Quantenverschränkung ist eine zentrale Grundlage für die neuen Quantentechnologien des 21. Jahrhunderts. Das Potential dieser Technologien reicht von extrem präzisen Sensoren bis zum universellen Quantenrechner. Quanteninformationsverarbeitung benötigt allerdings eine große Anzahl von Quantenbits, um die Vorteile der Quantenphysik gegenüber klassischen Computern ausspielen zu können. Physiker/innen in aller Welt arbeiten daher daran, verschränkte Systeme mit immer mehr Quantenbits zu realisieren. Einem Team um Ben Lanyon und ÖAW-Mitglied Rainer Blatt am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) Innsbruck der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist dabei nun ein neuer Rekord gelungen: Gemeinsam mit Theoretiker/innen der Universität Ulm und des IQOQI Wien gelang es ihnen, kontrollierte Vielteilchenverschränkung in einem System aus nicht weniger als 20 Quantenbits zu realisieren. Dabei konnten die Forscher echte Vielteilchenverschränkung zwischen allen benachbarten Gruppen von drei, vier und fünf Quantenbits nachweisen, wie sie im Fachmagazin „Physical Review X“ berichteten.
Echte Vielteilchenverschränkung
Verschränkte Teilchen können physikalisch nicht als einzelne Teilchen mit definierten Zuständen beschrieben werden, sondern nur als Gesamtsystem. Besonders schwierig wird es, Verschränkung zu verstehen, wenn zahlreiche Teilchen im Spiel sind. Hier muss zwischen der Verschränkung einzelner Teilchen und echter Vielteilchenverschränkung unterschieden werden.
Die Physiker/innen am IQOQI Innsbruck haben nun in einem Ionenfallen-Experiment 20 Kalziumatome mit Hilfe von Laserlicht verschränkt und dabei beobachtet, wie sich die Vielteilchenverschränkung in diesem System dynamisch ausbreitet. „Die Teilchen werden zunächst paarweise verschränkt“, schildert Lanyon. „Mit den von unseren Kollegen in Wien und Ulm entwickelten Methoden können wir dann die weitere Ausbreitung der Verschränkung auf alle benachbarten Teilchendrillinge, die meisten Vierlinge und einige Fünflinge nachweisen.“
Neue Methoden entwickelt
Diese Nachweismethoden wurden von der Arbeitsgruppe um Martin Plenio an der Universität Ulm und dem Team um Marcus Huber am IQOQI Wien entwickelt. Die Gruppe in Wien nutzte eine Methode, die nur wenige Messungen erfordert und deren Ergebnisse sich leicht auswerten lassen. Damit konnte im Experiment die Verschränkung von jeweils drei Teilchen nachgewiesen werden. Die Ulmer Theoretiker/innen verwendeten indes eine komplexere Technik, die auf numerischen Methoden beruht.
Großer Schritt für künftige Anwendungen
„Es gibt Quantensysteme wie ultrakalte Gase, in denen Verschränkung zwischen einer großen Zahl von Teilchen nachgewiesen wurde“, betont Nicolai Friis, Erstautor der Studie im „Physical Review X“. „Das Innsbrucker Experiment ist aber in der Lage, jedes einzelne Quantenbit individuell anzusprechen und auszulesen.“ Es eignet sich für konkrete Anwendungen wie Quantensimulationen oder Quanteninformationsverarbeitung.
Dafür will das Team um Rainer Blatt die Zahl der Quantenbits im Experiment künftig weiter steigern. „Unser mittelfristiges Ziel liegt bei 50 Teilchen“, sagt das ÖAW-Mitglied. „Damit könnten wir Aufgaben lösen, an denen die besten Supercomputer heute noch scheitern.“
Die für das Ionenfallenexperiment in Innsbruck entwickelten Methoden zum Nachweis der Quantenverschränkung werden breitere Anwendung finden, sind die Physiker/innen in Ulm und Wien überzeugt.