11.04.2024

ERC Advanced Grant für Julius Brennecke

Julius Brennecke, Senior Scientist am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der ÖAW, erhält für seine Forschung zur Koevolution von Transposons und Wirt einen Advanced Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC). In dem geförderten Projekt wird untersucht, wie das Wettrüsten zwischen Transposons und den Abwehrmechanismen des Wirtsgenoms zu biologischen Innovationen auf beiden Seiten führt.

Julius Brennecke (c feelimage / Matern)

Der Europäische Forschungsrat (ERC) verleiht Julius Brennecke, Senior Scientist am IMBA, einen Advanced Grant für sein Projekt zur Transposon-Wirt-Koevolution. Für Brennecke ist es bereits der insgesamt dritte ERC-Grant: Nach seinem Starting Grant und seinem Consolidator Grant erhält Brennecke nun auch einen Advanced Grant des ERC – und damit die höchstdotierte europäische Forschungsförderung. Das geförderte Projekt ist der nächste Schritt im langfristigen Forschungsvorhaben des Brennecke-Labors: Zu untersuchen, wie zelluläre Mechanismen das Genom vor egoistischen genetischen Elementen schützen.

 

Transposons befeuern die biologische Innovation

Transposons sind egoistische Gensequenzen, die in das Genom eindringen und sich darin vermehren. Um sich zu vermehren, benützen diese „Genom-Parasiten“ die zellulären Ressourcen ihrer Wirte. Transposons gefährden allerdings die Integrität des Wirtsgenoms, weil sie in das Genom eindringen und sich aus diesem wieder herauslösen können. Als Reaktion auf diese Bedrohung entwickelten die Wirtszellen Abwehrstrategien, mit denen sie Transposons aufspüren und stilllegen. Allerdings sind Transposons sehr anpassungsfähig und finden immer neue Wege, um der engmaschigen Kontrolle der Zelle zu entwischen. In diesem biologischen Konflikt entwickeln sich sowohl Transposons als auch Genomabwehrsysteme weiter – immer im Bestreben, dem jeweils anderen einen Schritt voraus zu sein. Dieses Wettrüsten hat zu bedeutenden biologischen Innovationen geführt, wie der DNA-Methylierung und der RNA-Interferenz.

 

Ein neuer Blick auf einen alten Konflikt

Die Gruppe von Julius Brennecke, seit 2014 Gruppenleiter am IMBA, beschäftigt sich seit Jahren mit der Koevolution von Transposons und Wirt. „In den letzten zehn Jahren kombinierte meine Gruppe Werkzeuge der Genetik, Molekularbiologie und Biochemie, um zu untersuchen, wie die Zellen unseres Modellorganismus Drosophila mit Transposons umgehen“, erklärt Brennecke. Dabei trugen Brennecke und sein Team maßgeblich zur Identifizierung und Entschlüsselung des PIWI-interacting RNA (piRNA)-Wegs bei, dem wichtigsten Abwehrsystem, das für die Stilllegung von Transposons verantwortlich ist. „Vor etwa drei Jahren begannen wir, auch die andere Seite dieses Konflikts zu untersuchen: Wir versuchten zu verstehen, wie sich Transposons entwickeln, um ihr Überleben und ihre Replikation sicherzustellen“, fügt Brennecke hinzu. Letztes Jahr beschrieb das Brennecke-Labor, wie retrovirusähnliche Transposons in der Fruchtfliege Drosophila melanogaster unterschiedliche Expressionsmuster entwickeln und damit ihre Fähigkeit verbessern, Keimbahnzellen aus den sie umgebenden somatischen Zellen zu befallen.

Nun möchte die Gruppe verstehen, wie endogene Retroviren ihre Infektionsstrategien und regulatorischen Sequenzen weiterentwickeln, um den Abwehrmechanismen des Genoms zu entgehen. Ergänzend dazu erforschen Brennecke und sein Team, wie der piRNA-Weg eine Schwachstelle in den Transposon-Sequenzen ausnutzt, um im gegenseitigen Wettrüsten die Nase vorn zu haben.

 

Fossilien im Genom

Das Brennecke-Labor untersucht, wie eine bestimmte Klasse von Transposons, die so genannten Retrotransposons, die Fähigkeit erlangten, andere Zellen zu infizieren und zu Retroviren wurden. In der Fruchtfliege Drosophila haben die Retroviren ihre Infektionsstrategien an verschiedene Zelltypen im Soma des Eierstocks angepasst, um ihr Überleben zu sichern. Vom Soma aus können sie dann die Keimbahnzellen (Eizellen) infizieren und so das unsterbliche Keimbahngenom angreifen.

Sobald Transposons gelernt hatten andere Zellen zu infizieren, mussten sie ihre Expressionsmuster anpassen, um ihre Überlebens-Chancen zu maximieren. „Damit ein Transposon im Genom erhalten bleibt, muss es aktiv sein und es schaffen, allen Kontrollsystemen zu entkommen und sich im Wirtsgenom replizieren.Das Transposon muss zum richtigen Zeitpunkt exprimiert werden und die Zellbiologie des Wirts nutzen, um in den Zellkern zu gelangen und sich dort in die Wirts-DNA einzufügen“, erklärt Brennecke. Die Transposons, die aufgrund ihrer erfolgreichen Adaption in der Zelle exprimiert werden, bleiben im Genom erhalten. „Wir können dies als eine Art Fossil im Genom betrachten.Die Sequenzen, die wir im Wirtsgenom finden, erlauben es uns, in die Vergangenheit zurückzublicken und herauszufinden, welche Strategien die erfolgreichen Transposons verwendeten“, fügt Brennecke hinzu.

In Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe von Alex Stark am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP), ebenfalls am Vienna BioCenter, wird das Brennecke-Labor die STARR-seq-Technologie kombinieren mit einer auf maschinellem Lernen basierenden Darstellung neuronaler Netze. Damit wollen sie das genregulatorische Netzwerk verschiedener Zelltypen in den Keimdrüsen von Drosophila darstellen und herausfinden, wie Transposons ihre Expressionsmuster an verschiedene Zelltypen anpassen. „Diese Art von Forschung war bisher nicht vorstellbar“, erklärt Brennecke. „Erst jetzt wissen wir genug über den Wirt und wie wir ihn verändern können, und wir haben Zugang zu neuen Technologien, mit denen wir die Biologie der Transposons auf einer anderen Ebene untersuchen können.“

 

Die Achillesferse der Transposons

So bemerkenswert die Anpassungsfähigkeit von Transposons ist, so flexibel sind auch die Abwehrmechanismen des Wirtsgenoms. Trotzdem ist die Frage, wie sich die Abwehrmechanismen des Genoms kontinuierlich anpassen, um die sich schnell entwickelnden Transposons zu erkennen und still zu legen, bislang jedoch kaum verstanden. Brennecke fragt sich: „Wie kann der Wirt den Überblick behalten, wenn sich Transposons ständig verändern?“ Das Brennecke-Labor untersucht nun, ob die Abwehr des Wirts eine bestimmte Eigenschaft der Transposon-Sequenz nutzt, um Transposons schnell zu erkennen und neue Abwehrmechanismen zu entwickeln. „Wir wollen dieses System auf molekularer Ebene verstehen, aber auch fragen, ob bei einer Transposon-Invasion, gegen die sich der Wirt anpassen muss, die Genomabwehr eine Achillesferse in der Transposon-Sequenz ausnutzen kann", erklärt Brennecke.