03.05.2024 | Preise

ÖAW-Preise in Natur­wissenschaft und Wissenschafts­geschichte verliehen

Der Quantenphysiker Hannes Pichler sowie der Wissenschaftshistoriker Michael Schober werden von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften mit den renommierten Preisen für junge Wissenschaftler:innen ausgezeichnet: dem Ignaz L. Lieben-Preis und dem Bader-Preis.

Der Ignaz L. Lieben-Preis und der Bader-Preis werden am 8. Mai an der ÖAW vergeben. © Wehofer Architekten ZT GmbH

Von den Geheimnissen der Quantenphysik bis zur Ermöglichung und Verunmöglichung von akademischen Laufbahnen in der Entwicklung der Massenspektrometrie: die diesjährigen Preisträger Michael Schober und Hannes Pichler setzen Maßstäbe in ihren Fachgebieten. Die Preise sind mit jeweils 36.000 US-Dollar dotiert und werden am 8. Mai an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien verliehen.

Entdeckung von Quantenvielteilchennarben

Hannes Pichler, Professor für Theoretische Quantenoptik an der Universität Innsbruck und Forschungsgruppenleiter am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der ÖAW, erhält den Ignaz L. Lieben-Preis für seine bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der Quantenvielkörperphysik und Quanteninformationswissenschaften. Er entwickelte innovative Algorithmen für Rydberg-Atom-basierte Quantensimulatoren und formulierte grundlegende Prinzipien der chiralen Quantenoptik.

Pichlers Forschung ermöglicht die Kontrolle und Manipulation quantenmechanischer Systeme durch Licht und hat zu bahnbrechenden Erkenntnissen über künstliche Quantenmaterie und unter anderem zur Entdeckung von Quantenvielteilchennarben geführt – einem quantenmechanischen Effekt, der einem kontraintuitiven, periodischen Verhalten von Vielteilchensystemen zugrunde liegt. Darüber hinaus wurden neue Methoden entwickelt, um klassische Optimierungsprobleme mithilfe von neutralen Atomen zu lösen, sowie neue Protokolle für fundamentale Quantengatter entworfen, welche die Basis moderner Designs von Quantenprozessoren mit neutralen Atomen bilden.

Entwicklung der Massenspektrometrie in der NS-Zeit

Michael Schober von der Montanuniversität Leoben erhält den Bader-Preis für sein Dissertationsprojekt „Richard Herzog (1911–1999): the scientific career of an Austrian inventor in the field of mass spectrometry“. Seine Arbeit widmet sich der biographischen Aufarbeitung des Lebens, der politischen Aktivität und der wissenschaftlichen Karriere von Richard Herzog im Kontext seiner Zeit.

In der Zwischenkriegszeit gründete sich an der Universität Wien eine Forschergruppe, die sich auf die Entwicklung neuer Massenspektrometer konzentrierte. Diese Gruppe wurde von Josef Mattauch, Richard Herzog und Hugo Bondy geprägt. Während Mattauch als etablierter und anerkannter Forscher galt, konnte Bondy ab 1938 aufgrund seiner jüdischen Herkunft nicht weiterforschen und verlor seine Anstellung. Herzogs wissenschaftliche Arbeiten zu Massenspektrometern, Ionen- und Elektronenoptiken sowie den Anfängen der Sekundärionen-Massenspektrometrie (SIMS) beeinflussen die Forschung bis heute. Seine politische Aktivität während des Austrofaschismus und Nationalsozialismus ist jedoch weitgehend unbekannt.

Über den Ignaz L. Lieben- und den Bader-Preis

Der Ignaz L. Lieben-Preis der ÖAW, wurde 1863 gestiftet und nach den Gründern des Bankhauses Lieben benannt. Renommierte Forscherinnen und Forscher wie die Physikerinnen Marietta Blau und Lise Meitner oder die beiden Nobelpreisträger Viktor Hess und Otto Loewi wurden mit diesem Preis ausgezeichnet. Nach dem „Anschluss“ 1938 wurde der Ignaz L. Lieben-Preis eingestellt. Die Angehörigen der Stifterfamilie wurden von den Nationalsozialisten vertrieben. Heinrich Lieben, der 1937 den letzten Stifter-Brief unterzeichnet hatte, wurde 1945 im Konzentrationslager Buchenwald ermordet.

Der 1924 in Wien geborene Alfred Bader musste 1938 vor den Nationalsozialisten im Rahmen der Kindertransport-Aktion nach England fliehen. Gemeinsam mit seiner Frau Isabel Bader reaktivierte er den Ignaz L. Lieben-Preis, der 2004 nach langer Unterbrechung wieder vergeben wurde. Bei der feierlichen Preisverleihung an der ÖAW wird auch Alfred Bader gedacht, der heuer 100 Jahre alt geworden wäre.