03.07.2024 | Kunstgeschichte

Oberösterreicher identifiziert Vorfahren auf Glasfenster des Linzer Mariendoms

Dass heutige Nachkommen die eigenen Verwandten auf einem Kirchenfenster erkennen, ist äußerst selten. Ein Vöcklabrucker konnte nun aber mithilfe von ÖAW-Kunsthistoriker:innen im Zuge der Restaurierung des Linzer Mariendoms seine Vorfahren identifizieren.

Das Glasfenster im Linzer Mariendom zeigt Familie Steineder. Der Mann rechts ist Leopold Steineder, Stadtzimmermeister von Linz. © Bundesdenkmalamt/Bettina Neubauer-Pregl

Auf den prachtvollen Fenstern des Linzer Mariendoms sind nicht nur religiöse Szenen zu erkennen. Die größte zusammenhängende Gruppe an Fenstern im Lang- und Querhaus ist zwischen 1910 und 1924 entstanden und zeigt markante Persönlichkeiten aus der Region und Menschen, die am Bau des Domes beteiligt waren. Als Grundlage für diese Porträts dienten Schwarz-Weiß-Fotografien, die nachweislich von Linz nach Innsbruck in die Werkstätte der Tiroler Glasmalerei gesandt wurden, um dort auf das Glas übertragen zu werden.

Urenkel meldete sich bei Forscherin

Seit 2020 werden unter Aufsicht des Bundesdenkmalamtes die Fenster des Mariendoms sukzessive restauriert – jedes Jahr kommen drei Fenster in die Glasmalerei Stift Schlierbach. Und auch das internationale Forschungsprojekt „Corpus Vitrearum“ der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) begleitet die Restaurierung. 

ÖAW-Kunsthistorikerin Christina Wais-Wolf, die das Projekt leitet, gelang nun die Identifizierung bestimmter Personen auf den Fenstern: Johann Müllehner aus Vöcklabruck trat nach einem Dombesuch mit ihr in Verbindung, da die Glasmalereien einige seiner Familienmitglieder zeigen. „Es ist zwar prinzipiell bekannt, dass es sich bei den Dargestellten auf den Bildfenstern um Porträts bestimmter Personen handelt, es ist aber absolut außergewöhnlich, dass heutige Nachkommen dieser Personen ihre Verwandten darauf wiedererkennen und exakt identifizieren können“, sagt Wais-Wolf.

Auf einem der Glasgemälde sind Johann Müllehners Ur-Großmutter Rosina Steineder mit ihrem Gemahl Leopold Steineder, Stadtzimmermeister von Linz, abgebildet. Auf dem Bildfenster sind auch deren Kinder zu sehen: Hans Steineder (geb. 1904-1976, Architekt), Rosa Steineder (geb. 1906), die Großmutter von Johann Müllehner, und Leopoldine Steineder (geb. 1908).

8.000 Kronen gespendet: Nachweis im Familienarchiv

Um die Identifizierung zweifelsfrei zu bestätigen, wurden bislang unbekannte Quellen von ÖAW-Forscherin Wais-Wolf erschlossen. Im Familienarchiv ist ein Dokument erhalten geblieben, worin vermerkt ist, dass Leopold Steineder, Zimmermeister, am 22. Jänner 1916 insgesamt 8.000 Kronen zur Finanzierung des Gemäldefensters gespendet hat. „Damit werden die auf den Fenstern erzählten Geschichten lebendig. Die ursprüngliche Idee, dass auf den Fenstern die Menschen und viele Orte von Oberösterreich zu sehen sind, hat somit nicht an Aktualität verloren“, betont Wais-Wolf.

Der Linzer Mariendom hat insgesamt 112 Fenster, die in unterschiedlichen Zeiten entstanden sind – die ältesten Fenster der Votivkirche stammen aus den späten 1860er-Jahren, die jüngsten aus den Jahren 1994 und 95, gestaltet vom Künstler Karl Martin Hartmann (geb. 1948). Dass sich in Zusammenarbeit mit Johann Müllehner nun weitere Details zur Entstehung der Glasfenster ergeben haben, ist ein Glücksfall für die Forschung. Sollten noch weitere bekannte Gesichter unter den Porträtierten zu finden sein, freut sich ÖAW-Kunsthistorikerin Christina Wais-Wolf über eine Kontaktaufnahme.

 

AUF EINEN BLICK

Christina Wais-Wolf studierte Kunstgeschichte an der Universität Wien. Seit 2002 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes der ÖAW. Sie führt Restaurierungen im Rahmen des Internationalen Forschungsprojektes „Corpus Vitrearum – Glasmalereiforschung in Österreich“ durch. 

Der Linzer Mariendom im Verlag der ÖAW