Die Stadt Wien positioniert sich zunehmend als eine Stadt mit historisch gewachsener Migrationsgeschichte, gekennzeichnet durch Diversität von Menschen unterschiedlicher Herkunft. Während Zuwanderung und Diversität der Wiener Bevölkerung als positive Ressource für die Zukunft der Stadt betont werden, werden im öffentlichen Diskurs auch jene Herausforderungen herausgestrichen, die die Stadt für eine gelungene Integration der zugewanderten Bevölkerung zu bewältigen hat. Hierzu gehören insbesondere Formen der politischen Teilhabe von Migrant_innen. An diesem Punkt setzt das von der Magistratsabteilung 7 der Stadt Wien geförderte Projekt an und rückt die Partizipationsmöglichkeiten und Formen politischen Handelns zugewanderter Roma/Romnja in Wien in den Fokus.

Schätzungen zufolge leben etwa 100.000 Roma/Romnja in Wien, von denen der Anteil zugewanderter Personen die Mehrheit darstellt. Zugewanderte Roma/Romnja, die als „neue Minderheiten“ gelten, haben mit spezifischen Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung zu kämpfen, die sowohl antiziganistisch als auch gegen Migrant_innen gerichtet ist und vielerorts die Integration erschwert. Die „postmigrantischen Erfahrungen“ (Hill und Qildiz 2015) von Migrant_innen fordern jedoch hegemoniale Ansichten von Integrationsdiskursen heraus, denn es zeigt sich, dass zugewanderte Roma/Romnja in Wien trotz multipler Benachteiligungen aktiv um eine politische Vertretung und Durchsetzung ihrer Interessen bemüht sind. Während die politische Mobilisierung und Selbstvertretung autochthoner Roma/Romnja für Wien und Österreich gut dokumentiert ist, stellen Partizipationsräume sowie die individuellen Migrationsbiographien und postmigrantischen Erfahrungen zugewanderter Roma/Romnja bis dato eine Lücke in der Forschungslandschaft dar. Mit diesem Projekt wollen wir diese Lücke schließen, indem die Lebenswelten und Positionierungen, die damit verbundenen Aushandlungsprozesse zugewanderter Roma/Romnja sowie die daraus entstehenden Zugehörigkeitskonstruktionen und Möglichkeiten, am politischen und öffentlichen Leben in Wien teilzunehmen, eingehender analysiert und verstanden werden.

Im Rahmen des Projekts untersuchen wir, welche Strategien und Handlungsmöglichkeiten zugewanderte Roma/Romnja nutzen, um am gesellschaftlichen und politischen Leben in Wien teilzuhaben, die über dominante Diskurse von Integration und „Parallelgesellschaften“ hinausgehen. Das Projekt zielt im Gegensatz zu einer in Politik und Wissenschaft oftmals vorhandenen Praxis, Roma/Romnja lediglich als passive Opfer von Diskriminierung und Ausgrenzung zu konzeptualisieren, auf die Untersuchung von deren agency und Handlungsmacht ab. Weiters sollen die Migrationsbiographien von Roma/Romnja als ein Teil des kollektiven Gedächtnisses der Stadt herausgearbeitet werden. Nicht zuletzt soll durch das Projekt auch die Bedeutung der Migrationsbewegungen für die Dynamik der Stadt Wien in ihren vielfältigen Facetten sichtbar gemacht werden.