14.03.2024

Elly Tanaka: Neue wissenschaftliche Direktorin des IMBA

Elly Tanaka ist als wissenschaftliche Direktorin des IMBA bestätigt worden. Tanaka wird die Leitung am 1. April 2024 übernehmen.

Heinz Faßmann, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, stellte heute Elly Tanaka offiziell als neue Wissenschaftliche Direktorin des IMBA vor. Im Rahmen eines Science Updates am IMBA präsentierte Elly Tanaka ihre Visionen für das IMBA.

„IMBA ist ein herausragendes Forschungsinstitut, das Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Molekular- und Zellbiologie betreibt, sein Schwerpunkt liegt auf der modernen Biotechnologie“, sagte Tanaka. „Ich fühle mich geehrt und freue mich sehr, die wissenschaftliche Leitung des IMBA zu übernehmen und die Nachfolge der früheren, hochrangigen Direktoren Josef Penninger und Jürgen Knoblich anzutreten. Meine wissenschaftlichen Visionen passen sehr gut zu den Forschungsthemen am IMBA, die von Genomdynamik bis zur Organbildung und -regeneration reichen. Diese Themen sind eine fantastische Grundlage für gemeinsame Forschungsprojekte, durch die wir wertvolle neue Erkenntnisse etwa für Fertilität und Gewebserneuerung gewinnen.“

„Wenn wir den technologischen Fortschritt auf den Gebieten Genomik, bildgebende Verfahren und IT nutzen, bietet sich uns – wenn wir mutig und kreativ sind – die Möglichkeit, neue Facetten der Biologie zu entdecken, von denen wir bisher nichts wussten. Ich möchte die kühnsten, kreativsten und rigorosesten Köpfe dabei unterstützen, wichtige Probleme zu lösen und das Unbekannte zu entdecken.“

Wissenschaftliche Visionen

Tanaka, bisher Senior-Gruppenleiterin am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) am Vienna BioCenter und zuvor Direktorin des DFG-Forschungszentrums für Regenerative Therapien in Dresden (Deutschland), erforscht die Regeneration komplexer Körperstrukturen. Tanaka beschäftigt sich insbesondere mit den molekularen und zellulären Grundlagen der Regeneration von Gliedmaßen und des Nervensystems. Ihr Modellorganismus, der Axolotl Ambystoma mexicanum, weist bemerkenswerte Regenerationsfähigkeiten auf.  

„In den letzten Jahren haben wir moderne molekulare Methoden implementiert, um die an der Regeneration beteiligten Stammzellen zu identifizieren und die molekularen Auslöser der Regeneration zu beschreiben. Axolotl sind bemerkenswert regenerationsfähig. Doch zuvor war es auf der molekularen Ebene weitgehend unmöglich, die Regeneration von Gliedmaßen und Rückenmark zu untersuchen. Wir haben dadurch neue Einblicke in die molekularen und zellulären Grundlagen der Regeneration gewonnen und untersuchen nun, wie diese bei nicht regenerationsfähigen Tieren blockiert wird.“

In ihren jüngsten Projekten analysiert Tanaka, was Zellen befähigt oder daran hindert zur Regeneration beizutragen. Sie vertieft ihre Untersuchung zur Funktionalität der regenerierten Organe, wobei sie besonders die Kontrolle des Nervensystems über das regenerierte Organ interessiert.  

„Wir konzentrieren uns jetzt darauf zu verstehen, wie die Regeneration von Gliedmaßen mit dem Nervensystem zusammenspielt und stellen uns Fragen wie: Wie greifen die Regeneration der Gliedmaßen und die Bildung von Nervenverbindungen ineinander? Wie funktionsfähig sind regenerierte Gliedmaßen? Auch in dieser Hinsicht freue ich mich auf meine Tätigkeit am IMBA, denn ich fühle mich in den Forschungsbereichen des IMBA zu Hause. Neben den Forschungsgruppen, die sich mit Stammzellen befassen, gibt es mehrere Forschungsgruppen, die sich mit der Biologie und Regeneration des Nervensystems beschäftigen. Das bietet viele Möglichkeiten für vertiefte Kooperationen."

