Mo, 06. November 2023 | Kategorie Blog

Seminar Zukunft der Demokratie - Besorgnis oder Aufbruchstimmung?

Wie kann Demokratie schritthalten mit den rasanten Veränderungen der Welt, den Krisen und Konflikten? Eine Woche lang widmeten sich Teilnehmer:innen und Vortragende intensiv der Zukunft der Demokratie, an der ÖAW, im Haus der Geschichte Österreich und im Parlament. Konzipiert und großartig umgesetzt wurde das Seminar von Michael Weilch, der Blogtext stammt von Niklas Kapeller.

Enquete-Bericht Studienstiftungs-Seminar "Zukunft der Demokratie"

Seit Jahren liegen in den Zeitungsredaktionen die Nerven blank, der Geruch von Angstschweiß in der Luft: Die Demokratie, akut bedroht! Rund um den Globus gestalten demokratisch gewählte, doch autokratisch regierende Politiker Verfassungen nach eigenem Belieben um, hebeln Rechtsstaatlichkeit, Grundrechtsschutz und Pressefreiheit aus und drehen den als so sicher, so zukunftsweisend gedeuteten weltweiten Trend der Demokratisierung nach und nach um.

Gefährliche Politikverdrossenheit

Demagogische Stimmen werden laut, vernünftige treten leiser – die konstruktive Debatte wird empfindlich gestört. Angesichts der Überforderung vieler Regierungen mit sich überlagernden Krisen macht sich indes der größte Feind der Demokratie schleichend in den Köpfen breit: resignierende, bitter enttäuschte, doch zugleich hämische und grollende Politikverdrossenheit. Zu einer echten Gefahr wird diese spätestens, wenn es gilt, schwerwiegende und richtungsweisende Entscheidungen zu treffen, also etwa in Klima- und Umweltpolitik, grund- und menschenrechtlichen Belangen. Denn eine an Politikverdrossenheit erkrankte Gesellschaft riskiert, aus Desinteresse, Orientierungslosigkeit oder Mutlosigkeit in drängenden Problemlagen untätig zu bleiben oder zu spät zu reagieren. Nicht zuletzt die jungen und künftigen Generationen müssen so befürchten, übersehen und übergangen zu werden …

Simulierte Ausschusssitzung im Parlament

Von diesen Spannungen ausgehend machten es sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars zur Zukunft der Demokratie, welches Ende September in Wien stattfand, zur Aufgabe, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Einerseits musste eine Lösung für das Problem der scheinbar nachlassenden Attraktivität der Demokratie als Staats- und Gesellschaftsmodell her. Gleichzeitig aber durfte nicht ausgeblendet werden, dass Herausforderungen immer auch als Aufforderungen zur nachhaltig positiven Veränderung zu verstehen sind. Dass diese nicht ignoriert werden dürfen, darin waren sich die Teilnehmenden angesichts der rasanten Veränderung der Welt rasch einig. Die Demokratie muss schritthalten.

Unterstützt von Expertinnen und Experten aus Fachgebieten von Politikwissenschaft über Staatsrecht bis hin zur Philosophie erweiterten wir unser Verständnis der Problemlage. Auch mit der Geschichte der österreichischen Demokratie setzten wir uns im Haus der Geschichte in der Neuen Hofburg vertieft auseinander. Auf diese Weise angereichert mit Wissen aus den verschiedensten Disziplinen wagten wir nicht nur das Gespräch mit einer Verfassungsrichterin über höchstgerichtliche Kontrolle und die praktische Relevanz von Grundsatzfragen, sondern lernten während der Besichtigung des jüngst renovierten Parlaments in einer simulierten Ausschusssitzung am Verhandlungstisch die harten Bandagen und Tücken demokratischer Entscheidungsprozesse selbst kennen.

Intensive Arbeit, frische Ideen und ein schriftlicher Bericht

Von früh bis spät verstrickten wir uns in angeregte Debatten. Das begann am Frühstückstisch und endete nicht selten erst spät nachts. Vom Stellenwert des Fachwissens in der Politik über die Vorzüge und Schwächen des schweizerischen Systems der direkten Demokratie hin zur Bedeutung von Protest und zivilem Ungehorsam argumentierten wir uns durch die Woche. Das Ergebnis unserer sechstägigen, intensiven Arbeit manifestierte sich schließlich in einem schriftlichen Bericht, der gemeinsam verfasst und editiert unsere Antworten auf Fragen der Weiterentwicklung der Demokratie zusammenfasst.

Und das Ergebnis kann sich sehenlassen: Mit einem Konzept für mehr Mitspracherecht in Zukunftsfragen für alle in Österreich lebenden Menschen von der Gemeinde- bis zur Bundesebene bekräftigten wir vor allem den Stellenwert eines aktiven Engagements und konstruktiven Diskurses zur Stärkung und Förderung demokratischer Werte, Strukturen und Prozesse. Auch abseits der Wahlurne sollen Menschen die realistische Möglichkeit haben, etwas zu bewirken – etwas zu verändern.

Stolz auf die Früchte ihrer Arbeit und um viele neue Impulse reicher kehrten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer heim. Geblieben sind uns vom Seminar nicht der Pessimismus und die Besorgnis, die reißerische Schlagzeilen so oft befördern, sondern die Überzeugung, dass auch die Demokratie durch frische Ideen, etwas Mut und Willen zur Veränderung zu retten, mehr noch: zu gestalten und zu verbessern ist.

Niklas Kapeller