Arnulf Rainer und die Fotografie : Selbstinszenierung im Kontext von Grimasse und Körperpose / eingereicht von Christina Natlacen

• VerfasserIn: Natlacen, Christina
• Language: German
• Classification: 21.42 - Geschichte der Photographie
• Contents/pieces: 2 records

ger: Der österreichische Künstler Arnulf Rainer schafft zwischen 1968 und 1976 einen umfangreichen Korpus an fotografischen Selbstinszenierungen, der im Zuge dieser Dissertation erstmals wissenschaftlich aufgearbeitet und innerhalb der Bildgeschichte des 20. Jahrhunderts positioniert wird. Meine Grundthese lautet, dass sich Arnulf Rainer auf technischer, ästhetischer, inhaltlicher und struktureller Ebene mit dem Medium Fotografie fundiert auseinander gesetzt hat und die Verwendung fotografischer Gebrauchsweisen für diesen wichtigen Werkkomplex performativ inszenierter Grimassen und Körperposen konstitutiv ist. Arnulf Rainer hat zwar nicht selber den Auslöser der Kamera betätigt, jedoch in seiner Funktion als Inszenator und Akteur den fotografischen Bildakt entscheidend bestimmt. Der erste Teil stellt eine konkrete Bearbeitung des Fotomaterials dar. Er verschreibt sich erstens einer Untersuchung der Struktur und Ordnung der Fotoserien. Neben der Klassifizierung der Serien werden insbesondere die archivarischen Praktiken, die von fotografieimmanenten Topoi bestimmt sind, herausgearbeitet. Zweitens wird der Status der einzelnen Fotografien nach medialen und ästhetischen Kriterien analysiert. Ich komme zu dem Schluss, dass die zunehmende Beweglichkeit des Körpers in den performativen Inszenierungen eine kontinuierliche mediale Weiterentwicklung der momentfotografischen Technik erforderlich machte. Der zweite Teil beschäftigt sich mit einer thematischen Untersuchung der Diskursfelder, auf die sich Rainer mit seinen Fotografien bezieht. Die Kontextualisierung des Bildmaterials innerhalb der Bereiche Pathognomik, Psychopathologie und Performativität verfolgt eine interdisziplinäre Herangehensweise, welche Medizin, Wissenschaftsgeschichte und den Bereich des Theaters miteinbezieht. So wird Arnulf Rainers künstlerische Auseinandersetzung mit der Expressivität des menschlichen Gesichts untersucht. Im Vergleich zu ausgewählten Positionen aus der Mediengeschichte des bewegten Gesichts werden seine facialen Ausdrucksstudien als Grimassen definiert. Breiten Raum nimmt die Aufarbeitung von Rainers Verortung innerhalb des pathologischen Körperausdrucks ein. Es wird vor allem Bild- und Textmaterial aus Lehrbüchern der Psychiatrie analysiert, das Rainer zur Konzeption seines "Autistischen Theaters der Katatonen" inspirierte. Abschließend wird den performativen Strategien in den fotografischen Selbstinszenierungen nachgegangen. Insbesondere das Moment des Theatralischen und der Stellenwert der Inszenierung stehen hier im Vordergrund. Diese Dissertation beschäftigt sich mit einem bisher vernachlässigten Aspekt im Kontext von Arnulf Rainers von der Malerei dominierten Werk: dem Stellenwert der Fotografie.

eng: The topic of this doctoral dissertation is the academic examination of the photographic series of self-representation (1968 - 1976) of the Austrian artist Arnulf Rainer. I position this body of work into the context of the visual history of the twentieth century. My conclusion is that Arnulf Rainer deeply analyzed the medium of photography on technical, aesthetic, conceptual and structural levels. The application of various photographic approaches is constitutive for his complex work of performed and staged grimaces and body poses. The first part of the dissertation is an thorough analysis of the photographic material. On the one hand, structure and order of the photographic series are discussed. Apart form the classification of the series, particular practices of archivation, which are determined by the photographic topics, are explored. On the other hand, the status of the photographs is examined on the basis of their medial and aesthetic criteria. I support the hypothesis, that the increasing mobility of the performer´s body requires a continuous development of the technics of moment-photography. The second part of the dissertation deals with the examination of the topics Rainer is refering to in his photographs. The classification of the visual material in the fields of pathognomics, psychopathology and performativity follows an inter-disciplinary method which includes medecine, the history of science and theatre. Arnulf Rainer´s artistic investigations of the expression of the human face are discussed. By comparing them with selected positions of the visual history of the human face in motion his studies of facial expressions can be defined as grimaces. Great importance is given to Rainer´s positioning within the pathological body language. Above all I analyze the content of psychiatric textbooks, especially the photographic illustrations, which led Arnulf Rainer to the concept of an "Autistic Theatre of Catatonia". Eventually I evaluate the performative strategies in the photographic self-representations, with special emphasis on theatricality and the importance of the mise en scene. This dissertation focuses on the so far neglected role photography plays within the work of the painter Arnulf Rainer.