Starke Unterstützung durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften

IMBA ist das größte Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Tanaka betont die wichtige Rolle, die die Akademie bei der Unterstützung der Forschung am IMBA spielt. „Die Forschung am IMBA wird durch die Förderung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ermöglicht. In den letzten zwei Jahrzehnten hat diese Unterstützung bahnbrechende Forschung in Pionierbereichen der Molekularbiologie ermöglicht. Nur durch die starke Unterstützung unserer zukunftsweisenden Forschung können wir echte Fortschritte erzielen, die unser Verständnis des Lebens vertiefen. Ich freue mich darauf, dieses Institut mit seinen exzellenten Forschungsgruppen und unter der Ägide der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zu leiten. Sowohl persönlich als auch als Wissenschaftlerin finde ich die enge Interaktion zwischen Naturwissenschaften, Sozialwissenschaften und Kulturwissenschaften an der Akademie bereichernd."  

IMBA feierte erst vor kurzem sein 20-jähriges Bestehen als Forschungseinrichtung. Gegründet wurde das Institut von Josef Penninger, mittlerweile auch an der Medizinischen Universität Wien tätig, der das Institut bis 2018 leitete, gefolgt von Jürgen Knoblich. Elly Tanaka dankt den bisherigen Direktoren, dass sie das IMBA auf einen so erfolgreichen Weg geführt haben. „Ich fühle mich sehr willkommen in der illustren Reihe der wissenschaftlichen Direktoren des IMBA. Josef Penninger hat den Grundstein für den Erfolg des IMBA gelegt und das Institut auf seinem Weg zum Erfolg begleitet. Ich danke Josef Penninger für seine Vision für das IMBA und seinen Antrieb, das IMBA und das Vienna BioCenter zu einem Standort für die Life Sciences zu machen. Ich danke auch Jürgen Knoblich, der seit meiner Ankunft in Wien ein sehr enger Kollege ist, und der einen herausragendesn Exzellenzcluster in der Molekularbiologie, Stammzell- und Organogenese-Forschung aufgebaut hat." 

Wissenschaft am IMBA

Das dynamische Genom

„Alejandro Burga, ein junger Gruppenleiter am Institut, verkörpert den mutigen, von Neugier getriebenen Forschenden, den ich am IMBA unterstützen möchte. Seine Untersuchungen gehen der Frage nach, wie egoistische Gene Schwachstellen in der Entwicklung ausnutzen, um sich in der Natur zu verbreiten, und bieten tiefe Einblicke darin, wie neue Gene entstehen und wie genetisches Material zwischen den Arten übertragen wird. Darüber hinaus vertieft seine Forschung unser Verständnis, wie Konflikte in unseren Zellen und Körpern die biologische Vielfalt der Erde prägen.“  

„Die dreidimensionale Organisation der DNA-Moleküle in den Zellen ist essenziell für die korrekte Expression, Vervielfältigung und Erhaltung des Genoms. Senior Gruppenleiter Daniel Gerlich und seine Gruppe führen bahnbrechende Studien durch und untersuchen, wie die DNA in Chromosomen organisiert ist und wie sich die Chromosomenorganisation während des Zellzyklus und bei der DNA-Reparatur dynamisch anpasst. Diese Erforschung des Genoms wird durch die physikalische Modellierung von Anton Goloborodko und seiner Gruppe wunderbar ergänzt."

„Genome beherbergen nicht nur alle Gene, sondern auch eine Fülle von parasitären und mobilen genetischen Elementen. Diese müssen unter Kontrolle gehalten werden, um genomische Instabilität zu verhindern. Die Forschungsgruppe um Senior Gruppenleiter Julius Brennecke erforscht die molekularen Mechanismen dafür in der Keimbahn von Tieren. Die Gruppe von Shambaditya Saha befasst sich unter anderem mit der Erforschung der für den small-RNA-pathway zuständigen molekularen Maschinen – wo sie arbeiten, und wie sie in den Keimzellen von C. elegans dynamisch reguliert werden. Mein eigenes Labor hat gezeigt, dass das Genom des regenerationsfähigen Axolotl von diesen springenden Gensequenzen durchsetzt ist, die sein Genom auf die zehnfache Größe des menschlichen Genoms erweitert haben! Wir untersuchen derzeit, wie diese Expansion den nicht codierenden Teil des Genoms verändert haben könnte, um neue Wege der Genkontrolle zu finden. Wir wollen wissen, wie sich durch diese Veränderungen ein Prozess wie die Regeneration entwickeln konnte." 

