04.08.2023

SOUNDS & SIGHTS OF SCIENCE #20

Kaiser Franz Joseph I. (1903) – vorgestellt von Christian Liebl

Was ist zu hören?

„Die Stimme des Kaisers im Phonographen“ – so die Schlagzeile auf der Titelseite der Oesterreichischen Kronen-Zeitung, nachdem am 2. August 1903, also vor 120 Jahren, Kaiser Franz Joseph I. in seiner Villa zu Ischl (Salzkammergut) um 13 Uhr vor den Trichter des Archiv-Phonographen getreten war. Damals entstand die mit ca. 2 ½ Minuten längste – und hier in Ausschnitten präsentierte – Tonaufnahme des Kaisers, durchgeführt von Sigmund Exner, dem Gründer des Phonogrammarchivs, und Fritz Hauser, seinem technischen Assistenten.

 

AUFNAHME ABSPIELEN

Was ist daran besonders interessant?

Diese in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerte Aufnahme auf drei Wachsplatten (Phonogrammen) stellt wohl unser prominentestes Beispiel aus der Serie der „Stimmporträts“ dar; dementsprechend beginnt mit den ihr zugewiesenen Nummern (1–3) auch die Zählung der Archivbestände.

Es handelte sich jedenfalls um einen strategisch klugen und äußerst publikumswirksamen Coup, hatte doch Exner selbst die Idee, auf diese Weise dem noch jungen Phonogrammarchiv die Aufmerksamkeit des Kaisers und der Öffentlichkeit zu sichern – zumal man Seiner Majestät anlässlich der Audienz auch gleich über das Archiv berichtete und weitere Aufnahmen vorspielte.

Exner entwarf auch den programmatisch-visionären Text, der dem Kaiser souffliert (!) werden musste, da ein Ablesen aufgrund der erforderlichen Nähe zum Trichter nicht möglich war. Und während dieser Text auf den beiden ersten Phonogrammen (Ph 1–2) zu hören ist, ließ es sich der Kaiser nicht nehmen, auf der dritten Platte (Ph 3) noch einige persönliche Worte quasi aus dem Stegreif hinzuzufügen – womit sich die allgemein bekannte, ihm zugeschriebene Phrase zumindest teilweise auch akustisch erhalten hat.

 

Wie beschäftige ich mich damit?

Im Zuge von Recherchen, u.a. im Österreichischen Staatsarchiv, gelang mir schon vor längerem eine umfassende Kontextualisierung nicht nur der Aufnahme von 1903, sondern vor allem auch der beiden weiteren bekannten Tondokumente von Kaiser Franz Joseph I. aus den Jahren 1901 (entstanden in Wien und nicht, wie zuvor immer wieder kolportiert, auf der Pariser Weltausstellung von 1900) und 1915 (eine Schellackplatte für den k.k. österreichischen Militär-Witwen- und Waisenfonds). Meines Wissens gibt es von keinem anderen Monarchen aus jener Zeit gleich drei Tonaufnahmen, die sich zudem durch die Verwendung unterschiedlicher Techniken bzw. Medien auszeichnen: Walzen-Telegraphon (magnetisierter Stahldraht), Archiv-Phonograph und Grammophon. Dies verwundert, galt der Kaiser doch technischen Neuerungen gegenüber als wenig aufgeschlossen …

 


Christian Liebl ist Kurator der Historischen Sammlungen des Phonogrammarchivs.

 

Links:

CD: Kaiser Franz Joseph – Stimmporträt 1903

K.u.K. – Kaiserliche Stimmportraits und ihre Kontextualisierung