Hundert Millionen Jahre nach dem Urknall zündeten die ersten Sterne ihr Leuchtfeuer. Radioastronomen konnten ein indirektes Signal von ihrer Entstehung inzwischen zwar einfangen — doch es gibt Rätsel auf. Es könnte, so die Ansicht vieler Forscher/innen, mit der Dunklen Materie in Zusammenhang stehen. Ein Verdacht, dem Physiker des Instituts für Hochenergiephysik (HEPHY) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) nun nachgegangen sind. Sie zeigten dabei nicht nur auf, wie die Dunkle Materie tatsächlich Licht in dieses Dunkle Zeitalter vor den ersten Sternen zu bringen vermochte, sondern auch, welches Potenzial die bei ihren Untersuchungen eingesetzte sogenannte 21-Zentimeter-Kosmologie für die weitere Erforschung des frühen Universums birgt.
Am Anfang war der Wasserstoff
Vor der Entstehung der ersten Sterne dominierte die sogenannte Ursuppe das Universum. „Ihre Zutaten waren erstaunlich einfach“, erläutert HEPHY-Forscher und Ko-Autor der Studie Josef Pradler. „Rund 400.000 Jahre nach dem Urknall verbanden sich unter der Beimengung von Helium Protonen und Elektronen zu neutralem Wasserstoff. Diesem neutral gewordenen Gas konnten Photonen, die Lichtteilchen der kosmischen Hintergrundstrahlung, weitgehend entfliehen“, so der Teilchenphysiker weiter, aber nicht ganz: Lichtteilchen mit einer Wellenlänge von 21 cm wurden vom Wasserstoff weiterhin aufgenommen. Auch wurden sie wieder abgegeben, aber es blieb ein Netto-Defizit.
Dass diese Licht-Absorption der Ursuppe doppelt so stark war, wie bisher angenommen, zeigten kürzlich Messungen des Radioteleskops EDGES (Experiment to Detect the Global Epoch of Reionization Signature) in der australischen Wüste. Die unerwartete Stärke des empfangenen Signals der Licht-Absorption wies auf eine mögliche Wechselwirkung mit der Dunklen Materie hin. Dafür fand die Physik zwei mögliche Erklärungen: Entweder war das Wasserstoffgas um ein Vielfaches kälter als erwartet, was auf einen Kontakt mit der noch kälteren Dunklen Materie hinweisen könnte - Die Kühlung hätte bewirkt, dass sich die Effizienz der Absorption erhöht. Oder aber die kosmische Hintergrundstrahlung war im untersuchten Wellenlängenbereich wärmer, es gab also mehr Lichtteilchen der untersuchten Art als angenommen. „Auch das würde“, so Pradler, die „Stärke des gemessenen Absorptionssignals erklären.“
Ein Schlüssel zur Dunklen Materie?
Aufgrund von Widersprüchen des ersten Erklärungsmodells mit einer Vielzahl an Experimenten konzentrierte sich das Forscherteam rund um Pradler in ihrer Untersuchung auf das zweite Modell. Und zwar mit einigem Erfolg, wie ihr als „Editor’s Choice“ hervorgehobener Beitrag im Fachjournal „Physical Review Letters“ beweist. Bei ihrer Arbeit nutzten die Physiker/innen ein Phänomen der Dunklen Materie, bei dem sogenannte Dunkle Photonen in normale Lichtteilchen verwandelt werden – und mit dem sie die erhöhte Menge der Lichtteilchen erfolgreich erklären konnten.
Die letztgültige Bestätigung der Messungen von EDGES ist zwar noch ausständig. Bereits jetzt aber machten die Physiker/innen klar, welches Potenzial die Untersuchung der kosmischen Hintergrundstrahlung mithilfe der 21-Zentimeter-Kosmologie auch für ein besseres Verständnis der Dunklen Materie birgt. Pradler ist überzeugt: „Die 21-Zentimeter-Kosmologie wird in den nächsten Jahren ein zentrales Feld werden. Denn einerseits erlaubt es tiefe Einblicke in das Ende der Dark Ages unseres Universums. Und andererseits gibt es der Teilchenphysik neue Möglichkeiten zum Testen von Modellen und Theorien zur Dunklen Materie – und zu „neuer Physik“ jenseits des Standardmodells generell.“ An weiteren Studien an der Schnittstelle zwischen Astronomie, Kosmologie und Teilchenphysik werde jedenfalls, so bestätigt der Physiker, bereits intensiv gearbeitet.