02.10.2023

PROJEKTSTART: “ZUR KOLONIALEN VERSTRICKUNGSGESCHICHTE VON TONAUFNAHMEN”

Kritische Auseinandersetzung mit Sammlungen aus einer Forschungsreise nach Papua-Neuguinea (1904–1906)

Am 1. Oktober hat unter der Leitung von Cornelia Gruber und Clemens Gütl am Phonogrammarchiv das von der Stadt Wien geförderte Projekt „Zur kolonialen Verstrickungsgeschichte von Tonaufnahmen: Die Expedition des Wiener Anthropologen Rudolf Pöch nach Papua-Neuguinea (1904–1906)“ begonnen. Vor mehr als 20 Jahren schon hat das Phonogrammarchiv im Rahmen der Gesamtedition der historischen Bestände die CD-Serie Papua New Guinea (1904–1909). The collections of Rudolf Pöch*, Wilhelm Schmidt, und Josef Winthuis herausgegeben.

Anknüpfend an die damalige erste Kontextualisierung der Tondokumente, die Pöch in den damaligen Kolonien „Deutsch-“ und „Britisch-Neuguinea“ gefertigt und nach Wien gebracht hat, sollen nun die gesamte „Expedition“ und die dabei entstandenen Sammlungen in den Blick genommen werden und zwar mit einem Fokus auf die kolonialen Rahmenbedingungen, Paradigmen, (Infra-) Strukturen, Netzwerke oder die Frage der Finanzierung von Forschungsreisen.

Während in den vergangenen Jahren eine kritische Aufarbeitung von Pöchs Handeln und Wirken im südlichen Afrika (1907–1909) in Bezug auf Gewalt und Ethik mitsamt der Diskussion um Begriffe wie „Kolonialismus“, „Kolonialität“, „Repatriierung“ oder „Restitution“ begonnen wurde, ist über seine unmittelbar vorangegangene Forschungsreise noch kaum geforscht worden.

Zunächst bildet die Recherche und Zusammenführung von Quellen bzw. Metadaten aus mehreren Wiener Institutionen und internationalen Museen und Archiven ein erstes Etappenziel im gegenständlichen Projekt, die strukturiert auf einer zweisprachigen Webpage öffentlich zugänglich gemacht werden. Parallel dazu – und gleichermaßen dieses Ziel fördernd – erfolgt die Kontaktaufnahme und Pflege eines einschlägigen Kompetenz-Netzwerks aus Wissenschaftler:innen und Nachfahr:innen der damals aufgenommenen Personen, in dem der offene und (selbst-)kritische Austausch über die Provenienz und den heutigen Umgang mit historisch derartig belasteten, sogenannten sensiblen Sammlungen stattfinden kann.
 

* In ein Tonbeispiel aus der „Serie Pöch“ können Sie unter dem folgenden Link  hineinhören:
„Lagatoi ehona gesungen von Ahuia Ova (1906) – vorgestellt von Cornelia Gruber“

 


Projektrelevante Literatur und Webseiten

Bauer, Clara et al. (2021): Leichen im Keller: Menschliche Überreste zwischen Rückgabe und Verbleib. Online-Ausstellung.

Hoffmann, Anette (2022): Listening to Colonial History. Echoes of Coercive Knowledge Production in Historical Sound Recordings from Southern Africa. Basel: Basler Afrikabibliographien.

Legassick, Martin/Rassool, Ciraj (2000): Skeletons in the Cupboard: South African Museums and the Trade in Human Remains, 1907–1917. Cape Town, Kimberley: South African Museum and McGregor Museum.

Miles, Rachel et al (Hg., 2020): Critical Archival Engagements with Sounds and Films of Coloniality. A Publication of the 2020 Inward Outward Symposium. Hilversum: Inward Outward.

Schasiepen, Sophie (2019): Die „Lehrmittelsammlung“ von Dr. Rudolf Pöch an der Universität Wien. Anthropologie, Forensik und Provenienz. Zeitschrift für Kulturwissenschaften1, 15–29.

Schüller, Dietrich (Hg., 2000): Papua New Guinea (1904–1909).The collections of Rudolf Pöch, Wilhelm Schmidt, and Josef Winthuis (Sound Documents from the Phonogrammarchiv of the Austrian Academy of Sciences. The Complete Historical Collections. Series 3), Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Schölnberger, Pia (Hg., 2021): Das Museum im kolonialen Kontext. Annäherungen aus Österreich. Wien: Czernin.

Teschler-Nicola, Maria. 2011. „Rudolf Pöch’s osteologische Lehr- und Forschungssammlung im Spannungsfeld von Wissenschaft und Ethik.“ Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien 141, 51–66.

True Echoes. Projekt der British Library.