„Wir haben das Glück, Joanna Jachowicz am Institut zu haben. Sie ist eine Expertin für die Untersuchung dieses nicht codierenden Teils des Genoms, und befasst sich mit der Genregulation in der frühesten Embryonalentwicklung. Die Genregulation in den frühen Stadien der menschlichen Entwicklung, einschließlich der Einnistung des Embryos in der Gebärmutter, ist hochdynamisch – ebenso wie die Neuordnung der Zellen, die die Voraussetzungen für eine gesunde Schwangerschaft und ein gesundes Leben schaffen. Nicolas Rivron hat diese Ereignisse anhand von Stammzellen von Mäusen und Menschen rekonstruiert und untersucht, wie sich die Genregulation, einschließlich Enhancer und springender Gene, entwickelt hat, um diese Prozesse zu gestalten."  

„In diesem Bereich müssen wir noch viel darüber lernen, wie das Genom seine Stränge austauscht, wie es von Proteinmaschinen verpackt wird, oder wie Viren in das Genom eindringen, um die komplexe Abfolge von Ereignissen zu bewirken, die wir Leben nennen. Es wird sehr spannend, über diese Probleme in allen Größenordnungen nachzudenken – etwa wie Proteinmaschinen im Nanometermaßstab am Genom arbeiten, oder wie sich Veränderungen im Genom auf die Wechselwirkungen von Zellen oder Organismen mit ihrer Umwelt auswirken." 

Aufbau und Wiederaufbau des Körpers aus Stammzellen

„Wie sich adultes Gewebe aus Embryonen bildet, wenn sie sich in gewebespezifische Stammzellen differenzieren, und wie Gewebe auf Verletzungen und Krankheiten reagieren, ist eine weitere wichtige Säule der Forschung am IMBA. Sasha Mendjan und sein Team rekonstruierten die Entwicklung der verschiedenen menschlichen Herzkammern aus Stammzellen und beleuchteten, wie sie zusammenarbeiten. Durch ihre Forschung erhalten wir weitere Einblicke in die Gefäßbildung des Herzens, in Regenerationsprozesse und die Entstehung von angeborenen Herzerkrankungen beim Menschen. Jürgen Knoblich hat Pionierarbeit bei der Erforschung des Nervensystems mithilfe von Stammzellen geleistet. Mit seiner Methode, die Gehirnentwicklung mit von Patienten stammenden menschlichen Stammzellen nachzubilden, definiert er, wie schwerwiegende neuronale Störungen entstehen, und hat bisher unbekannte Zelltypen im menschlichen Gehirn entdeckt. Noelia Urban erforscht das Gehirn nach seiner Entstehung und wie sich die ansässigen adulten Stammzellen während des Alterns und als Reaktion auf physiologische Änderungen im Körper verändern.“ 

„Sofia Grade hingegen untersucht, wie neuronale Stammzellen und neuronale Aktivität kompensierend auf degenerative und traumatische Verletzungen reagieren. Mein eigenes Labor hat untersucht, wie Stammzellen die Gliedmaßen und das Rückenmark regenerieren. Wir beginnen nun zu untersuchen, wie die regenerierenden Gliedmaße mit dem Nervensystem zusammenarbeiten. Zu verstehen, wie Zellen und Organe miteinander kommunizieren und wie Zellen "Sollwerte" erreichen, die ihre Reaktionen auf äußere Reize beeinflussen, wird der Schlüssel sein, um zu verstehen, wie sich Organe entwickeln, sich selbst erhalten und degenerieren bzw. regenerieren."

Stärkung des Vienna BioCenter

Das Vienna BioCenter ist der größte Life-Science-Campus Österreichs und vereint sechs Forschungsinstitute, darunter das IMBA und das IMP. Tanaka schätzt den kooperativen und kreativen Geist des Vienna BioCenter.  

