02.06.2023

SOUNDS & SIGHTS OF SCIENCE #18

Fritzi grüßt Mitzi in Wien (1967) - vorgestellt von Eva Hallama und Johann Hinterstoisser

Was ist zu hören?

Wir hören einen auf ein kleines Tondband aufgesprochenen Brief, der im Jahr 1967 als Phonopost aus den USA nach Österreich versandt wurde. Er stammt von einem jüdischen Ehepaar, das 1938 in die USA geflohen ist, aber den Kontakt zur langjährigen Freundin in Wien nie abgebrochen hat. Es ist der erste Audiobrief, den „Fritzi” und ihr Mann an „Mitzi” und die Familie Leo K. in Wien geschickt haben.

Was ist daran besonders interessant?

Der Ausschnitt vermittelt sofort, wie aufregend es sein kann, einen Audiobrief zu sprechen - und zu hören. Wir tauchen dabei auch nach so vielen Jahren wie durch einen Sog in die Wohnung von „Fritzi” und „Otto” ein. Uns interessiert, warum das so gut funktioniert. Dabei verrät uns die Stimme Botschaften abseits des Gesagten, wie etwa das Räuspern und das Lachen.

Auch vermittelt uns der überlieferte Brief Informationen über die Produkte, die extra für das Verschicken von Audiobriefen entwickelt wurden, wie hier das Scotch Tape Letter Tonband. Für den Postversand war die Spule extra klein, außerdem wurde ein Adressen-Etikett mitgeliefert, das man, wie hier, einfach auf die Verpackung klebte. Im Gegensatz zu einem teuren Telefonat nach Übersee war der Audiobrief eine deutlich kostengünstigere Möglichkeit für Familie K., die Stimmen ihrer 29 Jahre zuvor ausgewanderten Freunde zu hören.
 

Wie beschäftigen wir uns damit?

Das Tonband an Familie Leo K. ist Teil unseres aktuellen Forschungsprojekts SONIME. Wir untersuchen sowohl das Material der Hörbriefe und ihrer Verpackungen als auch die Spuren, die wir aus dem Gehörten rekonstruieren können. Dazu führen wir Interviews und fragen nach den Erinnerungen der Übergeber:innen. Mit der Methode des Close Listening versuchen wir die Nuancen und feinen Details zu ergründen, wie zuletzt zum beschriebenen Ausschnitt mit unserem Projektmitarbeiter Dominik Ivancic an der Österreichischen Mediathek und der Sprachwissenschafterin Dr. Julia Sonnleitner von der Universität Wien.

 


Eva Hallama ist Historikerin und leitet zusammen mit Katrin Abromeit das Forschungsprojekt Sonic Memories – Audio Letters in Times of Migration and Mobility.

Johann Hinterstoisser ist Mitarbeiter für Materialanalysen und Dokumentation im Projekt SONIME und beschäftigt sich mit der Charakterisierung von Tonträgermaterialien.