Wie können wir Ressourcen in der Landwirtschaft schonen, den Einsatz von Pestiziden reduzieren und Pflanzen resistenter machen? Mit Fragen wie diesen beschäftigt sich Pflanzenforscher David Spencer, unter anderem als Wissenschaftskommunikator. Im Rahmen der Langen Nacht der Forschung am 24. Mai 2024 diskutiert er an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) bei einer Gesprächsrunde mit ÖAW-Pflanzenbiologin Ortrun Mittelsten Scheid und Agrarjournalist Timo Küntzle, wie moderne Gentechnik zu nachhaltigerer Landwirtschaft beiträgt.
Was versteht man unter Grüner Gentechnik?
David Spencer: Gentechnik ist eine von vielen Methoden, wie man die Pflanzengenetik bearbeiten kann. Man könnte Pflanzen auch zum Beispiel kreuzen oder eine Zufallsmutagenese durchführen. Das bedeutet, das Saatgut mit Strahlung zu beschießen und zu hoffen, dass es dabei zufällig zu positiven Eigenschaften kommt. Die Gentechnik selbst ist eine präzisere Methode. Dabei können wir gezielt nach bestimmten Abschnitten in der DNA suchen und dort Veränderungen vornehmen. Eine moderne Methode ist die Genschere CRISPR/CAS, bei der zielgenaue Punktmutationen gesetzt werden, zum Beispiel etwas angeschaltet oder ausgeschaltet wird, das vorher schon in der Pflanze vorhanden war.
Vom Feld in den Supermarkt
Sind Pflanzen, die gentechnisch verändert sind, unnatürlich oder für den Menschen ungesund?
Spencer: Es gibt keine wissenschaftlichen Anhaltspunkte, dass die neue Gentechnik ein größeres Risiko für die Gesundheit oder die Ökologie hat. Auch in der Natur gibt es Pflanzen, auf die Menschen allergisch reagieren, wie zum Beispiel auf Pollen oder Gluten. Es kann natürlich auch sein, dass durch normale Kreuzung etwas entsteht, worauf der Mensch allergisch reagiert. Die neue Gentechnik hat da genauso viel oder genauso wenig Risiken wie alle bisherigen Züchtungsmethoden auch. Das heißt, wir müssen jedes neue Produkt genau anschauen und auf Umweltwirkungen und Wirkungen auf die Gesundheit testen. Das wird in einem Qualitätsprüfungsverfahren standardmäßig schon immer so gemacht.
Wenn man einen Biologen fragen würde, gäbe es kein einziges Gemüse, an dem wir Menschen Hand nicht angelegt haben.
Wieviel von dem Gemüse, das wir im Supermarkt finden, ist denn gentechnisch verändert?
Spencer: Die Frage ist, was verstehen wir unter Gentechnik. Wenn man einen Biologen fragen würde, gäbe es kein einziges Gemüse, an dem wir Menschen Hand nicht angelegt haben. Die großen, leckeren Früchte haben wir Menschen in Tausenden von Jahren selektiert und gezüchtet. Wenn wir über die Mutagenese sprechen, gibt es tausendfache Beispiele im Supermarkt, wie die rotfleischige Grapefruit oder die allermeisten Hartweizensorten. Pflanzen, die mittels modernerer Methoden entstanden sind, gibt es per Gesetz gar nicht im Anbau in der EU. Wir benutzen ein bis zwei gentechnisch veränderte Maissorten, die vor allem in Spanien und Portugal angebaut und zur Herstellung von Futtermitteln genutzt werden.
Nachhaltige Pflanzen
Wie kann Grüne Gentechnik zu mehr Nachhaltigkeit beitragen?
Spencer: Ich sehe die Gentechnik als ein Verfahren von vielen, die wir nutzen sollten, um zu mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft zu kommen. Als Züchtungsmethode ermöglicht sie uns, die Reduktion von Pestiziden und Düngemittelausbringung zu erreichen, indem Pflanzen widerstandsfähiger gemacht werden. Dadurch können sie trotz Klimaveränderungen besser zurechtkommen, zum Beispiel indem sie längere Wurzeln bilden und das Grundwasser besser erreichen. Dadurch müssen wir weniger bewässern und können Ressourcen in der Landwirtschaft sparen.
Ohne die Akzeptanz der Bevölkerung können wir keine Innovation vorantreiben.
Welche Rolle wird Gentechnik in Zukunft spielen?
Spencer: Die EU hat erkannt, dass Gentechnik nicht gleich Gentechnik ist. Die Genschere CRISPR löst zum Beispiel nur Punktmutationen aus, genau wie wenn ich als Pflanzenzüchter traditionell in einem einhundert Jahre alten ökologischen Betrieb kreuze und hoffe, dass dabei die richtige Variante entsteht. Dieses Zufallsprinzip wird dadurch ausgehebelt und wir sind schneller, aber das Ergebnis ist dennoch dasselbe. Ich glaube, dass solche Techniken in Zukunft in der Gesetzgebung gelockert werden und wir sie auch mal auf unseren Feldern sehen. Andere Techniken wie artüberschreitende Mutationen und Gentransfers werden vermutlich weiterhin streng reguliert. Am Ende reicht es nicht, wenn Politik und Wissenschaft etwas vorantreiben. Auch die Gesellschaft muss mitgehen. Dazu braucht es sehr viel Aufklärungsarbeit und Wissenschaftskommunikation. Denn ohne die Akzeptanz der Bevölkerung können wir keine Innovation vorantreiben.