Wiener Studien - Rezension

Kommission für antike Literatur und lateinische Tradition

Rezensionen der Wiener Studien 112 (1999)


Apollonios von Rhodos, Das Argonautenepos. Herausgegeben, übersetzt und erläutert von Reinhold Glei und Stephanie Natzel-Glei. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1996 (Texte zur Forschung. 63. 64.) 2 Bde. XXII, 193 S.; XVI, 233 S. ISBN 3-534-12184-8; 3-534-12185-6

Bei dieser ersten deutschen Prosaübersetzung der Argonautika liegt der Akzent darauf, den Text durch eine flüssig lesbare Übersetzung, eine (zu) kurze Einleitung und Anmerkungen, die elementare Verständnisschwierigkeiten fernhalten, einer weiteren Leserschaft zu erschließen. Diese Absicht ist gut gelungen, wie auch Leser bestätigen, die die griechische Sprache nicht (hinreichend) beherrschen. Die Hrsg. verzichten daher auf eine selbständige Textedition und drucken den Text von Fränkel (mit Abänderungen, die in einem Anhang dokumentiert sind), wobei die Begründung für diese Wahl nicht überzeugt. Fränkel hat seinerzeit versucht, durch konsequente Eingriffe in die Überlieferung einen ‚logischeren', glatteren Text herzustellen; man hat inzwischen erkannt, daß Apollonios eben nicht immer glatt formuliert und daß Fränkel den Stilwillen des Apollonios weitgehend mißverstanden hat. Diesen Vorwurf könnte man auch gegen die vorgelegte Übersetzung erheben, die sich flüssig liest, aber viele sprachliche Feinheiten des Originals unterschlägt und auch dort luzide bleibt, wo Apollonios bewußt dunkel formuliert. Vor allem verschweigt diese Übersetzung völlig die Artifizialität der künstlich re-organisierten epischen Kunstsprache (zu deren Verständnis jetzt A. Rengakos in zwei Monographien Entscheidendes beigetragen hat), glättet über Gebühr den Sprach- und Satzduktus, ergänzt (nicht immer durch Spitzklammern gekennzeichnet) auch dort, wo das Fehlen einer Ergänzung dem Originaltext erst die Pointe verleiht. Ein beliebiges Beispiel: 4, 435f., ἡ δ᾽ ὅτε κηρύκεσσιν ἐπεξυνώσατο μύθους, / θελγέμεν …, ist übersetzt mit: "Als Medea den Herolden die Botschaft übermittelt hatte, sie sollten Apsyrtos überreden …". Damit sind Subjekt und Objekt ‚ergänzt', deren Fehlen im Griechischen der Aussage des Erzählers erst ihre Wirkung verleiht: Der Text suggeriert auch noch (oder gerade erst) im indirekten Bericht des Erzählers, daß die Verhandlungen zwischen Medea (deren Name nicht genannt wird) und den Herolden einen Aspekt der Heimlichkeit an sich haben, so daß die vermeintliche (und dahinter erst die tatsächliche) Absicht Medeas mühsam zwischen den Zeilen herausgelesen werden muß. In der Übersetzung wird daraus eine geradlinige Weiterleitung von Informationen, der Text hat alle Mehrdeutigkeit verloren.
Zu fragen wäre auch, ob die äußere Form dieser Edition die Absicht, Apollonios einem weiten Leserkreis zu erschließen, unterstützt. Vor allem die Teilung in zwei Bände (mit doppeltem Literaturverzeichnis!) bei übergroßer (häßlicher) Schrift und kleinem Format hat das Buch m. E. zu teuer gemacht, berücksichtigt man auch noch die insgesamt billige Aufmachung. Hier hat der Verlag die Hrsg. sichtlich im Stich gelassen.
Georg Danek
 

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