Die Privatsphäre ist in der digital vernetzten Gesellschaft zu einem stark gefährdeten Gut geworden. Auch ein Jahr Datenschutzgrundverordnung konnte daran nicht viel ändern. Doch wie und durch welche Entwicklungen kam es dazu? Und wie kann die Gesellschaft damit umgehen?
Wachsende Identifzierbarkeit als Grundproblem
Eine Fülle an Technologien sammeln täglich Daten, die tiefe Einblicke in Lebensumstände und damit persönliche Identität gewähren. Mit jeder Nutzung einer Technologie entstehen neue Informationsformen, die längst automatisiert verarbeitet werden. Big Data und künstliche Intelligenz begünstigen scheinbar allumfassende Überwachung. Allerdings fehlt es an neuem Wissen darüber, wie und warum die Privatsphäre in Gefahr ist und welche Faktoren dies technologieübergreifend verursachen. Laut Stefan Strauß ist wachsende Identifizierbarkeit das Grundproblem. „Es ist gewissermaßen zum Normalzustand geworden, durch digitale Information aller Art jederzeit identifizierbar zu sein.“
Strauß zeigt in seinem neuen Buch „Privacy and Identity in a Networked Society“ auf, warum das so ist. „Es braucht stärkeren Fokus auf die Beschaffenheit und Dynamik von Identifikationsmechanismen also wie Identitätsinformation entsteht und verarbeitet wird. Das klingt zunächst trivial, aber bei genauerer Analyse offenbaren sich wichtige neue Erkenntnisse für einen wirksameren Datenschutz.“
Informationsdynamik mit Folgen
Anstatt mit jeder neuen Technologie erneut vor weiterer Erosion der Privatsphäre zu warnen oder Schutz nur den Betroffenen zu überlassen sind für Strauß neue Konzepte und mehr Wissen über Identifizierbarkeit und die Bedeutung von Identitätsinformation erforderlich. Strauß schlägt dazu ein neues Rahmenkonzept für systemische Datenschutzfolgenabschätzung vor, um die Dynamik digitaler Informationsflüsse und damit verbundene Datenschutzrisiken besser zu analysieren. „Wir müssen nicht nur personenbezogene, sondern auch Technologie-bedingte Identitätsinformation systematischer erfassen. Das im Buch vorgestellte Rahmenkonzept ist theoretisch wie praktisch relevant um digitalen Datenschutz und Privacy-by-Design neu zu denken und träg zur Entwicklung wirksamerer Schutzkonzepte bei.“