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PASQUAL SOLASS (Providence): Pathos des Verlorenen. Zum Konnex von Ästhetik und Geschichtsphilosophie in Winckelmanns Beschreibungen des ›Torso von Belvedere‹.
doi: 10.1553/spk49_1s5

Der Aufsatz stellt eine textnahe Lektüre der Entwürfe und Druckversionen von Johann Joachim Winckelmanns (1717–1768) Beschreibung des ›Torso von Belvedere› vor. Es soll gezeigt werden, wie Winckelmann dort die Grundlagen dafür beschreibt, wie die Antike sich vererbt. Mit Rekurs auf etymologische (thyrsos als ‚„abgeschnittenes Stück“) und rhetorische (der Torso als Metonymie) Aspekte der Beschreibungen wird deutlich, dass der Torso für Winckelmann nicht nur abstrakte Historizität exponiert, sondern das Erinnern und Anerkennen einer Vergangenheit, die einerseits unwiederbringlich und beklagenswerter Weise vergangen, andererseits auf radikale Weise „unsere“ Vergangenheit ist, d.h. verpflichtendes Erbe. Das berühmte allegorische Ende von Winckelmanns ›Geschichte der Kunst‹ (1764) reflektiert dies insofern, als dort erklärt wird, wie Pathos und Ethos erst in ihrem Zusammentreffen die entscheidende Rolle für das Erbe der Antike sind.


The article presents a close reading of the drafts and versions of Johann Joachim Winckelmann’s (1717–1768) description of the Belvedere Torso and aims to show how Winckelmann develops the fundamentals of inheriting antiquity. By way of focusing on etymological (thyrsos as “cut down”) and rhetorical (the torso as metonymy) aspects, it becomes clear that for Winckelmann the Torso itself displays not just abstract historicity, but remembrance and recognition of a past that on the one hand is unrepeatably yet lamentably past, on the other hand radically “ours”, i.e. obligating heritage. This falls in line with the famous allegorical end of Winckelmann’s ›Geschichte der Kunst‹ (1764), where he explains how pathos and ethos go hand in hand when it comes to inheriting antiquity.