Österreichisches Biographisches Lexikon

Biographie des Monats

Vom Wasserwerk zum „Mond-Apparat“: der Erfinder Romuald Božek

Anlässlich des zweihundertsten Geburtstags von Romuald Božek erinnert das „Österreichische Biographische Lexikon“ an diesen außergewöhnlich vielseitigen Techniker. Der gebürtige Prager machte sich als Maschinenbauer, Uhrmacher und Pionier der böhmischen Wasserwerktechnik verdient. Ideenreichtum bewies er aber weit darüber hinaus: Von der Prothese über Musikinstrumente bis hin zur Bühnenmaschinerie reicht das Spektrum seiner Erfindungen.

 

Romuald Božek wurde am 6. Februar 1814 als Sohn des Mechanikers, Uhrmachers und Erfinders Josef Božek (1782–1835) und seiner Frau Josefina, geb. Langová (gest. 1863), in Prag geboren. Romualds Vater war als Werkmeister am ständisch-technischen Institut in Prag beschäftigt und wurde als Konstrukteur des ersten Dampfwagens und des ersten Dampfboots im Kaisertum Österreich bekannt. Schon als Kind hielt sich Romuald mit Vorliebe in der väterlichen Werkstatt auf und zeigte früh technisches Talent und Interesse. Er erhielt seine Grundschulbildung bei den Dominikanern und den Piaristen in Prag und besuchte danach das Altstädter Gymnasium. 1829 begann er auch ein Studium am Polytechnischen Institut, das er jedoch nicht abschloss.

Zusammen mit seinem älteren Bruder František Božek (1809–1886) half Romuald dem Vater schon früh bei dessen Demonstrationsübungen am Polytechnikum sowie bei den handwerklichen Tätigkeiten in der eigenen Firma. Romualds technische Begabung und sein praktisches Geschick zeigten sich insbesondere in der Uhrmacherei und in der Feinmechanik. Auf dem Gebiet des Maschinenbaus interessierten ihn vor allem die Weiterentwicklung der Dampfmaschine und deren Nutzanwendung.

 

Die Maschinenwerkstätte Božek a synové – Božek und Söhne

Noch zu Lebzeiten seines Vaters hatte Romuald an einigen von dessen Aufträgen mitgewirkt, wie dem Pumpwerk für die Wasserversorgungsanlage in der Prager Neustadt 1828 und der Anfertigung eines neuen Uhrwerks für den Weißen Turm in Königgrätz (Hradec Králové) 1831. Als sie 1834 gemeinsam die Erneuerung der Maschinenanlage des Altstädter Wasserwerks beendeten, war die Leitung des Familienbetriebs bereits auf Romuald und seinen Bruder übergegangen. Nach dem Tod des Vaters 1835 konnte die Firma Božek a synové daher kontinuierlich fortfahren, wobei sie den vielfältigen Aufträgen aus der aufblühenden Industrie nachkam, insbesondere bei der maschinellen Ausrüstung von Unternehmen in den Sparten Wasserversorgung, Eisenbahn, Nahrungsmittel- und Textilproduktion. Die Božeks lieferten etwa Ölpressen, Pumpen, Maschinen für Zucker-, Papier- und Porzellanfabriken etc. Darüber hinaus konzentrierte sich Romuald Božek auf Feinmechanik, Heilbehelfe und die Uhrmacherei. Neben chirurgischen Apparaten und Fahrstühlen entwickelte er beispielsweise eine „Krankenkalesche“, auf die er ein Privileg erhielt. Schon 1833 hatte er anlässlich der Prager Gewerbeausstellung Gelegenheit gehabt, Kaiser Franz II. (I.) seinen „Augenoperations-Automaten“ (Fantoma genannt) vorzuführen, ein bewegliches Modell des menschlichen Auges, das Studenten zu Übungszwecken dienen sollte.

