Frühbronzezeitliche Gemeinschaften in Mitteleuropa bestatteten männliche und weibliche Körper unterschiedlich. Die Toten wurden entweder auf der linken oder rechten Körperseite ins Grab gelegt, mit dem Kopf nach Norden oder Süden, und geschlechtstypische Grabbeigaben begleiteten häufig die Toten. Archäolog*innen vergleichen die geschlechtsspezifische Behandlung der Toten mit dem biologischen Geschlecht der bestatteten Person, um Rückschlüsse darauf zu ziehen, wie Geschlecht in der Vergangenheit konstruiert wurde.

Während sich die Skelettmorphologie von erwachsenen Männern und Frauen ausreichend für eine osteologische Geschlechtsbestimmung unterscheidet, ist dies bei Kindern vor der Pubertät nicht der Fall. Buben und Mädchen können anhand von Skelettmerkmalen nicht zuverlässig unterschieden werden, und die genetische Geschlechtsbestimmung ist durch die Erhaltung der DNA limitiert. Vor kurzem wurde jedoch erkannt, dass Amelogenin-Proteinfragmente im menschlichen Zahnschmelz geschlechtsspezifisch sind und mit Hilfe der Nano-Flüssigkeitschromatographie-Tandem-Massenspektrometrie (nanoLC-MS/MS) nahezu zerstörungsfrei analysiert werden können. Diese neue Methode hat das Potenzial, sowohl die Geschlechterarchäologie als auch die Archäologie der Kindheit massiv zu verändern.

Dieses Projekt wird die Identifizierung geschlechtsspezifischer Peptide im menschlichen Zahnschmelz als Standardanalyseverfahren etablieren und die Daten über das Geschlecht der bestatteten Kinder nutzen, um eine Reihe dringender Fragen zur geschlechtsspezifischen Mortalität, Morbidität und Bestattungsbehandlung bei Kindern der Bronzezeit zu beantworten.

Wir werden geschlechtsspezifische Wachstumskurven erstellen und damit die osteologische Bestimmung des Sterbealters für die Bevölkerungen der Bronzezeit verbessern. Wir werden wissen, ob Mädchen und Buben als Säuglinge und während der Kindheit gleich behandelt wurden oder ob Kindermord, Unterernährung, Traumata und Krankheiten eines der beiden Geschlechter unverhältnismäßig stark betrafen. Wir werden verstehen, ab welchem Zeitalter Gesellschaften durch kulturelle Praktiken auf das Geschlecht von Säuglingen und Kleinkindern reagierten, z. B. indem sie sie unterschiedlich kleideten oder sie nach männlichen oder weiblichen Riten bestatteten. Wir werden geschlechtsspezifische Wertesysteme und ihre Entwicklung in der Kindheit und Jugend erforschen, um mehr über die Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern zu erfahren.

Darüber hinaus wird das Projekt den Weg für die Entwicklung neuer Anwendungen für die Analyse des menschlichen Proteoms ebnen, um die Geschichte von Krankheiten und Anpassungen des Lebensstils in der Vergangenheit zu untersuchen.

Publikationen:

 

 

Team

Laufzeit

10/2022–03/2024

 

Finanzierung

FWF [FWF TAI 759]