von ATLAS beobachtete Verschränkung bei niedrigen Energien der erzeugten Top-Quarks und erzielten eine erste Beobachtung bei hohen Energien dieser Teilchen.

Um die Quantenverschränkung nachzuweisen, analysierten die Forscher:innen die Zerfallsprodukte der Top-Quarks, den schwersten bekannten Elementarteilchen. Obwohl Top-Quarks sehr schnell zerfallen, übertragen sie ihre Quanteneigenschaften, wie den Spin, auf die dabei entstehenden Teilchen. Durch die Messung des Winkels zwischen den Zerfallsprodukten konnte auf die Verschränkung der Quarks geschlossen werden.

Neue Möglichkeiten für die Erforschung der Quantenverschränkung

Die Experimente basieren auf einer kürzlich vorgeschlagenen Methode, bei der Paare von Top-Quarks, die am LHC erzeugt werden, als neues System zur Untersuchung der Verschränkung genutzt werden. Dabei wurde gezeigt, dass Phänomene der Quantenphysik auch in der Hochenergiephysik auftreten und nachgewiesen werden können.

„Seit vielen Jahren arbeiten wir an verschiedenen Messungen der Eigenschaften des Top-Quarks mit Daten des CMS-Experiments, zum Beispiel an seinen Wechselwirkungen mit dem Photon, welches auch für das sichtbare Licht verantwortlich ist“, erklärt Robert Schöfbeck vom Institut für Hochenergiephysik der ÖAW, der für das CMS-Experiment am CERN arbeitet. „Die neuen Ergebnisse von CMS und ATLAS bereichern unser Verständnis dieses Elementarteilchens um wichtige Aspekte“, so Schöfbeck.

Die Beobachtung der Quantenverschränkung bei hohen Energien ermöglicht es, das Standardmodell der Teilchenphysik auf neue Weise zu überprüfen. Zukünftige Experimente könnten dabei Hinweise auf physikalische Phänomene liefern, die über das derzeitige Modell hinausgehen und unser Verständnis der fundamentalen Gesetze der Physik erweitern, so die Forscher:innen.

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