Institut Österreichisches Biographisches Lexikon
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Biographie des Monats

Eine moderne Frau: Mathilde Sellenati

Porträt Mathilde SellenatiAm 17. Februar 2011 jährt sich der 100. Todestag einer bemerkenswerten Frau, die zwar in keinem der einschlägigen Lexika auffindbar ist, aber durch ihren Lebensweg und ihre – für die damaligen Verhältnisse außergewöhnliche – Lebenseinstellung sehr wohl Beachtung verdient. Es handelt sich um die Kärntner Malerin Mathilde Sellenati, geborene Martens, eine auch im heutigen Sinn moderne Frau.

 

Mathilde Martens wurde am 31. März 1834 auf Schloss Kellerberg bei Villach geboren und entstammte einer protestantischen Familie. Ihr Vater Ludwig Wilhelm Martens, der in jungen Jahren die Accademia di Belle Arti in Venedig besucht hatte, fungierte damals bei Graf Widmann als Eisenwerks-Inspektor; ihre Mutter Marie, geborene Glanzer, war eine Lehrerstochter. Zusätzlich nahmen ihre Eltern auch noch einen verwaisten Neffen, den späteren Maler Ludwig Friedrich Schuller, in ihr Zuhause auf. So wuchs Mathilde Martens in einer kunstsinnigen und zugleich weltoffenen Familie auf und entwickelte sich zu einer selbstständig denkenden und sehr energischen Frau.

Geprägt von ihrem Vater, nahm sie in Düsseldorf privaten Zeichenunterricht und verlegte sich in der Folge vor allem auf die Porträt- und Landschaftsmalerei.

Weiterer Lebensweg und soziales Engagement

Am 20. Mai 1855 heiratete sie in Villach den katholischen Handlungsreisenden Johann Sellenati, Sohn des Tischlermeisters Jakob Sellenati aus Brazzano bei Görz. Im Mai 1856 kam ihr erstes Kind, Leopold, auf die Welt (gestorben 21. Jänner 1857), doch reichten ihre Interessen schon damals über das Familienleben hinaus. Darauf lässt zumindest der im November 1856 in Villach erschienene „Aufruf an die P. T. Frauen Villachs!“ schließen, der die Gründung eines Frauenvereins zum Ziel hatte, um „der in einem erschreckenden Umfange um sich greifenden Demoralisation der unteren Volksklassen“ entgegenzuwirken und der „durch angestrengte Beschäftigung heranwachsende Mädchen einigermaßen civilisiren, und wenigstens einzelne davon vom moralischen Verderben“ retten sollte (zitiert nach Oezelt S. 97). Sellenati brachte noch vier weitere Kinder zur Welt, ehe ihre Ehe um 1873 scheiterte. Sie ließ sich scheiden, brach mit der Kirche (im Matrikeneintrag zum Tod ihres unehelich geborenen Sohnes, 1874, wird sie als „confessionslos“ vermerkt) und heiratete schließlich in zweiter Ehe einen Herrn Morocutti, der jedoch kurze Zeit später verstarb. Sellenati übersiedelte daraufhin im Herbst 1876 mit ihren Kindern nach Wien, wo sie als Restauratorin in der Graf Esterházy’schen Familiengalerie eine Anstellung fand. Vermutlich ab Ende der 1880er-Jahre (nachweislich ab 1894) lebte sie mit ihrer Tochter, der Lehrerin Friederike Sellenati, in Mauthen im Gailtal, einem Ort mit lebendigem Kulturleben.

Ein unkonventionelles Leben

Mathilde Sellenati, die unter anderem mit der Familie des Juristen Leopold Wenger und mit dem Maler Franz von Defregger befreundet war, galt nicht nur als eine liebevolle Mutter, sondern auch als eine für ihre Zeit äußerst emanzipierte Frau, die ihrem Privatleben fortschrittliche und unkonventionelle Grundsätze zugrunde legte, worauf ihre Scheidung, die Geburt ihres unehelichen Kindes, ihre Berufsausübung sowie ihre religiöse Entwicklung (sie wurde in der Folge Mitglied der religiösen Sekte der Swedenborgianer und unterhielt innerhalb dieser Gruppierung weltweite Kontakte) hinweisen.

