10.10.2022

Tempelbezirk des Poseidon in Kleidi-Samikon

ÖAI-Archäolog:innen entdecken archaischen Tempel

Drohnenfoto der Ausgrabung: Die ausgegrabenen Teile des Fundaments eines großen Gebäudes dürften zu einem langgestreckten Tempel der archaischen Periode gehört haben (ca. 6. Jh. v. Chr.) (© ÖAW-ÖAI)

Seit langem wird in der Ebene unterhalb der antiken Festung von Samikon, die auf einer Bergkuppe nördlich des Lagunensees von Kaiafa an der Westküste der Peloponnes die Landschaft weithin sichtbar dominiert, das berühmte antike Heiligtum des Poseidon vermutet. Nach dem Bericht des griechischen Autors Strabon im 8. Buch seiner »Geographika« lag hier das regional bedeutende Kultzentrum der Amphiktyonie (loser Städtebund um ein Heiligtum) der Städte Triphyliens, der antiken Landschaft an der Westküste der Peloponnes. Nun konnten ÖAI-Archäolog:innen am Fuß der Festung Samikon Reste eines archaischen Tempels freilegen, der vermutlich zum Tempelbezirk des Poseidon gehörte.

2022 startete ein neues, fünfjähriges Forschungsprogramm des ÖAI unter der Leitung von Birgitta Eder in Kooperation mit der griechischen Ephorie für Altertümer von Elis unter der Leitung von Erofili Kolia in Kleidi-Samikon. Ziel ist es, die Topografie des Gebietes zu erforschen, das Heiligtum des Poseidon zu untersuchen und den Hafen von Samikon zu lokalisieren. Vorausgegangen waren geoarchäologische und geophysikalische Untersuchungen in den Jahren 2017, 2018 und 2021 durch die Ephorie für Altertümer von Elis und das ÖAI in Zusammenarbeit mit den Universitäten Mainz (Andreas Vött) und Kiel (Dennis Wilken).

Bereits in der ersten Kampagne, die im August und September 2022 stattfand, wurden Gebäudereste gefunden, die innerhalb des Heiligtums des Poseidon liegen. Die Archäolog:innen legten Teile des Fundaments eines großen 9,40 m breiten Gebäudes frei, dessen sorgfältig gesetzte Mauern eine Breite von 0,80 m aufweisen. Dicke Lagen von Dachziegeln füllen den Raum zwischen den Mauern. Aufgrund der Anomalien, die bei der Auswertung der geophysikalischen Untersuchung sichtbar wurden, lässt sich ein Bau von mindestens 28 m Länge errechnen, der zwei Innenräume sowie einen Pronaos (Tempelvorhalle) und ein Opisthodom (Rückhalle) bzw. ein Adyton (Rückraum des inneren Hauptraums) aufwies. Bei dem langgestreckten Großbau handelt es sich somit um einen archaischen Tempel, der auf dem Gelände des Poseidonheiligtums lag, und vielleicht sogar dem Gott selbst geweiht war.

In Verbindung mit den Fragmenten eines lakonischen Daches liefert der Fund eines marmornen Perirrhanterions, eines kultischen Wasserbeckens, Hinweise auf eine Datierung des Großbaus in die archaische Epoche. Das große Marmorgefäß selbst, das eine Bronzeschale imitiert, ist charakteristisch für das Inventar eines Heiligtums.

Diese Entdeckung erlaubt neue Perspektiven auf die politische und wirtschaftliche Bedeutung der Amphiktyonie der triphylischen Städte im 6. Jahrhundert v. Chr., für die das Poseidonheiligtum von Samikon das Zentrum ihrer religiösen und ethnischen Identität bildete.

Die Forschungen, die von der Gerda Henkel Stiftung und dem Österreichischen Archäologischen Institut der ÖAW finanziert werden, werden in den nächsten Jahren fortgesetzt, um das Heiligtum des Poseidon und den archaischen Tempel weiter zu untersuchen.