„Die wissenschaftliche Leitung des IMBA zu übernehmen bedeutet für mich und mein Labor nur einen kleinen Ortswechsel: über eine Brücke vom IMP zum IMBA. Der enge wissenschaftliche Austausch zwischen IMBA und IMP, aber auch mit anderen Forschungsinstituten am Vienna BioCenter, wie dem GMI, den Max Perutz Labs, CeMESS und der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien, hat unserer Forschung viele Impulse gegeben. Das Vienna BioCenter bündelt die Forschung in allen Bereichen der Lebenswissenschaften – von der Strukturbiologie bis zur Zellbiologie, von der Pflanzengenetik bis zu Krankheitsmodellen. Dieses breite Spektrum an Expertise und Interesse sichert die wissenschaftliche Vielfalt und die Zusammenarbeit über die Grenzen der Disziplinen hinweg. Es wird sicher spannend sein, diese Kooperationen weiter zu stärken und die lebenswissenschaftliche Forschung hier gemeinsam zu gestalten. Eine der Stärken des Vienna BioCenter ist die schnell wachsende Biotech-Szene mit derzeit mehr als 40 Unternehmen auf dem Campus – einige davon sind Spin-offs aus der IMBA-Forschung. Ich schätze auch die internationale Atmosphäre eines Campus, der mehr als 3000 MitarbeiterInnen aus 80 verschiedenen Ländern vereint.“ Das IMBA arbeitet auch mit anderen starken Partnerinstitutionen zusammen. „Gemeinsam mit anderen Top-Institutionen der Biowissenschaften, wie dem ISTA, bieten wir Synergien, um internationale Talente nach Wien zu holen."  

Während die prominente Positionierung des IMBA in der Grundlagenforschung eine Priorität bleibt, möchte Tanaka, dass das IMBA auch eine Schlüsselrolle in der Förderung der wissenschaftlichen Ausbildung übernimmt. „Die Labore des IMBA und anderer Institute des Vienna BioCenter betreuen bereits eine große Anzahl von StudentInnen in Forschungsprojekten. Ich überlege, wie wir Programme weiterentwickeln können, damit die am IMBA betriebene Forschung von Weltrang die universitäre Ausbildung und die Ausbildung auf Fachhochschulebene unterstützen kann und damit die klügsten Köpfe für die Biowissenschaften gewinnt."  

Grundlagenforschung als kultureller Wert

Tanaka hebt das Engagement des IMBA für Spitzenleistungen in der Grundlagenforschung hervor, einem zentralen Wert des Instituts. „Viele der Entdeckungen des IMBA werden für die angewandte Wissenschaft weiterentwickelt, insbesondere im Bereich der Organoide. Auch wenn diese Umsetzung in die Biotechnologie ein wichtiger Aspekt ist, der einen Mehrwert für das Institut und den Standort schafft, geht es den WissenschaftlerInnen am IMBA in erster Linie darum, das Leben in all seinen Facetten zu verstehen. Grundlagenforschung an sich ist ein Wert für die Gesellschaft. Nur wenn wir offen denken und interessante Fragen stellen, die uns auf unerwartete Wege führen, können wir die Grenzen unseres Wissens wirklich erweitern. Forschung ist kreativ – und schafft durch Zufall unerwartete Anwendungen: wie CRISPR-Cas, die bekannte Gen-Schere, die (zum Teil am Vienna BioCenter) aufgrund des Interesses der Wissenschaftler am Verständnis bakterieller Abwehrsysteme entdeckt wurde. Als wissenschaftliche Leiterin des IMBA werde ich mich weiterhin für die Grundlagenforschung einsetzen und alles tun, um diese hier am Institut zu unterstützen."

Über Elly Tanaka

Elly Tanaka studierte Biochemie an der Harvard University und promovierte anschließend an der University of California in San Francisco. Als Postdoktorandin bei Jeremy Brockes am University College London arbeitete sie erstmals an der Regeneration von Gliedmaßen. Im Jahr 1999 gründete Tanaka ihr eigenes Labor am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden. Im Jahr 2008 wurde sie Professorin am Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD), dessen Direktorin sie später wurde. Seit 2016 ist Tanaka Senior Group Leader am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP), ebenfalls am Vienna BioCenter.  

Tanaka ist Wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und wurde 2023 in die renommierte US National Academy of Sciences aufgenommen. Sie erhielt u.a. den Erwin Schrödinger-Preis der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und den deutschen Ernst Schering Preis. Im Jahr 2023 vergab der ERC einen Advanced Grant an Elly Tanaka für die Erforschung der Innervation von sich regenerierenden Gliedmaßen.  

 

 

Zusätzliches Material


 

Portraits von Johannes Hloch

 

Portraits von feelimage/Matern

 

 

Axolotlfotos zum Download

 

 

Video zum Download