Sie starb am 17. Februar 1911 in Mauthen.

Ihr Sohn, der Künstler und Ski-Pionier Hans Sellenati

Familie SellenatiVon ihren Kindern erreichte besonders ihr drittes, nämlich Hans (Johann) Baptist Sellenati (geboren in Villach am 6. September 1861; gestorben in Mauthen am 21. Dezember 1935; römisch-katholisch), eine größere Bekanntheit. Hans Sellenati erhielt ersten Zeichenunterricht durch seine Mutter und begann 1880 ein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München, das er aber nicht beendete. 1896 kehrte er als Porträtmaler nach Villach zurück, wo er in den folgenden Jahren zu einem angesehenen Künstler avancierte. 1905 übersiedelte er zu seiner Mutter nach Mauthen, erteilte privaten Zeichenunterricht und fertigte unter anderem zahlreiche Landschaftsbilder, Kinderporträts (alle in Privatbesitz) und Porträts von neun Mauthener Bürgermeistern. Daneben setzte er sich auch für touristische Belange ein: so gründete er 1906 einen Verschönerungsverein, engagierte sich innerhalb des Alpenvereins für die Erschließung der Berge durch sichere Wanderwege, gestaltete für die Mauthener Sommergäste „Bunte Abende“ und brachte ab 1898 das „Mauthner Local - Witzblatt – Die Schreibe“ heraus, in dem er das örtliche Tagesgeschehen und die Schwächen seiner Mitmenschen mit zahlreichen Illustrationen versehen, kommentierte. Hans Sellenati war ein begeisterter Skifahrer, der den Wintersport in vielen humorvollen Bildergeschichten darstellte und karikierte. Er bemühte sich auch um die Förderung dieser Sportart in Mauthen: so wurde auf seine Initiative 1919 die „Sektion Obergailtal des Verbandes der Skiläufer Kärntens“ innerhalb des dortigen Alpenvereins gegründet. Neben seinen Bildern in naturalistischer Malweise sind seine Gedichte sowie seine unveröffentlichten Kinderbücher von Interesse.

Werke (Auswahl; signierte zumeist als Martens): Jünglingsporträt ihres Sohnes, um 1880; Kind mit Früchten, 1881; Anton Markus Klaus, 1890; Schloss Kellerberg; Christus am Ölberg.

Literatur: Kärntner Nachrichten, 23. 2. 1911; Kärntner Nachrichten, 26. 9. 1897 (für Hans Sellenati); Kärntner Tagblatt, 15. 1. 1936 (für Hans Sellenati); Gertrud Oezelt, Der Maler Hans Sellenati (1861-1935). Lebensbild und Werkeverzeichnis, in: Neues aus Alt-Villach (= Museum der Stadt Villach, 25. Jahrbuch), 1988, S. 91-160 (mit Bildern); Alfons Haffner, Der Zeichner, Lithograph und Maler Ludwig Schuller (1826-1906), in: Carinthia I. Zeitschrift für geschichtliche Landeskunde von Kärnten 100/180, 1990, S. 490f., 494f. (für die Familie Martens); 75 Jahre Obergailtaler Sportklub, 1997, S. 8f. (mit Bild, für Hans Sellenati); Christine Gruber – Elisabeth Lebensaft, Mathilde Sellenati, in: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950, 12, 2005; Christine Gruber – Georg Wacha, Hans Sellenati, ebd.; röm.-kath. Pfarramt Mauthen, Kärnten; Mitteilung Gertrud Oetzelt, Alexandra Schmidt, beide Villach, Johann Heinricher, Klagenfurt, alle Kärnten.

(Christine Gruber)


Die Bilder wurden dem Österreichischen Biographischen Lexikon freundlicherweise von Herrn Johann Heinricher, einem direkten Nachkommen, für die Veröffentlichung zur Verfügung gestellt.