Von Misserfolg begleitet waren hingegen Božeks unternehmerische Ausflüge in andere Geschäftsfelder, etwa sein Versuch, selbst in der Zuckerfabrikation, der Ziegelei, der Erzeugung von Zichorienkaffee sowie von Farben tätig zu werden. Wiederholt geriet er in finanzielle Notlagen.

 

„Wasserleitungs-Direktor“ in Prag

Božeks Ruf als geschickter Mechaniker verhalf ihm jedoch zu Aufträgen im Bereich der Trinkwasserversorgung. So betraute ihn der Großunternehmer Adalbert Lanna 1841 mit dem Bau einer Wasserleitung für sein Gut Poříč. Als Lanna 1845 die Herstellung der Wasserleitungsanlagen für die obere Neustadt in Prag übernahm, entwarf Božek für ihn ein entsprechendes Projekt und besichtigte während einer halbjährigen Studienreise durch Deutschland, England und Frankreich über 60 Wasserwerke. Die erfolgreich durchgeführte Erneuerung des Neustädter Wasserwerks trug Božek die Funktion eines Inspektors der Prager Wasserwerke inklusive Dienstwohnung im Wasserwerk auf der Sophieninsel ein. Bis 1865 stand er als „Wasserleitungs-Direktor“ in städtischen Diensten. Zu den Aufträgen aus dieser Zeit zählten etwa eine Pumpmaschine und die Wasserleitung im Prager Stromovka-Park 1859, das Bewässerungssystem des Letná-Parks 1862 sowie das Wasserwerk und die Wasserleitung in Smichov 1864–72. Auch aus anderen Städten Böhmens erreichten ihn Anfragen: So projektierte Božek Wasserwerke bzw. Wasserleitungssysteme für Jitschin (Jičín), Neustadt an der Mettau (Nové Město nad Metují), Weißwasser (Bělá pod Bezdězem) und Jungbunzlau (Mladá Boleslav) sowie für Schloss Sychrov.

Eine herausragende Stellung behauptete Božek überdies im Uhrmacherhandwerk. 1864 wurde er in die Kommission zur Reparatur der Altstädter Astronomischen Uhr in Prag berufen. Im Zuge dieser Arbeiten wurde das ursprüngliche Foliot durch ein Minutenwerk von Božek ersetzt, das bis heute die Ganggenauigkeit der Uhr gewährleistet.

 

 

    

 

Božek als Komponist, Musiker und Erfinder von Musikinstrumenten

Romuald Božek war ein begabter Musiker – er soll alle Blasinstrumente gespielt haben – und komponierte selbst Dutzende Werke. Unter diesen befindet sich eine „Hymne für Gesang und Pianoforte“, die er Kronprinz Rudolf widmete und die in deutscher und tschechischer Sprache bei Emanuel Starý d. Ä. erschien (ohne Jahr, vermutlich 1879). Darüber hinaus erfand Božek zwei originelle Tasteninstrumente: das Chartophon (1845) und das Sirenophon (1864). Während vom Chartophon in einer Zeitungsnotiz der „zarte ungemein sanfte, zum Herzen sprechende Ton“ überliefert ist („Humorist und Wiener Punch“, 12. 8. 1853), soll sich das Sirenophon durch seinen orgelähnlichen Klang ausgezeichnet haben. Božek spielte auf ihm eigene Kompositionen. Wie Ernst Mach berichtete, lehnte er den Vorschlag eines jungen Mannes, das Sirenophon auf den Markt zu bringen, mit dem Hinweis ab, dass die Erfindung bedeutend, aber unverkäuflich sei. Auch schreibt er, Božek habe den Versuch eines Kollegen, darauf zu spielen, als Sakrileg bezeichnet. Mach hielt Božek für einen der bemerkenswertesten Erfinder, denen er je begegnet sei, deutete aber auch dessen Eigenheiten an: „The inventor surrounded himself with the mystery of a medieval wizard and conjurer“, heißt es 1912 in einem Beitrag Machs für die Philosophiezeitschrift „The Monist“.

