01.07.2024

Rothirsch, Sumpfschildkröte, Hausschwein

Ein neues »Schaufenster« in Flavia Solva stellt die Tiere von damals in den Mittelpunkt

Das »Schaufenster« zeigt die grafische Umsetzung der Ergebnisse der Untersuchungen an den ausgegrabenen Tierknochen und -zähnen aus Flavia Solva. Da die Originalfunde sensibel auf Temperatur- und Feuchtigungkeitsschwankungen reagieren, werden diese nicht ausgestellt (© Universalmuseum Joanneum/J. J. Kucek).

Flavia Solva im Gemeindegebiet von Wagna ist der bedeutendste römerzeitliche Fundplatz der Steiermark. Während der römischen Herrschaft wurde ein Großteil des Landes von dieser Stadt aus verwaltet. Ein neues »Schaufenster« zeigt nun die gefundenen Tierreste aus über 100 Jahren Ausgrabung, im Rahmen einer Kooperation des Universalmuseums Joanneum und des Österreichischen Archäologischen Instituts der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

 

Neue archäologische Methoden und ihre Ergebnisse

»In den letzten 100 Jahren haben sich die Interessen der Ausgräber:innen erweitert«, erklärt Barbara Porod, Chefkuratorin der Provinzialrömischen Sammlung im Universalmuseum Joanneum. »Zu Beginn stand vor allem das Auffinden und Ausgraben von archäologischen Strukturen im Vordergrund. Spitzhacke, Schaufel und Schiebetruhe sind noch heute Bestandteil von Ausgrabungen.« Allerdings haben sich die technischen Möglichkeiten stark weiterentwickelt. Heute können mittels Fernerkundungsmethoden Strukturen im Boden erkannt werden, ohne ihn aufzugraben. Heute stehen bei Ausgrabungen neben den Monumenten auch die Rekonstruktion der damaligen Lebensumstände im Interesse. Mit feinen Ausgrabungstechniken, wie dem Aussieben oder Schlämmen von Sedimentproben, lassen sich kleinste Objekte wie Münzen, Fischknochen oder verkohlte Pflanzenreste finden, die das Bild zur römischen Ernährung vervollständigen. Noch vor hundert Jahren fanden in den Grabungstagebüchern nur menschliche Knochen oder Besonderheiten wie Rehkrickel Erwähnung. Heute werden sämtliche Tierreste aufbewahrt und ausgewertet.
 

Tierische Überreste in der Steiermark und ihre Bedeutung

Neben pflanzlicher Nahrung war tierisches Protein ein wichtiger Bestandteil der Ernährung. Im römischen Flavia Solva sind anhand von Tierknochen und -zähnen die Haustiere Hund, Katze, Rind, Schaf, Ziege, Hausschwein, Pferd und Esel sowie Wildtiere wie Gämse, Rothirsch, Reh, Biber und Wisent dokumentiert. Dazu kommen auch Huhn, Gans und Pfau. Die Funde in der Steiermark werden in Wien von den Archäozoolog:innen Alfred Galik und Martina PachervomArchäologischen Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften analysiert.  

Die Archäozoologie beschäftigt sich mit den tierischen Überresten menschlicher Nahrung wie Knochen, Zähnen, Muschel- und Schneckengehäusen. »Diese Tierreste geben Aufschluss über Nutztiere wie Rind, Schwein, Ziege und Schaf sowie andere Haustiere wie Hund, Katze, Pferd und Esel«, sagt Alfred Galik, Co-Kurator des Schaufensters in Flavia Solva. Die Bewohner:innen von Flavia Solva jagten auch Großwild, wie Gämsen, Rothirsche, Rehe, europäische Wisente, Wildschweine und Braunbären. Niederwild, so zum Beispiel Biber, Feldhasen oder Sumpfschildkröten wurden ebenfalls gesammelt. Die Fischerei spielte in römischer Zeit zwar eine Rolle, bislang konnten in Flavia Solva jedoch nur unbestimmbare Fischreste und der Hecht nachgewiesen werden. »Leider fehlen uns aus Flavia Solva bislang auch noch Nachweise exotischer Tiere für Zirkusspiele, aber das könnte sich im Rahmen der Ausgrabungstätigkeit des Universalmuseums Joanneum bald ändern«, so Martina Pacher.

 

 

Schaufenster »Animalia. Die Tiere von Flavia Solva«
28. Juni 2024 bis 20. Juni 2025
Ganzjährig als außen umgehbares „Schaufenster in die Römerzeit“ ohne Eintritt frei zugänglich
Flavia Solva (Marburgerstraße 111, 8435 Wagna)
www.flaviasolva.at

Das Projekt zur Fundaufarbeitung in Flavia Solva ist eine Kooperation von Universalmuseum Joanneum und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und wird vom Land Steiermark und dem Bundesdenkmalamt finanziert.

 

Rückfragehinweis

Astrid Pircher
Wissenschaftskommunikation
Österreichisches Archäologisches Institut der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften
T +43 1 51581-4060
astrid.pircher(at)oeaw.ac.at

Wissenschaftlicher Kontakt

Alfred Galik
Bioarchaeology Lab
Österreichisches Archäologisches Institut der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften
T +43 1 51581-4106
alfred.galik(at)oeaw.ac.at