 

Sonne, Mond und Abenstern – Božeks bühnentechnische Erfindungen

Ab der Jahrhundertmitte beschäftigte sich Božek außerdem mit Bühnentechnik und widmete sich hier vor allem diversen Effekten wie der Simulation von Dämmerung, Sonnen- und Mondaufgang. Seine Erfindungen beruhen auf der Verbindung mechanischer Tricks mit elektrischer Beleuchtung. Am Prager Ständetheater leitete er seine „electro-galvanischen und optischen Apparate“ selbst, und zwar „nicht engagirt, sondern aus Gefälligkeit“, wie der „Deutsche Bühnen-Almanach“ 1858 anmerkt. Auf einen Apparat zur Nachahmung des Sonnenaufgangs folgte ein damals viel bestaunter Mond, der sich nach Belieben erhellen und verfinstern ließ und in einer Aufführung von Otto Nicolais Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“ 1853 seine Premiere hatte. Für eine „Tannhäuser“-Aufführung konstruierte Božek einen flimmernden Abendstern, wie auch in der „Oesterreichisch Kaiserlichen Wiener Zeitung“ zu lesen war: „In Prag wurde am Samstag zum Benefiz des Frl. Luise Mayer der ‚Tannhäuser‛ gegeben. Es wirkten darin unter Andern mit von dem Mechaniker Hrn. Romuald Bozek erfundene, ausgeführte und geleitete physikalisch-mechanische Abendstern- und optisch-mechanische Mondapparate.‛“ (29. 11. 1854). Fortgesetzt wurde die Reihe seiner Erfindungen unter anderem durch einen beweglichen Schwan für Wagners „Lohengrin“ (1856) und die „Geister-Erscheinungen“, die Božek in einer Schauspiel-Aufführung am Neustädter Theater 1863 „arrangierte“. Als sich Bühnen in Österreich, Deutschland und England für seine Apparaturen zu interessieren begannen, unternahm Božek einige Reisen, auf denen er seine Erfindungen vorstellte. 1881 besuchte er sogar Skandinavien. Im Zusammenhang mit dem Theater beschäftigten Božek auch sicherheitstechnische Fragen, was ihn zur Entwicklung von Löschvorrichtungen, Brandmauern und Feuerschutzvorhängen brachte.

In den 1880er-Jahren zog sich Božek ins Privatleben zurück und widmete sich der Bearbeitung seines umfangreichen Nachlasses, der sich heute im Národní technické muzeum, dem Technischen Nationalmuseum, in Prag befindet. Romuald Božek starb hochbetagt am 30. April 1899 in Prag. Noch sein Requiem war vom Schöpfergeist des Verstorbenen geprägt: Unter Orgelbegleitung erklang sein selbst komponierter, vierstimmiger „Hymnus per morto“.

 

 

Literatur: H. Fuchs, Josef, Franz und Romuald Božek, in: Österreichische Wochenschrift für den öffentlichen Baudienst, 1914, S. 607ff.; O. Teuber, Geschichte des Prager Theaters 3, 1888, S. 405, 458; E. Mach, Inventors I have met, in: The Monist 22, 1912, S. 230ff.; Národní divadlo a jeho předchůdci, red. V. Procházka, 1988; T. Kučera, Božkové ve sbírkách Národního technického muzea v Praze, Bakkaleureatsarbeit Masarykova univerzita Brno, 2001; J. Ludvová u. a., Hudební divadlo v českých zemích. Osobnosti 19. století, 2006; O. Pavlík, Romuald Božek. Český mechanik, vynálezce a vodárenský odborník, 2010 (m. B.); J. Hozák, Romuald Božek (biografischer Artikel in tschechischer Sprache für die Onlineversion des ÖBL 2014, in Vorbereitung).

(Eva Offenthaler)


Wir danken dem Národní technické muzeum in Prag für die Zurverfügungstellung von Bildmaterial.